Als Mönche aus der Fremde kamen

20. August 2017 | Kultur | Keine Kommentare

Was bisher geschah: Ein Archäologe hat uns auf das bisher unbekannte Manuskript des Rotger aufmerksam gemacht. Sachsen hat sich wieder einmal gegen den salischen Kaiser erhoben. Es gibt zwei Handlungsebenen: In der Rückblende Weihnachten 1114 flieht der Erzbischof mit Hilfe seines Freundes vor dem Kaiser. Ernst von Severn ist hin- und hergerissen zwischen seiner Freundschaft zu Adalgot und seiner Treue zum Kaiser. Im Winter 1115 sammeln die Kaiserlichen und die Sachsen ihre Heere. Es kommt zur Schlacht. Im Spätsommer 1116 wird der Freund des Erzbischofs, Ernst von Severn, ermordet. Das Leben muß weitergehen: Der Erzbischof gründet sein „neues Werk“.  Aber auf dem Gelände für das geplante Kloster wohnen Menschen, die nicht weichen wollen. Der Erzbischof muß Überzeugungsarbeit leisten.

XI. Hazecho, Spätsommer 1116

Aus den Notizen des Rotger: Mönche aus der Fremde kamen, um das Wort des Herrn den Herzen der Menschen an der Saale nahe zu bringen.

Der Erzbischof fuhr fort: „Vater Berewigus und Bruder Lambert, diese zwei eifrigen und gottesfürchtigen Männer vom Orden der Augustinerdomherren werden hier die ersten Mönche sein und die Messe für alle diejenigen lesen, die an diesem unheilvollen Schlachten beteiligt waren. Auch für die Verdammten.“ Das letzte aber sagte er so leise, dass nur der Innenkreis es hören konnte.

„Sie werden Trost denjenigen bringen, die es nötig haben, Fürsprecher bei Gott für uns sein, und allen die Beichte abnehmen.“ bei diesen Worten schob Herr Adalgot Berewigus und Lambert vor: „Vater Berewigus wird der erste Prior des Klosters und damit Herr auf Neuwerk, der Vogt der Besitzungen aber ist der Vogt aller unserer erzbischöflichen Besitzungen, der Herr Hermann von Sponheim, der unser Banner trägt. Zu seinem Vertreter vor Ort, da Herr von Sponheim in Magdeburg zu weilen pflegt, ernenne ich deswegen Hartfried von Ringleben, der Hauptmann der Schar von Ringleben.“

Es war ungewöhnlich, dass ein Nichtadliger ein Vogtamt bekam, aber die Ringlebener waren Freie und Herr Adalgot bewahrte damit einen Interessenausgleich, damit die Ringlebener Zugriff auf ihren und meinen ehemaligen Besitz behielten. Und die Menschen, Männer, Frauen und Kinder, was wurde aus denen? Auch für die hatte Herr Adalgot Verwendung: „Die neue Ringlebenvorstadt soll an der Straße nach Giebichenstein entstehen. Ihr könnt euch denken, dass Herr Berewigus und Herr Hartfried nun hauptsächlich Bauleute und Handwerker gebrauchen können. Deswegen, Slodan, wirst du wohl als einer der ersten angestellt werden. Und bis dein Haus und deine neue Werkstatt an der Straße fertig sind, wirst du her wohnen bleiben können. Die Mönche werden euch nicht die Häuser wegnehmen, sondern bleiben bis zur Fertigstellung des Mönchshauses auf dem Giebichenstein wohnen.“ Das war zwar nicht im Sinne Berewigus, der lieber vor Ort gewesen wäre, aber er beugte sich der friedlichen Einigung durch den Erzbischof.

Die Laurentiuskirche steht heute noch

„Und noch eins. Die Vorstadt des Klosters erhält eine eigene Kirche. Was sagt ihr dazu?“, fragte Herr Adalgot am Ende seines Friedensvorschlags. Eine eigene Gemeinde zu sein, das war etwas, was den Wenden der Siedlung sowohl von den Ringlebenern als auch vom Erzbischof verwehrt worden war. Hartfried und auch Petrus waren zu harter Widerrede bereit, denn dieses Angebot bedeutete für die Ringlebener einen Machtverlust. Aber da geschah etwas Unerwartetes: Der junge Lambert trat vor und sagte den Leute in sorbischer Sprache, dass er gerne ihre Kirche betreuen wolle und er sie dem Heiligen Laurentius weihen wolle und ob das ihr Einverständnis finden würde. Ich vermag das so wiederzugeben, da ich etwas wendisch verstehe. Ich stellte Überraschung bei Adalgot und Berewigus fest. Das war durchaus nicht abgesprochen. Wie er auf den Laurentius kam, war mir ein Rätsel. Oder war Imradus daran Schuld? Denn dieser verehrte den Heiligen, weil seine Vorfahren auf dem Lechfeld im Dienste des ersten sächsischen Kaisers Otto gekämpft hatten. Die beiden waren in einem Alter, hatten vielleicht die Köpfe zusammengesteckt. Die einfachen Leute reagierten nicht nur erleichtert, sondern begeistert. Slodan drückte Lambert ergriffen die Hand und die Menschen beachteten die Bewaffneten nicht mehr, sondern umringten den Mönch. Er musste die Kinder segnen.

