Golfkrieg ums Grundwasser: Stadt informiert Interessierte zum Thema Hufeisensee
17. August 2019 | Umwelt + Verkehr | 29 Kommentare
Bernd Wiegand moderiert am Golfplatz
Man traf sich unter einem halboffenen Schleppdach, die Stadt hatte Videobildschirme aufgebaut, und es gab Stuhlreihen für Besucher. Gastgeber war der Hallesche Golfklub. Es war eine Handvoll Interessierter gekommen, außerdem war ein beachtlicher Ansturm von Presse- und Fernsehleuten zu verzeichnen. Denn das Thema ist emotional besetzt, der Konflikt Golfspieler vs. „Umwelt und Kleine Leute“ wartet mit erdenklicher Symbolkraft auf. Über den grundlegenden Konflikt hatte Hallespektrum bereits berichtet (Hier und hier). Der Golfplatzbetreiber hat – trotz oder wegen anhaltender Trockenheit – von der Stadt Halle eine Genehmigung erhalten, weiter Wasser aus dem Hufeisensee zu pumpen, um das Gelände zu bewässern.
Bernd Wiegand eröffnete die Versammlung, legte die Regeln fest (bitte nur Sachfragen), und Frau Ruhl-Herpertz, Leiterin des Fachbereichs Umwelt, das auch die untere Wasserbehörde in sich trägt, begann mit einem kurzen Referat über die Geschichte des Sees und seiner Wasserstände. Demnach hatte der See in seiner Geschichte, seit seiner Entstehung als Kohle- und Kiesgrube, enorm unterschiedliche Wasserstände zu verzeichnen, was natürlich auch in seiner Funktion begründet war. Bis 1940 wurde Kohle abgebaut, dort wurde natürlich eine bergmännische Wasserhaltung betrieben. Dann entstand der See durch Zustrom von Grund- und Oberflächenwasser. Zu DDR-Zeiten wurde dem See in erheblichem Umfange Wasser entzogen, so etwa als Brauchwasser für das Heizkraftwerk und den Gemüseanbau auf den Feldern ringsum. Der Seespiegel soll dabei um einen Meter geschwankt haben. Nach Reduktion der Entnahmen stieg der Seespiegel kontinuierlich an, und lag 1996 bei 92,5 Metern. Das hatte zu Überschwemmungen am Wassersportclub geführt. Um Vernässung umliegender Felder zu verhindern, bekam der „Hufi“ nun einen Überlauf verpasst, der sich in die Reide entlehrt. Ziel war, den Spiegel des Sees auf 91,50 und 91,35 Meter zu halten. Seit den letzten beiden trockenen Jahren sei der Seespiegel an der unteren Grenze gehalten worden, der Reideüberlauf sei nicht mehr in Anspruch genommen. Trotz erheblicher Wasserentnahmen sei der Seespiegel relativ konstant, sagte Frau Ruhl-Herpertz. Die Entnahme des Wassers für den Golfclub würde, wenn sie denn an einem Tag geschehen würde, tatsächlich um ein Absinken des Wasserspiegels um 15 cm führen. Aber täglich ströme Wasser aus den Grundwasserleitern nach, das den Verlust ausgleiche.
Außerdem betonte sie: wenn die Stadt eine negative Auswirkung der Wasserentnahme auf den See bemerken würde, würde man die Genehmigung zurückziehen. Auf einen konkreten Minimum-Wasserpegel wollte sie sich jedoch nicht festlegen. OB Wiegand zeigte sich erkennbar erleichtert, dass seine Referentin klar gemacht hat, dass der Golfplatz keine negativen Auswirkungen auf den See habe. Nun durften Fragen gestellt werden, und den meisten Fragestellern war anzumerken, dass sie nicht so ganz einfach der frohen Botschaft vertrauen. Herr Weise ist Anwohner der Alten Schmiede. Er beklagte, dass bei ihm das Grundwasser um 70 cm gesunken sei.
