Corona-Pandemie: Warten auf Medikamente und Impfstoffe: wie ist der Stand der Dinge?

4. Mai 2020 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Vor gut sechs Wochen hat Hallespektrum.de ein Interview mit dem Leipziger Universitätsprofesssor  Athanasios Giannis geführt. Damals ging es um angebliche „Wunderheilmittel aus der Natur“, die zu Beginn der Covid-Krise von „Naturheilern“ beworben wurden. Prof. Giannis  forscht an seinem Lehrstuhl an der Universität Leipzig an der Entwicklung neuer Wirkstoffe und gilt als ausgewiesener Experte für Stoffwechsel- und Wirkstoffmechanismen von Medikamenten. Damals warnte Giannis vor allem vor der Scharlatanerie, die mit allerlei angepriesenen „Naturheilmitteln“ und Vitaminpräparaten betrieben werde. Schon zur Zeit des Interviews im März waren am medialen Horizont auch schon „seriöse“ Hoffnungsträger aufgetaucht, vor allem antivirale Medikamente. Diese seien mit etwas Glück Anfang Mai erhältlich, hieß es in vielen Medienberichten damals.

Anfang Mai, das ist jetzt.  Vor diesem Hintergrund entstand nun ein neues Interview mit Prof. Giannis. Thema: Stand der naturwissenschaftlich-medizinischen Forschung zu Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19. Außerdem wurde er gebeten, unseren Lesern in verständlicher Form die Testverfahren auf Covid-19 zu erläutern.

Hallespektrum.de:  Zur Zeit gehen immer wieder Nachrichten durch die Medien, man stehe kurz vor der Entdeckung eines Wirkstoff gegen die Covid-19. Mehrere chemische Substanzen Kandidaten wurden in den letzten Wochen Medial „gehypt“ und anschließend wieder abgeschossen. Nach Chloroquin war es zuletzt „Remdesivir“. Wir haben das Thema in unserem letzten Gespräch vor 6 Wochen schon einmal angeschnitten, da gaben Sie sich verhalten optimistisch, was medikamentöse Therapien betrifft. Sie verfolgen die Forschung Ihrer Kollegen seitdem sicher mit Spannung: Wie sehen Sie die Chancen, dass ein Chemisch-Pharmazeutisches Mittel gegen das Virus gefunden werden kann?

Prof.  Athanasios  Giannis: “ In der Tat: Anfänglich und voreilig wurden einige bereits vorhandene Wirkstoffe zur Behandlung von Covid19 propagiert und dann wie Tontauben abgeschossen. In einer kürzlich publizierten Studie (Wang Y. et al., Lancet, 29 April 2020) wurde gezeigt, dass Remdesivir keinerlei klinische Vorteile gegenüber dem Placebo aufweist. Allerdings scheint dieses Medikament die Krankheitsdauer um ca 30% zu reduzieren.  Man muss jedoch sagen, dass bei dieser Studie nur eine sehr begrenzte Zahl von Patienten involviert war und somit eine Studie mit größerer Patientenzahl absolut notwendig ist. Das Remdesivir hat deswegen bisher keine offizielle Zulassung erhalten.

Viel interessanter scheint zurzeit die Entwicklung eines Impfstoffes, der von der chinesischen Firma Sinovac hergestellt wurde: Zum ersten Mal hat einer der vielen in Entwicklung befindlichen COVID-19-Impfstoffe Rhesusaffen, vor dem neuen Corona Virus geschützt. Der Impfstoff, eine altmodische (herkömmliche) Formulierung, die aus einer chemisch inaktivierten Version des Virus besteht, zeigte bei den Affen keine offensichtlichen Nebenwirkungen; die Versuche am Menschen begannen am 16. April. Und ermutigende Ergebnisse an Affen für andere Impfstoffe liegen dicht dahinter. Also warten wir es ab, es müssen noch viele Hürden überwunden werden.

Wir sollten auch von der Geschichte lernen: Gegen die „normale“ Grippe (Influenza) wurden bisher kein effizienter Wirkstoff und kein guter Impfstoff entwickelt… Ich hoffe, dass die Corona-Pandemie die Regierungen und die verantwortlichen wachrüttelt und mehr Anstrengungen zur Entwicklung neuer antivirale Medikamente und Antiinfectiva im Allgemeinen unternommen werden. Ein gutes Zeichen ist die gerade ins Leben gerufene Initiative mehrerer EU-Regierungschefs Geld zur Entwicklung eines Corona-Impfstoffs. In der Tat muss hier der Staat vorpreschen.