Lampert, so jung und benimmt sich wie ein Heiliger

„So jung und benimmt sich wie ein Heiliger“, hörte ich Bischof Konrad dazu sagen. „Bis dahin ist es ein langer Weg“, reagierte der zukünftige Neuwerker Prior gelassen, „Er hat die Leute beruhigt und für unsere Sache eingenommen, das ist die Hauptsache.“ Adalgot fügte an: „Erzbischof wird er auf diese Weise jedenfalls nicht, ein Heiliger vielleicht …“. Er war nicht unzufrieden. Alles war in seinem Sinne und ich sah es ihm an, dass er in diesem Augenblick beschlossen hatte, den jungen Mönch zu fördern. „Sieh an“, sagte Vogt Hermann, „Die Ringlebener ziehen sich zurück, geben sich geschlagen.“

„Ich werde Hartfried in mein Haus laden, um alles zu fixieren, was ich versprochen habe. Sie sollen auch einen Ausgleich für ihr Land hier bekommen. Ich wollte dies nur nicht unter den Druck der Waffen versprechen…“ sagte Adalgot. „Ob es gut war, Hartfried zum Vogt zu machen?“, gab ich zu bedenken. Er lächelte aber vorwurfsvoll: „Du setzt dich schlecht für den Bruder deiner Frau ein. Aber warten wir ab, wie er sich macht und welche Sache er am Ende vertritt. Ich denke, dass der Marktort Halle am Ende die größte Zukunft hat und Ringleben und Giebichenstein zurückbleiben werden. Aber das liegt in Gottes Hand.“ Vogt Hermann war harscher in seinem Urteil: „Gut wars, ihnen einen Dämpfer zu verpassen. Hartwig und die seinen wähnten sich bereits als Herren zwischen Halle und Giebichenstein. Sie waren auf der Gewinnerseite und wollen Gewinn daraus ziehen. Aber die Zeit der Ringlebener und ihresgleichen ist vorbei.“

„Doch wollen wir sie nicht mit der Nase drauf stoßen“, beendete der Erzbischof die kleine Unterredung. So lief am Ende alles zu unserer vollsten Zufriedenheit. Das neue Werk, ein Kloster im Süden des Erzbistums und wichtiger für uns, direkt an den Stadtgrenzen von Halle, konnte begonnen werden.

Am Rand der Straße warteten unterwürfig drei andere Männer. Sie trugen wie alle am Fluss wendische Kleidung. Für sie stiegen wir nicht von unserem Pferden ab. Es waren Abgesandte aus dem Judendorf, die genauso wie Ringleben und die Wenden um ihre Wohnstatt, ihren Besitz oder um was auch immer fürchteten. Der Sprecher der Männer trug trotz der Wärme einen Wollmantel mit Fellkragen und eine Kappe aus Wolle. Diese nahm er nun untertänig ab. Es war der Herr Salomon, Richter, Priester und Judenmeister des Dorfes, das sich vollständig in erzbischöflichen Besitz befand, so weit ich wusste.

Der Friedhof des Judendorfs

„Herr Adalgot, ehrenwerter Fürst und Erzbischof, wir sorgten uns, als wir von dem neuen Werk hörten.“, begann der Jude, „Wir begraben seit vielen Jahren unsere Toten auf dem Hang oberhalb der Saaleauen, der unserem Dorf gegenüberliegt. Wir ihr wisst, war mein Großvater ben Jakub der erste, der dort bestattet wurde. Wird das neue Werk unsere Toten stören?“

Herr Adalgot stieg am Ende doch vom Pferd ab. Er seufzte. Ich tat es ihm gleich, aber Hermann und die Bedeckung blieb im Sattel. Herr Konrad stieg zwar ab, aber nur um sich in der Nähe an einem Baum zu erleichtern. Ich merkte, dass es den Herrn ärgerte. Adalgot begrüßte den Judenmeister freundlich: „Eure Sorge muss groß sein, Herr Salomon ben Israel, das ihr euch persönlich hier herüber bemüht.“