Herr Klose konnte dies bestätigen, und warnte die Stadt, das Thema Grundwasser auf die leichte Schulter zu nehmen. „Wir haben seit zwei Jahren keine grundwasserwirksamen Niederschläge mehr gehabt“, will sagen: die Niederschläge der letzten trockenen Jahre haben das Grundwasser gar nicht erreicht. Er schlägt vor, jetzt schon daran zu denken, dass man das Grundwasser mit gezielten Einleitungen wieder auffüllen müsse. „Sie werden sich selber schlagen für diese Wasserentnahmegenehmigung, wenn der Grundwasserspiegel bei weiteren trockenen Jahren so sinkt“.
Ein anderes Problem sprach Herr Godenrath an: wie es denn mit den Düngemitteln sei, die auf dem Golfplatz ausgebracht würden. Die würden doch in den See zurück fließen, wenn abgepumpt werde, und den See überdüngen.
Düngemittelbelastung: Keine Erkenntnis, aber es wird auch nicht gemessen.
Dafür gebe es keine Belege, sagte Ruhl-Herpertz. Nachfrage von Hallespektrum: wird denn der Zustrom von Phosphat in den See gemessen? Antwort der Referentin: Nein.
In Zwintschöna fällt der See trocken, Fische sterben
Herr Wilk ist Betreiber des Friedrichsbad Zwintschöna, einem Bade- und Fischteich. Es ist ein Grundwassersee. Der See trockne aus, der Wasserspiegel sei um 30 cm gefallen, jetzt sterben seine Fische. Der See ist 900 Meter vom Hufeisensee entfernt. Da müsse es doch einen Zusammenhang geben?
OB Wiegand will die Frage nicht behandeln, das seien getrennte Dinge, hier gehe es um den Hufeisensee.
Aber auch andere Nutzer des Hufeisensees wollen beobachtet haben, dass der See weitaus stärker sinke, als die Stadt es angibt. Ein Diskutant warf ein, immer mehr im See liegende Äste würden die Wassersportler gefährden, weil nicht mehr ausreichend Wassertiefe vorhanden sei.
Bäume vertrocknen, das Gras ist grün
Hallespektrum fragt nach: in der Begründung der Stadt für die Wasserentnahme habe es geheißen, diese diene dazu, die neu gepflanzten Gehölzstreifen zu gießen. Nun beobachtet man, dass das Gras grün ist, aber die angepflanzten Gehölze vertrocknen.
Nun meldet sich auch Herr Labuschke junior zu Wort, Betreiber des Golfplatzes. Seine Antwort: natürlich wolle man nicht, dass die teure Bäume vertrocknen. Aber es sei nun mal gerade sehr trocken, sagte er.
Herr Achtzehn fragt nach Altlasten von der Alten Deponie. Der See bilde ja einen Entnahmetrichter, also müssen doch die Schadstoffe der Deponie nun zuströmen. Dies wurde verneint: der Zustrom des Wassers komme von Norden. Weiter führte Achtzehn aus, es bestünde schon länger ein Wasserdefizit. Wiegand bat darum, nicht ständig neue Zahlen zu bringen, das führe zu Verwirrungen.
Zum Schluss kamen noch einige Teilnehmer der von Greenpeace initiierten Demonstration am Hufeisensee herein, und stellten einige Fragen, die aber bereits beantwortet waren, was zu Enttäuschungen führte.
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Die Festlegung existiert(e) tatsächlich. D.h. auch wir wurden gestern von Frau Ruhl-Herpertz vera…
Jetzt gefunden, in der Anfrage der Grünen ist auch die Quelle für die Festlegung aufgeführt: „in der Antwort auf unsere schriftliche Anfrage im
Maistadtrat 2016 (VI/2016/01947) wurde der Golfpark Hufeisensee GmbH & Co KG im
September 2015 die wasserrechtliche Erlaubnis für die Entnahme von Oberflächenwasser
aus dem Hufeisensee erteilt, wobei die Wasserentnahme auf max. 60 Tm³/a in der
Anwachsphase bzw. 42 Tm³/a in der normalen Betriebsphase begrenzt ist. Eine Entnahme
unterhalb eines Wasserspiegels von 91.50 m NHN im Hufeisensee ist untersagt.“
Es ist also untersagt (gewesen?) jetzt nicht mehr.
