Handwerkskammern schlagen Alarm: Restaurants müssen schließen, weil niemand mehr Koch werden will

13. Juli 2018 | Wirtschaft | 6 Kommentare

Großes Kammerkonzert mit Sperrfrist

„Kein Personal – der Arbeits- und Fachkräftemangel im Land wird immer deutlicher spürbar“, verbreiten heute die Handelskammern sowie die Handwerks- und Industrie- Kammern  aus Halle und Dessau. Die als „Alarmruf“ bezeichnete Erklärung ist mit einer „Sperrfrist“ bis 13.00 Uhr versehen, und das an einem Freitag, dem 13. noch. Nimmt man das Schreiben ernsgt, so scheinen dunkle Wolken über dem Land aufzuziehen:

„.. so schränken etwa Gaststätten in Sachsen-Anhalt ihre Öffnungszeiten ein oder schließen sogar. Denn die Zahl der künftigen Köche ging von über 1.000 im Jahr 2008 auf gut ein Fünftel zurück, die der Restaurantfachleute in Ausbildung sank um mehr als 80 Prozent auf 66. Auch Dachdecker sind Mangelware – verglichen mit 2017 ergriffen vor zehn Jahren noch 55 Prozent mehr Azubis diesen Beruf. Der Engpass wurde vielen Hausbesitzern zuletzt nach den Zerstörungen durch das Orkantief „Friederike“ schmerzlich bewusst“, heißt es in der Erklärung.

„Zehn-Punkte-Katalog“

Die Handwerkskammer Halle (Saale) und die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) schlagen Alarm: Die gewerblichen Kammern könnten ihrer Verantwortung, für gut ausgebildeten Fachkräftenachwuchs in der Wirtschaft
zu sorgen, nicht mehr voll gerecht werden. Der weiterhin kraftvolle Einsat der Unternehmen werde durch das gegenwärtige politische und gesellschaftliche Umfeld mehr als gehemmt, erklärten IHK-Präsidentin Carola Schaar und  Handwerkskammerpräsident Thomas Keindorf bei der Vorstellung eines Zehn-Punkte-Katalogs mit Handlungsempfehlungen gegen die Ausbildungskrise.

Hunger und Dachschäden befürchtet

Die beiden Präsidenten beklagen übereinstimmend, dass bürokratischer Aufwand und Zusatzkosten die Wirtschaft zunehmend und über Gebühr belaste, die Schmerzgrenze sei erreicht. „Zudem werden sich falsche Anreize und verschlechterte Bedingungen im Bildungssystem bitter rächen, wenn wir nichts unternehmen“, prognostiziert IHK-Präsidentin Schaar. „Es dürfte dann nicht bei Magenknurren vor geschlossenen Restauranttüren oder länger
anhaltenden Dachschäden nach einem Sturm bleiben.“

Ruf nach dem Staat

 „Wir brauchen den Staat, um Strukturen zu schaffen, zu erhalten und – wo nötig – zu verbessern“, fordert Keindorf. Und Schaar ergänzt, auch die Unternehmen würden ihre Anstrengungen im Rahmen der Berufsorientierung erhöhen, um ihre Ausbildungsplätze besetzen zu können. „

Die Handlungsempfehlungen der gewerblichen Kammern reichen von Forderungen, wie die Allgemeinbildung der Jugendlichen im Land zu heben ist, über Vorschläge für eine zielgerichtete Berufsorientierung bis hin zu konkreten
Maßnahmen, wie sich der Berufsschulunterricht besser organisieren lässt.

Immerhin ein Förderpreis: 4.000 Euro für kreative Berufsorientierung an Schulen

Um einen Anreiz für mehr und intensivere duale Berufsorientierung an den regionalen Schulen zu setzen, loben die beiden Kammern im Süden Sachsen-Anhalts einen Förderpreis in Höhe von 4.000 Euro aus: Innovative und jugendgerechte Ideen von Lehrern und Schülern sollen unterstützt werden. Der Wettbewerb startet mit Beginn des kommenden Schuljahres. Eine
gemeinsame Jury aus den Kammern, Vertretern des Landes und des Netzwerks „Berufswahl-SIEGEL“ wird die besten Projekte dann im Spätherbst prämieren. „Wir wissen aus unseren Kontakten zu vielen bereits engagierten Schulen:
Oft mangelt es nicht an Ideen, sondern an den Umsetzungsmöglichkeiten“, erklärt Schaar. „Da helfen wir gerne – nicht nur mit Geld, sondern auch mit Kontakten zu Unternehmen!“

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