Herr Jakob träumt
4. März 2019 | Rezensionen | Ein KommentarIn unserer Reihe Abseits des Büchermahlstroms haben wir vor einiger Zeit die zehn besten Selfpublishingromane des Jahres 2018 vorgestellt. Gewonnen hat ein Titel, bei dem ich bereits beim Lesen der Vorschau die Augen verdreht habe, die Historiefantasy „Löwenblut“ von Monika Pfundmeier. Unter diesen ersten zehn war auch „Herr Jakob träumt“ von A.S. Dowidat, das ich mir bei Gelegenheit etwas genauer angeschaut habe. Es war erstaunlich, dass der Titel es in diese Bestsellerliste geschafft hat. Das schreibe ich nicht, weil dieses Buch so schlecht ist, sondern so ruhig, so unaufgeregt, ja, geradezu beschaulich daher kam. Dennoch wußte das Buch zu fesseln. Es sind womöglich die kleinen Ereignisse, die unser Leben verändern.
Die Handlung:
Genau davon handelt dieses Buch. Bei Herrn Jakob ist es eine Nuß, die ihm in seinem Garten auf den Kopf fällt und „zwei Monate später sollte Herrn Jakob dieses Ereignis wie der Beginn einer Kette sonderbarer Ereignisse und Beobachtungen erscheinen.“ Er ist Bibliothekar, in den Fünfzigern, geschieden, besitzt ein eigenes Haus. Er wird als ruhiger Mensch beschrieben, der sich dem Leben und seinen Absonderlichkeiten gewachsen fühlt. Sein Hobby ist es Skulpturen anzufertigen, meist für den eigenen Garten, andere für den Laden seines Freundes, erstaunlicherweise verkaufen sich einige davon sogar sehr gut. Während einer Vortragsreise wird Herr Jakob müde und schläft im Zug ein, was ihn fast den Vortrag, den er vor anderen Bibliothekaren halten sollte, verpassen ließ. Und in der Folgezeit wird es nicht besser mit der Müdigkeit und ungewöhnliche Träume schleichen sich in seinen immer längeren Schlaf. Ist es normal, wenn in den Träumen immer wieder dasselbe sprechende Huhn erscheint? Dazu plagen ihn Geldsorgen: Unterhaltszahlungen, Straßenbauabgabe, Kanalgebührennachzahlungen. Hinzu kommt, dass eine gute Bekannte von ihm, die Frau Wanke, im Sterben liegt. Auch die nächste Vortragsreise wird zur Katastrophe, er schläft ständig bei der Arbeit ein. Da beschließt er, eine Sabbatzeit zu nehmen, eine längere Reise vorzutäuschen, und sich einfach zum Schlafen hinzulegen. Herr Jakob macht Winterschlaf und auch das kann ein großes Abenteuer sein. Natürlich begleitet ihm bei diesem Abenteuer das sprechende Huhn und auch Frau Wanke wird er noch einmal sehen. Aber was passiert, wenn er nach dem Winter wieder aufwacht?
Ein Mann macht Winterschlaf
Ein Mann wird müde, legt sich hin und macht Winterschlaf. Und das soll ein interessanter Roman sei? Das soll spannend sein? Jawohl, und nebenbei ist auch eine wundervolle Abschiedsszene darin, wie sie die Literatur nicht schöner hervorbringen könnte. Die Traumszenen sind sureal und real zugleich und manchmal weiß man nicht, wo die eine Welt aufhört und die andere Welt beginnt. Mich hat auch die ruhige Erzählweise gefangen genommen, die es nicht nötig hatte, sich von künstlichen Aufregern dopen zu lassen. Sehr stark sind die ersten beiden Teile des Romans, die Zeit vor und während des Schlafes. Nach dem Aufwachen hat die Autorin die Zügel etwas locker gelassen und dabei kommt zuviel Zucker in dem ansonsten guten Kaffee. Das ist aber der einzige Minuspunkt. Sie hat sich aber zum Glück nie verleiten lassen, in Philosophie oder Metaphysik abzuschweifen, das Buch künstlich aufzublähen, wie man es schon erlebt hat. Sie erzählt und das kann sie gut. Sie lehrt uns, dass das Leben selbst das Abenteuer ist. Es lohnt sich zu erzählen, auch wenn es nur um einen ergrauten Bibliothekar geht, der plötzlich beschließt, Winterschlaf zu halten. Die knapp 180 Seiten lasen sich wie im Schlaf weg. Da kann man über andere Bücher Schlechteres sagen.
Paula P.
Das Buch:
Herr Jakob träumt: Roman
Dowidat, A. S.
Verlag: Books on Demand (2017)
Kartoniert, 180 S.
ISBN-13: 978-3-7460-1590-3
EUR 8,95, als geb. Buch : SBN-13: 978-3-7460-1416-6 für 17, 90
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P.S.: Ganz vergessen. Wir stellen am liebsten Autoren aus Halle vor, die in die Reihe passen, meldet Euch bitte bei uns und schreibt an die Redaktion.
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Ja, unsere Zeit ist dermaßen hektisch, aufgeregt und alles andere als ruhig und beschaulich. Man merkt es beispielsweise schon an der Art, wie bei uns inzwischen gesprochen wird: Hastig, möglichst so, als gäbe es Wettbewerbe des Schnellsprechens oder die Bemühung, Zeit so bis auf Bruchteile von Sekunden auszunutzen, um recht viele Wörter hervorzubringen.
Da sehnt man sich nach Ruhe, nach Träumen, nach Gemächlichkeit, nach Orten wo das noch möglich ist.
Wer sucht, der findet…
Aber man nimmt sich selten die Zeit dazu, lässt sich anstecken von Hektik und Rastlosigkeit, man hat ja so viel zu erledigen, sich selbst Ziele gesetzt, die einfach zu hoch sind, mehr Zeit brauchen als man vorher dachte. Und deshalb werde ich das Buch nicht lesen können, obwohl ich gern möchte.
NS: Verf. d. Rezension (Paula P.) sollte konsequenter sein! Wer „dass“ schreibt, sollte auch „muß“, „Nuß“ und „wußte“ mit ss schreiben.
(Jaja, ich weiß, dass es ein Z u f a l l ist, wenn die Anführungszeichen an der richtigen Stelle erscheinen. Paula, hast du das Wissen dafür?) 🙂