Rasterfahndung

22. Februar 2021 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Es war ein finsterer Winterabend, vor dem Haus lag der Schnee fast einen halben Meter hoch, Heino und Elfriede waren an ihr Haus gefesselt. Elfriede lachte gerade laut auf – sie las gerade die Versuche, wie ihre Namensvetterin im Hallespektrum versuchte, das Heckenrätsel zu lösen. „Wacholder! Wach auf mein Holder “ rief sie die Treppe hinauf, doch Heino rührte sich nicht. Der Holde hatte sich verkrochen, in sein Bücherstübchen, wo er bevorzugt antiquarische Bücher hortete -um sie dann, wie er sagte, „wenn mal Zeit ist, in den langen Winterabenden“, zu durchstöbern. Elfride fand ihn vor einem Buch sitzen – und das hatte er unter ein Mikroskop gelegt!.“Hä, was machst du da, sind deine Augen schon so schlecht, dass du die ollen Schwarten nur mit solchen Hilfsmitteln lesen musst?“

„Nee, sagte Heini, ich bin total fasziniert von der Technik. Was die schon kurz nach 1900 drauf hatten“. Hier, sieh mal, ein Bildband von 1907 mit farbigen Ansichten -„Parklandschaften in Mitteldeutschland“. „Damals begann man, die ersten farbigen Fotos zu drucken – und das auf einmal in einer erstaunlichen Qualität. War natürlich nur für einen elitären Leserkreis – aber unglaublich. Heino zeigte auf ein Landschaftsfoto, das den Wörlitzer Park im Winter zeigte. „Wenn du das unter starker Vergrößerung betrachtest, siehst du, dass die das schon damals so machten, wie das heute auch noch geht: die Bilder in Farbauszüge zerlegt, dann mit dem wenige Jahre zuvor erfundenen „Autotypie-Raster“ in feine Punkte aufgelöst, separat auf Platten geätzt, und dann mit mindestens vier, meistens noch mehr Farbdurchgängen übereinander gedruckt“

„Interessant- wenn man aus der Entfernung schaut, sieht man die Punkte nicht – es sieht halt aus wie ein normale Foto. Geht man in die Vergrößerung, sieht man nur Punkte – das Bild erkennst du praktisch nicht“. Elfriede zeigte auf eine Stelle, wo blühende grüne Pflänzchen den Schnee durchstoßen schienen. „Zeig die mal in Vergrößerung, das sind doch…“.

Aber unter der Lupe sah sie eigentlich nur Punkte. „Sieht ja aus, wie ein Bild von Roy Lichtenstein“, versuchte Elfriede ihr rudimentäres Grundwissen aus dem Kunstuntericht anzubringen.

Wir fragen unsere Leser, um welche Pflanze es sich handeln könnte. Im gebührenem „Corona-Abstand“ kann man das Bild schon erahnen. Da es von der Planzengattung unzählige Arten, Unterarten und Bastarde gibt, wollen wir noch verraten: unsere gesuchte Art ist die einzige Einheimische.

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Ich tu ja nichts Verbotenes„): Abendländischer Lebensbaum, Thuja occidentalis

Hans kam drauf, als er das verkehrte Bild betrachtete. Wir suchten die Thuja, genauer gesagt, den „Abendländischen“ Lebensbaum, Thuja occidentalis. Seine Heimat ist der Nordamerikanische Kontinent, in sofern darf man vielleicht über den Begriff des „abendländischen“ durchaus streiten. Und, liebe Elfriede, da passt weiterhin fein auf, dass Du Thuja nicht mit dem Wacholder verwechselst.

Die „Beeren“, die Thuja als Fruchtstände ansetzt, haben nur entfernt Ähnlichkeit mit denen des Wacholders. Und was viele vielleicht nicht wissen: Auch „Wacholderbeeren sind, botanisch gesehen, auch Zapfen. Über Wacholder haben wir übrigens schon mal geschrieben, ist lang her.

Alle grünen Teile der Thuja sind giftig, sie enthalten unter anderem das Monoterpen  Thujon. Es wirkt als Nervengift; in richtiger Dosierung jedoch auch beruhigend und krampflösend. Das sollte man besser den Fachleuten überlassen. Thujon ist in vielen Pflanzen enthalten, auch Heilpflanzen wie dem Wermut: weshalb Wermutlikör (grüne Fee)  lange Zeit in Deutschland verboten war.

Zurück zur Thuja: Der Baum mit seinen variantenreichen Zuchtformen wird in unseren Breiten gerne als pflegeleichte, immergrüne Hecke gepflanzt. Zum Entsetzen vieler Natur-und Landschaftsschützer, weil diese viel zu dichten Hecke nicht gerade viel Raum für Artenvielfalt lässt, und einheimischen Insekten auch keine Nahrung liefert.

Wir hatten noch gefragt, was an dem Beitragsbild falsch gewesen ist: Richtig, Hans. Das Bild war falschrum.

Und es stammte nicht von dem bekannten schwedischen Maler Carl Larsson (1853-1919), mit dem sich dann Elfriede eingehender beschäftigte.

Larsson war ein Vertreter des impressionistischen skandinavischen Jugendstils. Außerhalb Schwedens wurde er weniger durch seine monumentalen Wandgemälde, sondern durch seine Aquarelle bekannt. Sie zeigen – stark idealisiert – die Einrichtung seines Hauses und das Leben seiner Familie mit einer unübersichtlichen Zahl von Kindern.

Carl Larrson und seine Frau Karin Bergö gelten als Begründer des heute als „typisch schwedisch“ geltenden Wohnstils, dessen wesentliche Elemente Helligkeit, Farbigkeit und lebendig-fröhliche Funktionalität sind. Im Grunde haben Sie IKEA erfunden. Seine idyllisch anmutenden Zeichnungen, garniert mit autobiografischen Texten, erschienen erstmals als Buch in Schweden 1899 unter dem Titel „Ett hem (Zuhause)“.  Weitaus größer wurde sein Erfolg in Deutschland, als der Verlag Langewiesche in seiner Serie „Die blauen Bücher“ das Buch 1909 unter dem Titel „Das Haus in der Sonne“ herausgab.  Nicht nur die Bilder selbst, sondern auch die neue drucktechnische Qualität des Buches lösten eine Sensation aus: im gerade erfunden Mehrfarben-Rasterdruck reproduzierte Aquarelle, in einer für damalige Verhältnisse erstaunlich hohen Druckqualität.

(H.W.)

Alle bisherigen „Pflanzen der Woche“ findet man hier im reichhaltigen Archiv

Archiv: alle „Pflanzen der Woche“ von 2016-2020

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