Schulsozialarbeit: Sachsen-Anhalts Politiker debattieren

2. Juni 2023 | Bildung und Wissenschaft, Politik | Keine Kommentare

Bei der Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt drohen Kürzungen. Nun hat auch der Landtag hat über die Thematik diskutiert. Konkret ging es darum, dass sich die Kommunen im Land mit einem Fünftel an den Kosten beteiligen sollen. Zudem will das Bildungsministerium nur noch sogenannte Problemschulen ausstatten.

Kommunen und Land hätten eine gemeinsame Verantwortung zur Finanzierung der Schulsozialarbeit, heißt es dazu von der CDU. Die Grünen fordern einen Ausbau statt einer Kürzung. Schulsozialarbeit könne frühzeitig präventive Hilfe leisten, meint die SPD. Die Fraktion DIE LINKE will eine langfristig Absicherung der Schulsozialarbeit.

Lokalpolitiker aus den großen Städten Sachsen-Anhalt haben dem Landtag eine Petition überbracht. Auch der Stadtrat von Halle (Saale) hatte diese mehrheitlich beschlossen. Darin wird kritisiert, dass sich die Kommunen an der Finanzierung stärker beteiligen sollen. Das wird alsi verantwortungslos angesehen, höhere Ausgaben seien nicht zu schultern.

Zur Debatte um die Zukunft der Schulsozialarbeit sagt das Mitglied der Arbeitsgruppe Bildung der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Matthias Redlich: „Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter tragen durch ihre Unterstützung von Schülern, Eltern und Lehrkräften zum Gelingen von Bildungsbiografien bei. Von der schulischen Begleitung bis hin zur Durchführung von Projekten übernehmen sie vielfältige Aufgaben, sodass die Zukunft der Schulsozialarbeit langfristig und bedarfsgerecht gesichert werden muss. Der Großteil der Stellen wird durch EU- und Landesmittel finanziert. Für die Weiterfinanzierung in der zweiten EU-Förderperiode muss daher Vorsorge im Haushalt getroffen werden. Da die Schulsozialarbeit zur kommunalen Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe zählt, stehen allerdings auch die Städte und Gemeinden in der Verantwortung. Die Struktur der Schulsozialarbeit muss anhand der fachlichen Zuständigkeitsverteilung durch eine finanzielle Beteiligung der Kommunen dauerhaft neu aufgestellt werden.“

Die Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisiert, dass die Landesregierung die Schulsozialarbeit einkürzen will. „Bildungsministerin Eva Feußner will Schulsozialarbeiter*innen nur noch an so genannten Brennpunktschulen einsetzen. Es ist der falsche Weg, anderen Schüler*innen deren bisherige Schulsozialarbeiter*innen mit der neuen Förderperiode weg zu nehmen. Bisher hat Schulsozialarbeit nur einen Status als Projekt. Das ist unsäglich. Wir fordern die Landesregierung auf, Schulsozialarbeit mit einem Landesprogramm zu verstetigen“, sagt Susan Sziborra-Seidlitz, bildungspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion. „Sachsen-Anhalt hat die bundesweit höchste Quote an Schulabbrecher*innen, daher ist die Schulsozialarbeit unabdingbar. Wir brauchen mindestens ein*e Schulsozialarbeiter*in an jeder Schule. Schulsozialarbeit ist Prävention, nicht Feuerwehr, und basiert vor allem auf Vertrauen. Das wird nur erreicht, wenn Schulsozialarbeiter*innen langfristig an den Schulen arbeiten können.“

Der Landtag von Sachsen-Anhalt debattiert zum wiederholten Mal über die Schulsozialarbeit. Bereits vor einem Jahr wurde über die Ausgestaltung und Finanzierung der Schulsozialarbeit debattiert. Damals konnte sich die Koalition – auf Betreiben der SPD – während der Haushaltsverhandlungen dazu entschließen, den kommunalen Finanzierungsanteil des ESF+-Programms zu übernehmen und 14 weitere Stellen zu finanzieren.

Katja Pähle, Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Fraktion: „Schulsozialarbeit kann sehr früh sowohl präventiv als auch intervenierend ganzheitliche biografische Ansätze verfolgen. Als SPD-Fraktion wollen wir uns innerhalb der Koalition darüber verständigen, ob die Förderrichtlinie geändert werden muss oder nicht. Zahlreiche Kommunen engagieren sich mit eigenen Stellen in der Schulsozialarbeit, aber wir wissen auch, dass die Finanzkraft der Kommunen sehr unterschiedlich ist. Einige Kommunen haben bereits jetzt angekündigt, dass es für sie nicht leistbar ist. Ich sehe aber die Kommunen in der Mitverantwortung für die Schulsozialarbeit, aber wir sollten hier flexible Anrechnungsmöglichkeiten für die Kommunen diskutieren.