Die Pharmaindustrie ist an solcher Forschung nicht besonders interessiert und zumal damit nicht genug verdient werden kann: In den letzten 30-40 Jahren wurden kaum solche Medikamente entwickelt.

Hallespektrum.de:  Jüngst kam sogar ein Mittel ins Gespräch, das als Mittel gegen Krätze zugelassen ist. Was haben denn Krätzemilben mit Viren gemein? 

Prof.  Athanasios  Giannis: In der Tat handelt es sich hier um Ivermectin, ein Breit-Spektrum Medikament gegen Parasiten, das vom japaner Satoshi Omura entdeckt wurde und der wiederum dafür mit dem NobeIpreis 2015 ausgezeichnet wurde.  Nur mit Hilfe des Ivermectins konnten zwei fürchterliche Krankheiten so gut wie eliminiert werden: Lymphatische Filariasis und Flussblindheit (Onchocerciasis). In der Vergangenheit hat es sich auch gezeigt, dass Ivermectin in Zellkutur (d.h. an isolierten Zellen) antivirale Eigenschaften besitzt zumal es die Eingliederung des Genoms einiger Viren in das menschliche Genom blockiert. Es bleibt abzuwarten in wie weit Ivermectin in der Therapie von Covid19 bewährt. In anderen Fällen (AIDS, Dengue Fieber) konnten keine klinischen Vorteile belegt werden.

Hallespektrum.de: Es herrscht in der Öffentlichkeit eine gewisse Verwirrung darüber, wie „Corona“ Tests funktinieren und wieso es zu Fehlgergebnissen komt. Zum einen gibt es den Test auf das Virus selbst. Der geht über die PCR-Methode, hört man immer.
Können Sie uns – möglichst einfach für Laien, erklären, was es mit dieser Methode auf sich hat?

Prof.  Athanasios  Giannis: Der sicherste Test über das Vorhandensein einer Covid19 Infektion ist die sog. Polymerase Chain Reaction (PCR). Dabei wird zunächst im Reagenzglas die virale RNA in mit Hilfe des  Enzyms Revesre Transcriptase in DNA umgewandelt. Letztere wird dann mit Hilfe spezieler Techniken / Methoden nachgewiesen. Dabei werden verschiedene kits eingesetzt, die unterschiedliche Corona-Virus Gene nachweisen. Die PCR Methode ist bisher die zuverlässigste um das Virus nachzuweisen.

Hallespektrum.de:  Eine gewisse mediale Aufmerksamkeit erfahren zu Zeit die „Antikörpernachweise“, also Nachweise darüber, ob jemand – bemerkt oder unbemerkt- eine Infektion mit dem Virus hinter sich hatte. Zuletzt wurden ja die Ergebnisse der „Heinsberg-Studie“ von Prof. Streek unter anderem dahingehend angezweifelt, dass seine Testmethode auch Antikörper gegen harmlose Erkältungskrankheiten miterfasst habe. Immer wieder hört man in dem Zusammenhang den hübschen Mädchennamen „ELISA“. Wer bitte ist diese Dame ?

Prof.  Athanasios  Giannis: Die Dame, die Sie ansprechen, ist eine Abkürzung für Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA). Es bezeichnet ein antikörperbasiertes Nachweisverfahren (assay).

Prinzip: auf eine Vertiefung einer speziellen Oberfläche (Platte) befindet sich das fest gebundene (immobilisierte) Corona-Virus Antigen. Das kann zB ein Obeflächenprotein des Virus sein. Dann wird das Blut eines Patienten dazu gegeben. Hat des Patient eine Infektion mit dem Virus durchgemacht, so besitzt er Antikörper in seinem Blut und diese bleiben haften auf das immobilisierte Virus Antigen. Gegen den nun auf die Oberfläche haftenden ersten Antikörper wird ein zweiter Antikörper gegeben, der aber mit einem Enzym (zB. Peroxidase) geknüpft ist. Gibt man nun auf dieses Sandwich-artiges Konstrukt ein farbloses Substrat (kleine chemische Verbindung wie zB Luminol, Tyramin, etc)) wird dieses durch die Einwirkung der Peroxidase in einen Farbstoff umgewandelt, der dann nachgewiesen wird (qualitativer und quantitativer Nachweis).