Lieber Herr Wiegend, bitte klären sie auf!
McPoldy,
deine Forderung zur Schadstoffsanierung kann nur der OB beantworten, wie er sich vorstellt, sein Wahlversprechen in absehbarer Zeit zu realisieren,
Warum fordert eigentlich keiner die Schadstoffsanierung der problematischen Flächen ehemaliger Chemiehandel Reideburger Strasse und Bahngelände. Solange dort immer noch Schadstoffe ins Grundwasser sickern brauchen wir uns über die Badeseefreigabe nicht unterhalten. Die Problme mit den Altlasten sind schon seit mindestens 2012 wenn nicht weit früher bekannt aber passiert ist nichts.
@kenno: Er, bzw. Frau R-H meinen keinen Grenzwert, sie meinen die „Ermessenserwägung“ mit „Grundlage der Entscheidung war die hydrologische und ökologische Beurteilung durch die untere Wasserbehörde.“
Gestern fragte ich nach den Kriterien und wer das beurteilt, die Antworten waren sehr ausweichend. Für eine Entscheidungsfindung müssen aber Kriterien vorhanden sein, und eine Beurteilung darf nur durch dafür qualifizierte Personen durchgeführt werden.
Die Gründe dafür warum es den Mindestwasserspiegel nicht mehr gibt (von dem schon 2016 der Rede war -> http://www.gruene-fraktion-halle.de/2016/08/10/anfrage-zur-wasserentnahme-aus-dem-hufeisensee-zur-bewaesserung-des-golfplatzes/ ) müssen unbedingt aufgeklärt werden! Wurde er einfach abgeschafft um die Wasserentnahme zu legitimieren – das wäre ein starkes Stück…
(was ist denn jetzt los? „Your comment is awaiting moderation.“?)
Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) sicherte zu, dass die Wasserentnahme in Frage gestellt wird, sobald ein kritischer Punkt überschritten wird. Er hat zu dem sein Wahlkampfversprechen bekräftigt, den See perspektivisch in ein offizielles Badegewässer umzuwandeln.(MZ-Web)
Ohne die Nennung dieser Wasserspiegellage kann ihm niemals geglaubt werden.
Auch die Umwamdlung in ein Badegewässer wäre ein Jahrhundertobjekt, welches die Stadt in Form von Abriegelungen der Grundwasserleiter nicht verwirklichen kann
@kenno, @heiwu: Frau Ruhl-Herpertz hat gestern verneint, dass es in der Wasserrechtlichen Genehmigung einen Grenzwert gibt, ab dem keine Entnahme mehr zulässig ist. In vielen Medien wurde in der Vergangenheit dieser Wert erwähnt, auch bei Euch, wisst ihr, wo der Wert her ist, und warum es den plötzlich nicht mehr geben soll?
@Kenno: Ich dachte Du meinst das allgemein. Ich wusst nicht, dass Du gestern da warst.
micha06de,
genau das hatte ich doch auch geschrieben im letzten Satz.
Im übrigen hoffe ich, dass es viel regnet und der Hufeisensee wieder vollläuft
Wolfgang, da bin ich gespannt. O.P. ist Grüner, da ist viel denkbar.
@kenno: Frau Ruhl-Herpertz sagte gestern, nachdem ich das erwähnte, dass das nicht passieren kann, weil das Grundwasser aus NE anströmt. Trotzdem ist es möglich, dass kontaminiertes Wasser aus der Deponie ausströmt, wenn die hydraulische Situation geändert wird, vor allem wenn der See zur Senke wird.
