Wenn wir die Welt so behalten wollen, wie sie ist.

1. Oktober 2017 | Kultur | Keine Kommentare

Was bisher geschah: Ein Archäologe hat uns auf das bisher unbekannte Manuskript des Rotger aufmerksam gemacht. Sachsen hat sich wieder einmal gegen den salischen Kaiser erhoben. Es gibt zwei Handlungsebenen: In der Rückblende Weihnachten 1114 flieht der Erzbischof mit Hilfe seines Freundes vor dem Kaiser. Ernst von Severn ist hin- und hergerissen zwischen seiner Freundschaft zu Adalgot und seiner Treue zum Kaiser. Im Winter 1115 sammeln die Kaiserlichen und die Sachsen ihre Heere. Es kommt zur Schlacht. Die Sachsen siegen. Im Spätsommer 1116 wird der Freund des Erzbischofs, Ernst von Severn, ermordet. Das Leben muß weitergehen: Der Erzbischof gründet sein „neues Werk“.  Auch der Wächter Cuno wird ermordet. Endlich wird ein Täter gefunden. Das Gericht des Erzbischofs spricht ein Urteil und es wird jemand abgeurteilt. Ein neues Frühjahr kommt ins Land. Wir schreiben bereits das Jahr 1117. Hazecho ist wieder auf dem Giebichenstein. Die Geschichte wird bald ein Ende finden:

XVIII. Hazecho, Frühjahr 1117

Aus den Notizen des Rotger: Der Winter in diesem Jahr war lang, aber der Herr Adalgot war umtriebig. Wie alle Welt rüstete er für den Krieg. In seinem Fall ging es gegen seinen Sufraganbischof Gerhard von Merseburg.

Der Giebichenstein blieb ein gastliches Haus, auch wenn unser Erzbischof in Sachen Krieg und Frieden auf Reisen war. Im Reich war es zu keiner Entscheidung gekommen. Im Grunde war seit dem Welfesholz das Regnum teutonicum zweigeteilt. In Sachsen regierte Herzog Lothar, beseitigte die letzten Widerstandsnester und eroberte alle Reichsburgen, derer er habhaft werden konnte. Der Kaiser hatte sich nach Italien zurückgezogen und ließ den Krieg durch Stellvertreter weiterführen.

Es war ein einem Nachmittag im Frühjahr. Kämmerer Rotger empfing mich im Saal am Feuer. Der wortkarge und stets kränkelnde Mann wärmte sich die Finger am Becher, der ganz sicherlich keinen Wein enthielt. Ich legte Fellkappe und gefütterten Mantel auf einer Bank ab und setzte mich zu ihm. Für mich reichte Frau Rada, wie sie jetzt respektvoll genannt wurde, warmen Wein, was ich bevorzugte, wie hier bekannt war. Sie schloss die Tür, wir waren allein.

„Was dem Kämmerer nicht behagt, mag der Gast um so mehr bekommen!“, hatte Rotger einmal gesagt und gelächelt, was er selten tat. Er fühlte sich wohl im bequemen Turm an der Saale und war hier lieber als in Magdeburg: „Dort steht unsere große Kirche, aber ich weiß nicht, warum Kaiser Otto seine Stadt ausgerechnet an der wilden Elbe errichtet hat, wenn er es hier auf dem Giebichenstein so schön und lieblich hätte haben können. Mit dem Salz gibt es genug Handelsgut, die Menschen sind stark und fröhlich.“

„Der Krieg ist auch an uns vorbeigezogen, Gott sei gelobt“, bemerkte ich. „Nicht ganz“, bemerkte der Kämmerer des Erzbischof, „Wir rüsten gegen Merseburg, wie du weißt. Der Herzog wird uns unterstützen. Die Tage des Herrn Gerhard sind gezählt. Jedenfalls, was sein Amt in Merseburg betrifft. Ich hoffe nicht, das er dort seine Burg bis zum Tod halten will.“

„So schätze ich ihn keineswegs ein“, seufzte ich, da das Morden nie aufhörte, „Wird unser Herr ein Hallenser Aufgebot in das Heer holen?“

„Wäre Ernst von Severn euer Anführer gewesen, hätte Herr Adalgot dies sicherlich angeordnet, aber mit den Herren Hermann und Wiprecht, dem Älteren, der zurückgekehrt ist, werden die Aufgebote der Magdeburger Vasallen und Verbündeten zum Feldzug gerufen. Heinrich von Giebichenstein und Imradus werden sich mit einigen Reitern anschließen. Der Herr von Trotha fühlt sich zu alt und hat keinen Sohn, schickt aber wohl ein, zwei Reiter. Wenn du also freiwillig dabei sein möchtest…?“

