Ich möchte durch das Blut der Mainzer waten!

24. September 2017 | Kultur | Keine Kommentare

Was bisher geschah: Ein Archäologe hat uns auf das bisher unbekannte Manuskript des Rotger aufmerksam gemacht. Sachsen hat sich wieder einmal gegen den salischen Kaiser erhoben. Es gibt zwei Handlungsebenen: In der Rückblende Weihnachten 1114 flieht der Erzbischof mit Hilfe seines Freundes vor dem Kaiser. Ernst von Severn ist hin- und hergerissen zwischen seiner Freundschaft zu Adalgot und seiner Treue zum Kaiser. Im Winter 1115 sammeln die Kaiserlichen und die Sachsen ihre Heere. Es kommt zur Schlacht. Die Sachsen siegen. Im Spätsommer 1116 wird der Freund des Erzbischofs, Ernst von Severn, ermordet. Das Leben muß weitergehen: Der Erzbischof gründet sein „neues Werk“.  Auch der Wächter Cuno wird ermordet. Endlich wird ein Täter gefunden. Das Gericht des Erzbischofs spricht ein Urteil und es wird jemand abgeurteilt. Was denkt der Kaiser?

XVII. Kaiser Heinrich, Winter 1116

Aus den Notizen des Rotger: Der Kaiser war besiegt, aber nicht geschlagen. Sachsen und Magdeburg mussten weiter wachsam bleiben. Der Tod, so träumte mir, trägt eine Kaiserkrone.

Nach all der Dunkelheit und den Niederlagen war wieder etwas Licht zu sehen. Trotz dem Debakel im vergangenen Jahr in Mainz, der gewaltsamen Befreiung des Erzbischofs Adalberts durch seine Vasallen, ich hätte ihn gerne noch länger schmoren lassen, und dem Scheitern weiterer Verhandlungen in Frankfurt, dort wo der Verräter Adalgot auf Seiten meiner Feinde auftrat, gelang es mir, meine Position nicht nur zu halten, sondern sie zu festigen. Das Erbe von Mathilde von Tuszien war dazu nützlich. Entgegen den vielen Bischöfen auf dem Brett stellte ich meinen Turm im Reich, Herzog Friedrich von Schwaben, dem ich als Springer Gottfried von Calw beigab. Einen weiteren Springer hatte ich mit Herzog Konrad in Franken gesetzt. Es ging nun darum, bevor wir uns dem gegnerischen Herzog nähern konnten, einen Bischof nach dem anderen auszuschalten, bis nur noch Bischof Reinhard und Herzog Lothar übrigblieben. In dem Moment werde ich persönlich zuschlagen und sie matt setzen.

Auf dem Weg nach Italien erreichte mich eine Nachricht, die kaum in diese Richtung ging. Ich wies meinen Diener an, das Schreiben sofort zu verbrennen und die Asche zu zerstreuen. Mein Verbündeter Gerhard, ja, auch ich hatte noch einen Bischof auf dem Brett, schrieb mir mit vielen blumigen Worten, der Tod meines Widersachers, des Erzbischofs von Magdeburg, sei jetzt sicher. Und fährt fort: „Es wäre doch zu bedenken, ob nicht ein treuer und verlässlicher Verbündeter des Kaisers auf den vakanten Stuhl des Erzbistums sitzen könnte. Das würde gewiss einen Keil in die Reihen des Feindes treiben und die Position des Reiches in Sachsen stärken.“

Ich las nicht weiter. Oh, was für ein Ehrgeiz! Gewiss war Gerhard verlässlich und treu gewesen, aber ich war nicht vom Tod Adalgots überzeugt. Meine Späher sahen ihn im September in Frankfurt. Da war er ihren Schilderungen nach höchst lebendig und wartete mit den anderen auf meine Unterhändler, die aber nicht kamen. Herzog Friedrich hatte Besseres zu tun, nämlich unter den Augen meiner Feinde das Kloster Limburg zu besetzen.

