Corona-Viren und Immunsysten – Teil 14: Wassertreten und Co.

8. April 2020 | Natur & Gesundheit | Keine Kommentare

Der heutige Beitrag greift ein Thema nochmals auf und erweitert es: die Immunaktivierung durch Kaltreize (kaltes Wasser), die sog. Abhärtung. Das ist ein so wichtiger Aspekt im Bereich der Prävention, dass er durch weitere Empfehlungen ergänzt werden soll. Dafür müssen wir etwas tiefer in die Steuerung der Immunantwort eindringen.

Zellvermittelte und antikörpervermittelte Abwehr: das Th1/Th2-Konzept

Wie bereits in Teil 1 knapp beschrieben, ist für die Virusabwehr eine starke und effektive zellvermittelte Abwehr notwendig: die sog. T-Killerzellen (Th1). Erst im Verlauf der Auseinandersetzung mit dem Erreger (im Falle von Corona dem Virus) schaltet das Immunsystem um auf die Antikörperproduktion (Th2). Th1 und Th2 sind zwei Funktionszustände des Immunsystems, die einander ausschließen. Wenn die Th1-Seite aktiviert ist (mit Interleukin-2 und Interferon-gamma aus T-Killerzellen) wird die Th2-Seite gehemmt. In dieser Phase können nur relativ unspezifische IgM-Antikörper produziert werden. Nach ca. 10 bis 14 Tagen schaltet das Immunsystem um auf die hochspezialisierte IgG-Antikörperproduktion (Th2, mit Interleukin 4 und 10), die T-Killerzellen werden inaktiviert. Eine Schlüsselrolle spielt bei der Umstellung das Stresshormon Cortisol. Ist dieses dauerhaft erhöht, bleibt die TH1-Seite blockiert. Bei einer Impfung läuft die Reaktion genauso ab: zuerst eine Th1-Aktivierung und dann die Umschaltung auf Th2, so dass nach 10-14 Tagen schützende Antikörper gebildet werden. Bei Th1-Blockierung (z. B. durch Stress) erfolgt keine Antikörperantwort, wie Studien mit Studenten im Examen gezeigt haben: eine Grippeimpfung kurz vor der Prüfung erzeugt keinen Impfschutz.

Für die primäre Virusabwehr brauchen wir also die zellvermittelte Immunantwort (T-Killerzellen). Damit die Virusvermehrung möglichst schnell gestoppt werden kann, werden die infizierten Zellen zerstört. Dabei ist es wichtig, dass das so früh und vollständig wie möglich passiert. Die Immunzellen müssen in „Einsatzbereitschaft“ sein, um sofort reagieren zu können. Dieses Immuntraining ist so wichtig wie das Training von Muskulatur und Herz-Kreislauf-System durch Bewegung. Eine geeignete Massnahme dazu ist das Wassertreten. In einer eigenen Pilotstudie (veröffentlicht 2003) konnten wir diese Wirkung nachweisen: Bei Probandinnen, die 4 Wochen lang morgens Wassertreten praktizierten, fanden wir eine verstärkte Interleukin-2- und Interferon-gamma-Produktion  der T-Killerzellen (hochsignifikant trotz kleiner Fallzahl – es gibt kaum Forschungsgelder für solche Projekte). Die Zahl der Infekte war in den folgenden Monaten nicht vermindert, aber deren Dauer und Stärke: Immuntraining schützt nicht vor, aber bei Virusinfektionen.

Hitzeschockproteine

Das Bindeglied zwischen dem Kaltreiz und dem Immunsystem sind die Stressproteine (Hitzeschock- oder heat shock proteins), die von gestressten Zellen zu deren Schutz gebildet werden. Sie werden von allen lebenden Zellen gebildet (in der Evolution also überlebenswichtig), wenn sich Umweltbedingungen ändern. So schützen sie die Strukturproteine vor der Denaturierung (Kocheffekt), wenn die Temperatur um ca. 5°C steigt. Bei Kaltwasserfischen (z. B. Lachs) ist das eine Wassertemperatur von 10°C, beim Menschen eine Körperkerntemperatur von 42°C. Bei der Hauttemperatur (normalerweise ca. 32 °C) bedeutet ein Anstieg auf 37°C (vermehrte Hautdurchblutung) bereits einen Hitzeschock mit Stressproteinproduktion. Diese gehören zu den stärksten Aktivatoren der zellvermittelten Abwehr (Th1). Ziel des Kaltreizes ist also die verstärkte Hautdurchblutung (reaktive Hyperämie).

Empfehlungen (nicht nur) in der Corona-Krise

Wassertreten kann wie das Barfußlaufen jede*r zu Hause einfach durchführen. Geeignet ist eine kleine Wanne oder größere Schüssel (auch die Badewanne geht). Lassen Sie leitungskaltes Wasser ein bis zu einer Höhe von ca. 20cm. Laufen Sie Ihre Füße vorher warm (oder machen Sie zuerst ein warmes Fußbad). Gehen Sie dann im Storchengang (immer ein Fuß drinnen, einer draußen) auf der Stelle, bis die Kälte Ihre Füße „beißt“. Das können 15 Sekunden bis max. 3 Minuten sein. Danach das Wasser mit den Händen abstreifen, nicht abrubbeln (das stört die Reaktion), Wollsocken anziehen und warmlaufen. Die Füße müssen heiß und rot werden. Nach etwa 15 Minuten werden dort jetzt Stressproteine produziert, mit anschließender Th1-Aktivierung.

Alternativ können Sie auch die Saale an gut zugänglichen Stellen zu Wassertreten nutzen. Wenn Sie nicht mit den Füßen ist kalte Wasser gehen können, tut es auch ein kaltes Armbad. Eine ähnliche Reaktion bewirkt der bereits in Teil 2 beschriebene kalte Knieguss. Wichtig ist in jedem Fall, eine reaktive Hyperämie zu erzielen. Falls Sie in der privilegierten Situation sind, eine Sauna zur Verfügung zu haben, ist es jetzt Zeit, sie öfter zu benutzen. Auch bei der Sauna gilt: immunwirksam ist die Abkühlung mit anschließender reaktiver Hyperämie (eine Infrarotkabine bewirkt dagegen eine Tiefenerwärmung, keine verstärkte Hautdurchblutung).

Und nicht vergessen: Auch bei den Kaltreizen gilt: „Schwache Reize aktivieren, starke Reize schwächen, ganz starke Reize können töten“. An das kalte Saalebad muss man sich langsam gewöhnen, sonst schwächt es das Abwehrsystem.

 

Dr. med. Annette Kreutzfeldt, Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin und Immunologie, Kneipp-Ärztin

Weitere Artikel dieser Serie:

Print Friendly, PDF & Email

Kommentar schreiben