Es war eine rhetorische Frage. Dennoch schüttelte ich den Kopf. Rotger lächelte. Er konnte sich gut vorstellen, das ich von Krieg und Tod genug hatte, seit ich auf dem Welfesholz gewesen war. Ich war kein Adliger, der sich zum Kriegführen verpflichtet fühlte. „Ich wünschte, der Herr würde verhandeln, wie er es sonst zu tun pflegt. Nein, ich werde zu Hause meinen Geschäften nachgehen. Da ist mehr zu verdienen als im Krieg. Aber jetzt in Zeiten, in denen sich der Kaiser nach Italien zurückgezogen hat und das Ringen um Mainz begonnen hat, finden sich genügend Herren, die bereit sind, ein wenig zu kämpfen und viel zu plündern und von der Beute mitgehen zu lassen, da braucht es kein städtisches Aufgebot. Kein Haupt ist mehr mit der Frage überfordert, ob jeden Morgen Ausschau gehalten werde muss, ob man einen kaiserlichen oder erzbischöflichen Wimpel am Haus aufziehen muss. Die Sache ist entschieden, kein Risiko mehr dabei, das Schwert umzugürten.“

„Gewiss, gewiss“, lächelte Herr Rotger, „Aber seid nicht so streng mit den Herren der Landgüter, Burgen und kleinen Weiler, die nicht so gut geschützt hinter dem Stadtwall wie du sitzen. Was das Verhandeln betrifft, bin ich deiner Meinung, das ist auch für unseren Herrn kein Geheimnis.“ Höflich erkundigte sich der Kämmerer nach dem Befinden meiner Familie, meiner Frau Hatmunda, der Tochter Gunda und wann die Geburt des neuen Mitglieds des Salzhauses Hazecho bevorsteht. „Wenn Gott neues Leben schenkt, um unsere Anliegen fortzuführen und das Gedeihen unserer Lieben und unserer Nächsten zu gewährleisten und zu verbessern, ist das ein großer Segen.“

Es freute ihn ehrlich, das sah ich Rotger an, sonst würde er darüber keine Worte verlieren. Er war nicht nur Kämmerer, er war auch ein guter Seelsorger, so schien mir. Wir sahen einen Moment in die Flammen. „Mich ehrt dein Vertrauen“, so begann Rotger plötzlich, „Deswegen werde ich dir als Vertrauten meines Herrn hier in Halle und Giebichenstein auch anvertrauen, was mich gerade innig beschäftigt und zu dieser Sache würde ich gerne deine Meinung hören.“

Ich wollte abwehren. Dieses Anliegen des kränklichen Geistlichen schien mir fast unziemlich. Aber er ließ es nicht zu: „Ich hätte es nicht getan, wäre dein Votum gegen Wicmann so klar ausgefallen, aber auch du hattest Zweifel. So höre mir also zu, bei deiner und meiner Seele. Niemals, niemals darf es an das Ohr des Herrn Adalgot dringen, wenn wir die Welt so behalten wollen, wie sie ist. – Obwohl auch Wegsehen Sünde ist, wie ich vermute.“

Ich seufzte, was hatte der arme Kerl auf dem Herzen? Er sagte doch sonst nie ein Wort! Noch war der Wein warm, wenn auch nur halb ausgetrunken! Er begann zu erzählen und ich wünschte später, er hätte nie begonnen:

Die letzte Fortsetzung folgt.

Paula Poppinga

Die bisherigen Folgen:

Tatort im HalleSpektrum: Die Verdammten vom Welfesholz
Das Schachbrett Kaiser Heinrichs war umgeworfen
Der Giebichenstein, der Giebichenstein, wer einmal dorthin geht, kehrt selten heim.
Mord und Totschlag auf der Burg!
Die Falle in Goslar
Auf der Flucht
Das neue Werk
Der Krieg ist über uns gekommen
Empörer wider Willen
Das Verhör der Magd
Der Mörder war immer der Schreiber!
Wir tun manches aus Freundschaft oder Liebe
Wider allen Rechtes vertreiben sie Arme, Schwache und Kranke
Verdammt sollen sie alle sein!
Als Mönche aus der Fremde kamen
Die Hand, die den Dolch führte, ward nicht gefunden
Der älteste und der treuste Mann des Herrn
Hängt ihn, hängt ihn in den Baum!
Er urteilte und es war gerecht
Ich möchte durch das Blut der Mainzer waten

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