Nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Rundfunkgebühren: Schelte für Haseloffs 86-Cent Blockade

5. August 2021 | Politik | 29 Kommentare

Nach Entscheidung des  Bundesverfassungsgerichtes zu den Rundfunkgebühren in Sachsen-Anhalt steht fest: die  Blockade der 86 Cent, die die damalige Koalition von Rot-Rot-Grün in eine schwere Krise gestürzt hatte, ist rechtswidrig. Auch Sachsen-Anhalts Verbraucher werden nun die zusätzlichen 86 Cent Gebühren, jetzt also 18,36 €, bezahlen. Haseloffs merkwürdiges Taktieren hatte letztlich dazu geführt, dass alle Bundesländer die Erhöhung nicht durchsetzen konnten: Um nicht mit der AfD gemeinsam stimmen zu müssen, hatte der Ministerpräsident  die Abstimmung von der Tagesordnung im Landtag genommen und sich um Bundesrat enthalten. Haseloffs Motiv: die CDU- Fraktion  zusammenzuhalten, viele ihrer Mitglieder, darunter als treibende Kraft der damalige Minister Innenminister Holger Stahlknecht, wollten die öffentliche Stimmung nutzen und gemeinsam mit der rechtsextremen AfD gegen die Gebührenerhöhung stimmen. Mit Haseloffs Schachzug, seiner Enthaltung im Bundesrat, wurde  dann die Erhöhung der Rundfunkgebühren verhindert, was die Sender – nach eigener Darstellung – vor erhebliche Finanzierungsprobleme gestellt hat.

Dabei galt bisher: den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten ermittelt die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF). Diese Instanz wurde im Jahr 1975 gegründet. Seitdem erarbeitet sie Gebühren- bzw. Beitragsvorschläge, die Grundlage für die Entscheidung der Landesregierungen und Landesparlamente über die konkrete Höhe der Rundfunkgebühr bzw. des Rundfunkbeitrags sind. Gesetzliche Grundlage der KEF ist der  Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, der sowohl die Höhe des Beitrags wie auch die Verteilung der Mittel regelt: Die KEF hat 16 Mitglieder, die von den Ministerpräsidenten der Länder für 5 Jahre berufen werden.

Kritik muss Haseloff nun von Landtagsfraktionen anhören. Katja Pähle (SPD): „Das Urteil hat auch gezeigt, dass der Streit, den die Kenia-Koalition letztes Jahr so erbittert geführt hat, überflüssig war. Die Grundlage der Beitragserhöhung durch das KEF-Gutachten ist durch das Bundesverfassungsgericht erneut bestätigt worden. Auseinandersetzungen, ob man auf Ebene des Landtages im Nachhinein noch etwas ändern kann, sind jetzt endgültig vom Tisch und die Rolle des Landtages klar. Entsprechend werden wir uns intensiv in die weiteren Diskussionen zu Struktur und Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einbringen.

Die Fraktion der LINKEN im Landtag spricht von einer „schallenden Ohrfeige“ und führt aus: „Es ist sehr bedauerlich, dass das Urteil nicht vor der Landtagswahl gefällt
wurde. Das Urteil macht noch einmal deutlich, dass hier sehenden Auges Verfassungsbruch durch die Koalition aus CDU, SPD und Grünen begannen wurde, nur um den Leuten vorzugaukeln, dass eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 86 Cent verhindert werden könnte. Der gesamte Vorgang ist ein Abbild dafür, wie die Kenia-Koalition dieses Land regiert hat und immer noch regiert: Ohne Rücksicht auf geltende Regeln, selbst ohne Rücksicht auf die Verfassung.“

„CDU hat gegen die Verfassung agiert“, urteilt grünen-Fraktionssprecherin Mathilde Lemesle. “ Die CDU hat den Rundfunkanstalten aber auch dem Land Sachsen-Anhalt mit ihrem unverantwortlichen und eigenmächtigen Handeln, die Anpassung des Rundfunkbeitrags abzulehnen, immens geschadet. Ich begrüße sehr, dass das Bundesverfassungsgericht im Sinne der Sender geurteilt hat und deren Unabhängigkeit damit sichert. Öffentlich-rechtliche Sender sind ein wesentlicher Eckpfeiler der Demokratie und dürfen nicht Opfer von politischer Willkür und parteipolitischen Einzelinteressen sein. Die CDU hat in der gesamten Debatte um den Rundfunkbeitrag Richtung AfD geschielt und Tore nach rechts geöffnet“. zu den Auswirkungen des Aurteils für Halle sagt die medienpolitische Sprecherin, Dorothea Frederking: „Es bleibt zu hoffen, dass es nun die neu-konzipierte digitale Kulturplattform in Halle geben wird. Auch die Filmwirtschaft, die das Gros ihrer Aufträge vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekommt, kann aufatmen. Ein guter Tag für die kleine, vitale und besonders in Halle lebensprägende Filmbranche hierzulande.“

Kritik an der staatsrechtlichen Situation im Allgemeinen übt allerdings die FDP: „Der Rundfunkstaatsvertrag trägt seinen Namen zu unrecht. Es scheint absolut egal zu sein, ob ein Vertragspartner seine Zustimmung zu einer Vertragsänderung verweigert. Deshalb muss das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dringend vom Kopf auf die Füße gestellt werden“, sagt FDP-MdB Klaus Faber.

Grundsätzlich lehnt die rechtsexttreme AfD den Rundfunkstaatsvertrag wie auch den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk ab: „Jeder Bürger soll frei entscheiden können, ob er das Programm ganz oder teilweise abonnieren will“, sagte AfD-Landesvorsitzender  Chrupalla dazu.

Kleinlaut reagiert dagegen Haseloff: „Wir respektieren diesen Beschluss“, sagte der Ministerpräsident heute, sieht aber ein „Demokratieproblem“: nämlich, dass dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes die Landesparlamente die Entscheidung der KEF nur abnicken, nicht aber bewerten dürfen. (Die Mitglieder der KEF werden von den Ministerpräsidenten der Länder bestimmt, also auch von MP Haseloff, Anm. d. Red).

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