Hatte Gerhard tatsächlich ein Mordkomplott inszeniert? Würde er mich damit in Verbindung bringen? Und selbst wenn es ihm gelungen wäre, würde das Lothar nicht zu weiteren Feindseligkeiten anstacheln? Ich konnte aus meiner derzeitigen Position noch nicht einmal den Versuch wagen, einen Gerhard auf ein Erzbistum im Herzen Sachsens zu hieven. Gerhard wäre schon tot, gefangen oder außer Landes getrieben, bevor ich die Investitur überhaupt ausgesprochen hätte. Von Reaktionen aus Rom einmal ganz zu schweigen. Nein, wenn es Gerhard gelungen war, Adalgot aus dem Weg zu schaffen, auf welche Weise auch immer, so hatte er selbst mit den Folgen klar zu kommen. Mir wäre es in keiner Weise von Nutzen, im Gegenteil, denn es bestünde zu befürchten, dass ein neuer lothartreuer Erzbischof Magdeburg erst recht zur Kriegspartei gegen mich verwandeln würde, wo Adalgot noch abwartend und mäßigend da steht. Ich hatte augenblicklich mit dem Erbe von Herzogin Mathilde genug zu tun und meine Staufer sollten sich zuerst Mainz greifen. Für Magdeburg war die Zeit noch lange nicht reif. Sachsen konnte ich in allernächster Zeit aus meinen Plänen ausklammern. Meine letzte wichtige Figur dort, Heinrich Haupt, war inzwischen vom Brett genommen worden und es wäre mir wohler gewesen, Gerhard hätte sich ruhig verhalten und sich ggf. mit seinem Erzbischof in ein gutes Einvernehmen gesetzt, statt ihm offen nach dem Leben zu trachten. Ein Gerhard im Amt mit dem Ohr beim Feind hätte mir mehr genützt. Nun aber war es egal, ob Adalgot nun lebte oder die sächsischen Familien bereits einen Nachfolger installiert hatten, ich gab nicht mehr viel auf ihn. Wenn Gerhard überlebte, wäre er nicht mehr Bischof und für mich kaum tragbar. Sicher erwartete er dennoch Belohnung. Ob er Italien liebte? Es gab so viele Klöster hier! Ein trockenes Plätzchen würde sich für einen Gerhard finden, aber nicht mehr.

Ich sollte ehrlich zu mir selber sein: Adalgot, ob tot oder lebendig, auf seinem Giebichenstein, – einst mein Giebichenstein, verdammt! -, interessierte mich im Moment einen Rattendreck! Meine Köter, die Staufer, sollten über Mainz herfallen, am Besten mit dem Kopf von Adalbert auf einer Stange auf den Zinnen der Stadtmauer. Mainz selbst werde ich zum Plündern freigeben. Sie sollten dort wüten wie die Kreuzfahrer in Jerusalem! Ich möchte durch das Blut der Mainzer waten! Haben sie sich doch erdreistet, meine Pfalz zu stürmen, um Adalbert zu befreien. Kein Fürst, kein Vasall und kein Dienstmann hatte sich den frechen Bürgern in den Weg gestellt, selbst, als sie fast die Pfalz zum Einstürzen brachten, alles zerstörten und plünderten, um am Ende mit dem freigekämpften Erzbischof hohnlachend abzuziehen. Die Staufer bauen Burg um Burg und die Schlinge wird sich um Mainz und seinen Adalbert zusammenziehen. Und ich sagte zu mir: Ich werde keine Träne den Mainzern nachweinen. Ach, Gerhard, ich träume noch nicht einmal mehr von deinem barbarischen Sachsen! Dieser Teil des Brettes gehört den feindlichen Figuren. Diese Mal setze ich vorsichtig Zug um Zug, bis zum endgültigen Matt von Lothar und den seinen. Aber nun ist es angenehm in Italien. Wen schert da Sachsen, bei allen Heiligen!

Fortsetzung folgt.

Paula Poppinga

Die bisherigen Folgen:

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Das Schachbrett Kaiser Heinrichs war umgeworfen
Der Giebichenstein, der Giebichenstein, wer einmal dorthin geht, kehrt selten heim.
Mord und Totschlag auf der Burg!
Die Falle in Goslar
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Als Mönche aus der Fremde kamen
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Der älteste und der treuste Mann des Herrn
Hängt ihn, hängt ihn in den Baum!
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