Hallespektrum.de:  Natürlich wartet die Welt mehr oder weniger geduldig auf eine Impfung. Jüngst kamen Zweifel auf, ob eine Impfung überhaupt möglich sei, auch hört man immer wieder davon, dass gesundete Corona-Patienten sich zum zweiten Mal infiziert hätten. Was ist daran?

Prof.  Athanasios  Giannis: In letzter Zeit kamen mehrfach Meldungen aus Asien zu einzelnen Corona-Patienten, die als genesen aus dem Krankenhaus entlassen jedoch einige Tage später wieder positiv auf das Virus getestet wurden. Zuletzt gab es eine Mitteilung der südkoreanischen Seuchenschutzbehörde KCDC zu 91 solchen Fällen. Sehr wahrscheinlich ist jedoch ein ganz harmloses Phänomen die Hauptursache für das vermeintliche Wiederaufflammen. „In der Abklingphase der Krankheit liegen die verbliebenen Virusmengen mal über, mal unter der Nachweisgrenze des PCR-Tests“, erläutern Professorin M. Brinkmann von der Technischen Universität Braunschweig und Professor F. Weber von der Universität Gießen in einer gemeinsamen Stellungnahme. „In dieser Phase funktioniert der Test eher nach dem Zufallsprinzip“, sagen die beiden Virologen.

Es ist damit zu rechnen, dass eine Immunität nach überstandene Covid19 einige Zeit bestehen wird. Wie lange bleibt es abzuwarten. Eine positive Nachricht gibt es zu vermelden: Das Corona-Virus ändert nur langsam sein Genom und das bedeutet dass auch ein zu entwickelnder Impfstoff effizienter sein wird als zB im Falle der Influenza.

Hallespektrum.de:  Eine letzte Frage: zu guter Letzt: Wie gehen Sie persönlich mit der Krise um? Als Forscher hat man ja auch ein Privatleben. Was belastet Sie am meisten ?

Prof.  Athanasios  Giannis: Ich halte mich an die allgemeinen Richtlinien (social distancing) und an bekannte Hygiene-Maßnahmen. Angst habe ich nicht, das wäre der schlechteste Ratgeber. Ich erinnere mich an meine Zeit als junger Assistenzarzt in Bonn (1987). Damals musste ich Patienten betreuen, die an AIDS erkrankt waren. Und: Wir wussten nicht wie das HI-Virus übertragen wird. Ich habe mich bewusst entschieden in dieser Station zu arbeiten und ich erinnere mich genau wie stark die dort tätigen Schwestern applaudiert haben als sie mich und meinen Kollegen sahen wie wir in deren Station kamen um die AIDS-Patienten zu betreuen. Lang ist es her…

Nun verbringe ich meine Zeit als Forscher mit dem Lesen der wissenschaftlichen Literatur, mit kostenloser Beratung zu aktuellen Themen der Medizin, mit der Behandlung von Patienten, die schwer Termine zu ärztlicher Untersuchung bekommen; Langweilig wird es mir nicht. Sorgen mache ich mir um alle die finanzielle Not geraten sind und Ängste um ihre Zukunft haben. Ich bin mir sicher, dass diese Krise etwas Neues herausbringen wird aber es könnte sein, dass danach alles so weiter geht wie bisher.

Mein Lieblingsprojekt, nämlich Medikamenten-Nothilfe für Griechenland (entstanden 2015) ist leider auch ein Corona-Opfer geworden, da wir zurzeit nichts an die notleidende Bevölkerung einschließlich der dort sich befindenden zahleichenen Flüchtlinge schicken können. Was wir aber machen, ist die Finanzierung der medizinischen Ausstattung  eines Krankenwagens zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Prävention in entlegenen Gebieten Griechenlands. Insbesondere profitieren Kinder von diesem Projekt (durchgeführt von der Organisation Smile of the Child). Gern akzeptieren wir auch Spenden:

Medikamenten-Nothilfe Griechenland

IBAN: DE80 4306 0967 1134 2196 02

BIC: GENODEM1GLS

GLS Bank

(Red.)

 

 

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