„Es ist die Sorge um unsere Toten, Herr.“

„Der jüdische Totenacker gehört nicht zum Inhalt des Vertrages zur Errichtung des neuen Stiftes“, gab Herr Adalgot zur Auskunft, „Wenn es nach mir ginge, bis unser Herr Christ die Trompeten zum jüngsten Gericht blasen lässt. Seid ihr damit zufrieden?“ Die Juden nickten, sie mussten ihm glauben, sie hatten keine andere Wahl. Aber sie fürchteten nicht so sehr einen Erzbischof, der für sie leicht zu berechnen war, sondern den Ärger der Wenden, die vertrieben wurden und nun einen Sündenbock suchen könnten.

„Die Wenden von Neugimritz erhalten neue Häuser an der Straße nach Giebichenstein. Euer einziger Ärger wird womöglich sein, dass eure Trauerzüge durch ihre Siedlung hindurchziehen müssen.“ Die Männer nickten zufrieden. Der Ärger würde sich vermeiden lassen. Es gab sicher noch andere Wege zum Friedhof. Die Juden dankten und Adalgot saß wieder auf. An der Straße trennten sich unsere Wege. Ich ritt in die Stadt zurück, um mich den Geschäften und meiner Familie zu widmen. Es beunruhigte mich allerdings dabei, dass der Mörder von Ernst immer noch nicht gefunden war. Vogt Hermann , der mich zusammen mit Imradus in die Stadt begleitete, war noch mit den Juden beschäftigt: „Ich mag sie nicht, sie sind arogant und anmaßend“, gestand mir Vogt Hermann auf unserem Rückritt durch den „Schlamm“. „Ich mache Geschäfte mit ihnen.“, sagte ich, „Sie verhandeln viel Salz in viele Länder, zu denen selbst ich keine Beziehungen habe. Sie sind verlässlich und ich führe keine Klagen gegen sie.“

„Von den Kaufleuten haben einige ein Haus bei mir oberhalb des Thals, von denen rede ich auch nicht, sondern von den Hungerleidern im Judendorf, da sind die wenigsten Kaufleute.“ Der Vogt wohnte bei seinen Aufenthalten in Halle in der erzbischöflichen Niederlassung oberhalb des Thals, wo inzwischen die meiste Sole aus den vorhandenen Quellen geschöpft und anschließend gesotten wurde. Ein gut Teil der Leute dort arbeitete für mich und meinen Salzhandel. Sonst hätte ich mir nie leisten können, zusammen mit dem Erzbischof so ein Stift einzurichten. Das mir Herr Adalgot dafür Vorzüge im Handel einrichtet, versteht sich von selbst. Auch die Groitzscher haben einen Besitz hier in der Gegend, nämlich oben auf dem Sandberg am Rand der Wendensiedlung. Dort wurde ein Herrenhaus und eine Kapelle für den Heiligen Jakob gebaut, aber alles lag in der Zeit des Banns und der Gefangenschaft der Groitzscher brach und war ihnen vom Erzbischof erst nach der siegreichen Schlacht zurückerstattet worden.

Vogt Hermann behagte das Thema mit den Juden nicht und er berichtete mir stattdessen: „Morgen oder übermorgen bricht Herr Adalgot nach Frankfurt auf.“

„Ich hörte davon“, erwiderte ich, „Warum?“

„Er ist wieder in kaiserlichen Angelegenheiten unterwegs, es soll mit Heinrich verhandelt werden. Er hat die Reise wegen seiner Trauer hinausgezögert, aber nun ist Ernst bestattet, das neue Werk ist auf den Weg gebracht. Was deine Sorge betrifft, die ich dir ansehe, auch ich hätte ihm bis zu seiner Abreise gerne einen Mörder geliefert. Aber ich kann mir nicht einfach einen hinhängen lassen. Und du weißt, der Erzbischof ist keiner, der es hinnimmt oder nicht merkt.“

Vogt Hermann hatte recht, es wäre leicht gewesen, einen Schuldigen zu finden, aber das hätte unser Problem nicht gelöst, den zu finden, der mitten in unseren Reihen zu morden begonnen hatte. In unseren Reihen? Es betraf wohl mehr den Hof des Erzbischofs. Was ging es mich an?, so dachte ich bei mir. Nachdem wir über den Bohlenweg zurück durch den Schlamm gekommen waren, trennten wir uns und gingen jeder unserer Wege.

 Fortsetzung folgt.

Paula Poppinga

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