Bildungsexperte Thomas Lippmann (Die Linke)  fordert für die Zukunft der Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt: „Spätestens nach den Diskussionen über die Folgen der Corona-Maßnahmen in den Schulen und über die zunehmenden Belastungen durch den ausufernden Lehrkräftemangel, sollte inzwischen allen klar geworden sein, dass es ohne ein breites Angebot an Schulsozialarbeit keine Chance gibt, den wachsenden Entwicklungsproblemen von immer mehr Kindern und Jugendlichen wirksam zu begegnen. Wir geben eine ganze Generation auf, wenn wir ihnen weiterhin die notwendige Unterstützung auf dem Weg durch ihre Schulzeit verweigern. Deshalb muss es jetzt dringend darum gehen, wie wir den Kreislauf beenden können, bei dem durch politische Entscheidungen immer wieder mit dem Hintern eingerissen wird, was in den Schulen durch die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter mit dem Kopf und den Händen aufgebaut wurde. Und es muss uns auch darum gehen, den unnötigen bürokratischen Aufwand für die Antragstellung und für die Berichte endlich auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren. Dadurch werden Beschäftigte und Träger unnötig belastet und immer mehr von ihnen verlassen inzwischen enttäuscht den Bereich. Die Beschäftigten und die Träger wollen nicht ständig Papier beschreiben, sondern mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten. Und für diese wichtige und erfolgreiche Arbeit in unseren Schulen ist ihnen an dieser Stelle sehr herzlich zu danken! Aktuell stehen wir gerade wieder vor einem neuen Auswahlverfahren, bei dem einmal mehr erhebliche Kollateralschäden zu erwarten sind. Diese ständigen Wechsel, die Unsicherheiten und prekären Arbeitsverhältnisse sind Gift für die Schulsozialarbeit. Die unterstützenden Wirkungen durch die Schulsozialarbeit können nur auf der Grundlage von Vertrauen und in gefestigten Strukturen entstehen. Dafür sind vor allem Kontinuität und Verlässlichkeit unabdingbare Voraussetzungen. Diese müssen jetzt endlich geschaffen werden, sonst werden die bisher erreichten Erfolge immer wieder infrage gestellt und das Geld wird am Ende letztlich zum Fenster hinausgeworfen. Der erste Teil unseres Antrages enthält deshalb klare Anforderungen an das bevorstehende Auswahlverfahren. Hier formulieren wir Voraussetzungen, um beim Übergang zum Schuljahr 2024/25 die Reibungsverluste so weit wie möglich zu vermeiden. Es führt kein Weg mehr daran vorbei, die Schulsozialarbeit schrittweise, aber systematisch zu erweitern. Der Grund des Übels sind die ausschließliche Finanzierung der Schulsozialarbeit durch ESF-Mittel und die Weigerung der Landesregierung, mehr als die bisherige Ko-Finanzierung aus der Landeskasse für diesen wichtigen pädagogischen Bereich einzusetzen. So ist keine nachhaltige Entwicklung möglich. Es darf so nicht weitergehen, dass immer wieder erfolgreiche Maßnahmen aus Bundes- oder EU-Programmen aufgegeben werden, wenn eigenes Geld eingesetzt werden muss. Deshalb fordern wir im zweiten Teil unseres Antrages mit Blick auf die Aufstellung des Landeshaushaltes für 2024 zum wiederholten Mal den Einstieg in ein eigenes Landesprogramm Schulsozialarbeit. Wir sehen den dringenden Bedarf für eine solche Erweiterung über die Stellen aus dem ESF-Programm hinaus. Nach dem Ende der EU-Förderung soll dann darüber ab 2027 auch die komplette Übernahme aller bis dahin geförderten Stellen in die Regie des Landes erfolgen. In einem ersten Schritt sollen 2024 mindestens alle Stellen ersetzt werden, die durch die neue Auswahl aus der ESF-Förderung herausfallen. Es muss verhindert werden, dass Schulen im Übergang zum Schuljahr 2024/25 Schulen ihre Schulsozialarbeit verlieren. Das gilt auch für die von den Kommunen geforderte finanzielle Beteiligung. Die deutlichen Hinweise aus den Landkreisen und kreisfreien Städten auf bestehende Finanzierungsprobleme des Anteils von 20 Prozent der anfallenden Projektkosten müssen ernst genommen werden. Heute haben alle drei kreisfreien Städte Resolutionen ihrer Stadtparlamente zur Fortführung der Schulsozialarbeit an den Petitionsausschuss übergeben. Die Landesregierung und die Koalition sind gut beraten, die Kommunen nicht weiter zu ignorieren. Wir schlagen einen zehnprozentigen Anteil vor und darüber hinaus die Möglichkeit, dass der Aufwand für eigene kommunale Schulsozialarbeit hierauf angerechnet werden kann.“

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