Wider allen Rechtes vertreiben sie Arme, Schwache und Kranke

6. August 2017 | Kultur | Keine Kommentare

Was bisher geschah: Ein Archäologe hat uns auf das bisher unbekannte Manuskript des Rotger aufmerksam gemacht. Sachsen hat sich wieder einmal gegen den salischen Kaiser erhoben. Es gibt zwei Handlungsebenen: In der Rückblende Weihnachten 1114 flieht der Erzbischof mit Hilfe seines Freundes vor dem Kaiser. Ernst von Severn ist hin- und hergerissen zwischen seiner Freundschaft zu Adalgot und seiner Treue zum Kaiser. Im Winter 1115 sammeln die Kaiserlichen und die Sachsen ihre Heere. Im Spätsommer 1116 wird der Freund des Erzbischofs, Ernst von Severn, ermordet. Die Magd Rada erzählt, was ihr Ernst von der Schlacht gegen die Kaiserlichen berichtet hat. Das Leben muß weitergehen: Der Erzbischof gründet sein „neues Werk“.  Aber auf dem Gelände wohnen Menschen, die nicht weichen wollen…

IV. Hazecho, Spätsommer, 1116

Aus den Notizen des Rotger: Der Herr Adalgot war nach dem Schlachten fest einschlossen, ein neues Stift zu gründen. Der Herr Christ kam endlich an die Saale. Es wurde auch Zeit.

Wir sahen uns alle einige Tage später am zukünftigen Bauplatzes des neuen Werkes wieder. Es war nach Ablauf der vierten Stunde. Knechte standen bereit, die ersten Hütten abzubrechen. Die Leute, die wir vertrieben, luden ihren kümmerlichen Hausstand einfach auf Karren oder trugen ihn einfach so hinaus. Nur einer stand mit der Axt in der Hand vor uns wollte mit seiner Familie nicht weichen. Das wäre kein Problem gewesen. Wir hatten neben Bauknechten aus Halle und Giebichenstein auch ein halbes Dutzend Bewaffnete dabei. Doch stand der Mann nicht allein. Er hatte wie wir Unterstützung an seine Seite geholt. Das waren die Ringlebener. Hartfried als ihr Hauptmann war zu Pferde und trug stolz Panzer und Lanze. Um ihn herum hatte er seine Speermänner versammelt, gut trainiert von Herr Ernst für die Schlacht. Aber das war nicht das gefährlichste der Ringlebener Schar. Neben den Bewaffneten war jemand da, dessen Wort schärfer sein konnte als das Schwert: Der Ringlebener Pfarrer Petrus!

„Wider allen Rechtes“, ereiferte er sich, „Vertreiben sie Arme, Schwache und Kranke. Sie nennen sich christliche Herren und Ritter, aber Räuber sind sie, sie nehmen sich, was sie brauchen und senden die Opfer des Unrechtes ins Elend oder in die Knechtschaft. Wofür?, so frage ich euch. Sie sagen, sie wollen unserem Herrn Christ ein neues Haus bauen. Warum ausgerechnet hier, wo bereits die Armen wohnen? Diese werden nun aus ihren Hütten gejagt. Hätte der Herr dies gewollt? Nein, sage ich euch, das hätte er nicht. Er hätte die Armen an seinen Tisch geladen. Er hätte …“ und der Ereiferungen und Geiferungen folgten so viele, dass ich sie gar nicht alle wiedergeben kann. Ich dachte schon, der Herr Petrus redet sich um Kopf und Kragen. Wenn ich mir dabei Herrn Konrads Kopf ansah, der sich rot färbte, war das auch so. Vogt Hermann war in seiner Gelassenheit nicht zu erschüttern. Herr Adalgot wirkte eher amüsiert. Ich fragte mich, was er jetzt tun würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Erzbischof eine Fehde gegen die Ringlebener beginnen würde. Sie hatten ihm mehr als einmal beigestanden.

Herr Adalgot hob seine Lanze. Das erzbischöfliche Banner war über allen Häuptern zu sehen. Er rief aus: „Holt alle her zu mir! Alle, die hier in Neugimritz eine Wohnung hatten, ihre Herren, die hier versammelt sind und auch ihre Beschützer. Slodan, leg die Axt weg. Du bist Schmied, kein Axtschwinger! Hartfried, steige vom Pferd herunter und gib die Lanze einem deiner Leute. Ich habe allen etwas zu sagen. Und ja, Petrus, den hohen Anspruch, den du in deiner „Predigt“ eben aufgestellt hast, den werde ich, sei gewiss, auch auf dich anwenden. Wie geht es deiner lieben Frau(13)? Ich hoffe, auch die Kinder sind gesund.“

Als Hartfried abgesessen war, setzten auch wir unsere Füße auf Gottes Erde. In die Mitte der Leute begab sich Adalgot und nur Hermann eilte mit dem Banner an seine Seite. Alle anderen, die Mönche Berewigus und Lambert, Hartfried, Petrus und ich, als zweiter Stifter, versammelten sich mit den Bewohnern des kleinen Dorfes, den Knechten, den Ringslebenern und unseren Bewaffneten um ihn herum.

„Liebe Kinder“, begann Adalgot mit fester Stimme, „Ihr wisst, der Erzbischof von Magdeburg ist euer Vater, ihr wisst auch, dass er eins seiner Häuser auf dem Giebichenstein hat. Aber euer Vater hat Todsünde auf sein Haupt geladen: Er war gezwungen in den Krieg zu ziehen, die Tapfersten von euch haben ihn begleitet, einige sind sogar hier bei mir, Hartfried, der Ringlebener, Hazecho, der Salzherr, Hermann, der Vogt des Erzbistums, um nur einige zu nennen, Wir haben alle Sünde auf unser Haupt geladen, damit die Kaiserlichen und ihr fürchterlicher Feldherr Hoier von Mansfeld nicht wieder das Magdeburger Land verheeren können. Wir mussten töten, liebe Kinder, nicht nur einmal, sondern wir schossen, stachen, erschlugen viele, viele Male, um den Kaiserlichen zu wehren. Noch auf dem Schlachtfeld, über den Häuptern der Verdammten vom Welfesholz versprachen wir, Hazecho, Ernst von Severn und ich, euer Vater, dem Herrn Christ ein Kloster zu stiften.“

(13) Erst unter Erzbischof Norbert von Xanten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begannen Bestrebungen gegen verheiratete Priester vorzugehen, die große Protestbewegung bis hin zur Belagerung des Norbert legt die Vermutung nahe, dass verheiratete Priester davor allgemein üblich war, so auch in der Amtszeit von Adalgot.

Fortsetzung folgt.

Paula Poppinga

Was bisher geschah:

Tatort im HalleSpektrum: Die Verdammten vom Welfesholz
Das Schachbrett Kaiser Heinrichs war umgeworfen
Der Giebichenstein, der Giebichenstein, wer einmal dorthin geht, kehrt selten heim.
Mord und Totschlag auf der Burg!
Die Falle in Goslar
Auf der Flucht
Das neue Werk
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Empörer wider Willen
Das Verhör der Magd
Der Mörder war immer der Schreiber!
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