Oliver Paulsen wäre ja dann nicht mehr, da er an OB Wiegand gekoppelt ist.
Als es dem OB Wiegand mit berechtigten Fragen zum Zustrom von Altlasten aus der Giftmülldeponie ging, wurde abgewiegelt , weil der Grundwasserzustrom nur aus dem Norden käme.
Verschwiegen wird aber, dass auch aus der Mülldeponie über eine bestehende hydraulische Grundwasserverbindung Giftstoffe an anderer Stelle in den Hufeisensee gelangen und sich am Grund ablagern und zunehmend aufstauen, sodass sie bei absinkenden Wasserspiegel zur Gefahr für Menschen und die Umwelt werden können.
Noch ein Biologe? Wir haben doch schon Oliver Paulsen, der weiß auch alles.
Redhall schrieb: „War das Badeverbot im Hufi nicht mit den Giftstoffen aus der Deponie begründet worden?“
Nein, mit Giftstoffen aus Altlasten der Bahn und des Chemiehandels.
Aber weitere Verbote an anderen geplanten Badestränden wird es geben, wenn man vom Umweltamt mal eine Wasserentnahme aus tieferen Schichten des Hufeisensees bewerkstelligen würde.
Hendrik ist Biologe. Der weis wie man Regen macht.
Und Hendrik lässt es dann noch mehr regnen? Oder lässt den Golfplatz verdorren?
Wem ist damit geholfen?
Da wähle ich den mal lieber nicht
Allerdings finde ich die Überschrift „Golfkrieg“ echt bescheuert. Golfkrieg ist etwas völlig anderes und sollte als Überschrift für unser Problem hier lieber nicht mißbraucht werden. Also bitte ändern.
Alles in allem, alles paletti – bei der Stadt und ihren Verwaltungen. Ich hoffe nur, die Bürger der Stadt wissen, wen sie im Herbst wählen. Ich wähle Hendrik, Basta!
Es hat wieder geregnet, super!
Hansi, vielleicht doch mal den Beitrag lesen, bevor Du kommentierst?
War das Badeverbot im Hufi nicht mit den Giftstoffen aus der Deponie begründet worden?
Seltsam, wie die Umweltgefährdungen sich heutzutage in Luft auflösen.
Erst bei Orgacid, jetzt bei der Deponie am Hufi.
HalleVerkehrt, du gehst wohl falsch in der Annahme, dass der OB überhaupt Problemen zugänglich ist. Wenn es nie eins geben darf, ist auch egal wo das nicht ist.
Soll sich der Oberbürgermester nach solchen pipifax-Aktionen von Greenpeace richten? Nein!
DAs eigentliche Problem bestand nach meiner Kenntnis darin, dass vergiftetes Grundwasser aus der daneben liegenden versiegelten Mülldeponie bei sinkendem Wasserspiegel in den Hufeisensee drückt.
Und diese Gefahr gibt es nach Aussage des Umweltamtes nicht.
Parallelveranstaltuncen zu inszenieren, um das Augenmerk auf sich zu lenken, scheint eine neue Masche zu sein. Auf jeden Fall bindet es kritische Öffentlichkeit.
Danke für den Beitrag. Nur eine kleine Korrektur: Veranstalter der Protestveranstaltung waren Extinction Rebellion Halle, Parents for Future Halle und Fridays for Future Halle.
Der OB hat die Veranstaltung extra zeitgleich zur Protestveranstaltung gegen die Entnahme angesetzt. Dann darf man auch nicht enttäuscht sein, wenn die Fragen sich doppeln.
Wenn der OB denkt, dass der See das eigentliche Problem ist, dann hat er nichts verstanden. Die umliegenden Flächen sind das Problem, wenn das Grundwasser durch die Trockenheit niedrig ist und man es dann noch zusätzlich durch die Entnahme absenkt.