Drastische Corona-Lockerungen in Sachsen-Anhalt: Treffen mit 5 statt 2 Personen erlaubt, Altenheime dürfen Besucher empfangen
2. Mai 2020 | Politik | 17 Kommentare
Haseloff auf Landespressekonferenz
Für 13.15 war eigentlich eine Life-Pressekonferenz der Landesregierung angekündigt. Während viele Menschen auf einen leeren Bildschirm starrten, erschien statt dessen die Pressemitteilung der Landesregierung auf der Internetseite des Landes. Wohl im Alleingang werden etliche Beschränkungen der Corona- Eindämmungsverordnung gelockert.
Museen, Gedenkstätten und Bibliotheken dürfen ab Montag, 4. Mai, wieder Besucher empfangen. Ladengeschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche, die bisher noch geschlossen sind, können öffnen, wenn sie bestimmte Bedingungen einhalten. Das gilt auch für Friseure, Massage- und Fußpflegepraxen, Nagel- und Kosmetikstudios sowie Fahrschulen. Das Selbstorganisationsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften wird nicht mehr eingeschränkt. In Alten- und Pflegeheimen ist ab Montag, 11. Mai, eine Stunde Besuch pro Tag von einer Person erlaubt; die Gäste müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen, der vom Heim gestellt wird. Das Besuchsverbot der vergangenen Wochen ist damit aufgehoben. Das legt die 5. CoronaEindämmungsverordnung fest, die das Kabinett heute beschlossen hat. Wortlaut hier als PDF: VO_Fuenfte_SARS_CoV-2_EindaemmungsVO_Urschrift_Verkuendung
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff betonte: „Neben dem gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung ist es auch notwendig, dass wir schrittweise zu einem normalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben in unserem Land zurückkehren. Dem dienen die heute beschlossenen Erleichterungen. Für eine Entwarnung ist es dennoch zu früh. Die Pandemie ist nicht überwunden. Daher bitte ich alle Menschen in unserem Land: Halten Sie sich weiter an bestehende Auflagen.“
Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne sagte, es sei ihr wichtig, dass den Bewohnerinnen und Bewohner der Seniorenheime und ihren Angehörigen eine Perspektive aufgezeigt werde. Das Ministerium unterstütze die geplante Besuchsregelung und stelle den Einrichtungen Mund-Nasen-Schutz bereit, damit auch Besucherinnen und Besucher ausgestattet werden können. Wenn es aus Gründen des Gesundheitsschutzes notwendig sei, könnten die Seniorenheime die Besuchserlaubnis einschränken.
Statt nur zu zweit, darf man sich künftig mit bis zu fünf Personen treffen. Die bisher gültigen scharfen Kontaktbeschränkungen, nach denen jedes Verlassen der Wohnung eines triftigen Grundes bedurfte, werden aufgehoben. Die Maskenpflicht in Ladengeschäften und in Bussen und Straßenbahnen bleibt bestehen. Sie gilt künftig aber erst für Kinder ab sechs Jahren. Gehörlose und schwerhörige Menschen, ihre Begleitpersonen und im Bedarfsfall Personen mit denen sie kommunizieren, sind von der Maskenpflicht ausgenommen. Ausnahmen gelten darüber hinaus für Menschen, denen aus gesundheitlichen Gründen oder wegen einer Schwangerschaft das Tragen einer Maske nicht möglich oder zumutbar ist. Unberührt bleibt die Verpflichtung der Arbeitgeber, die jeweiligen Arbeitsschutzbestimmungen einzuhalten.
Haseloff und Grimm-Benne betonten, vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung der Corona-Infektionen in Sachsen-Anhalt sei es möglich, die Beschränkungen der vergangenen Wochen weiter zurück zu nehmen. Zudem sei Sachsen-Anhalt das Land mit der zweitniedrigsten Verbreitungsrate des Coronavirus. Beide verbanden das jedoch mit einem eindringlichen Appell an die Selbstverantwortung der SachsenAnhalterinnen und Sachsen-Anhalter: „Wichtig ist, dass die Hygiene- und Abstandsregelungen eingehalten werden.“ Es müsse gelingen, Infektionsketten weiter zu unterbinden.
Die Notbetreuung in Kindertagesstätten wird erneut erweitert. Anspruch haben jetzt die Kinder von berufstätigen Alleinerziehenden, von Schülerinnen und Schülern, von Studierenden und Beschäftigten in Dienstleistungsbetrieben. Spielplätze dürfen ab 8. Mai wieder benutzt werden, wenn die Landkreise dies im Einzelfall oder per Allgemeinverfügung erlauben.
Schwimmbäder und Sportanlagen bleiben geschlossen. Allerdings ist Training im Freien möglich, wenn dabei das Abstandsgebot eingehalten werden kann und Einheiten maximal in Gruppen bis zu fünf Personen stattfinden. Gesundheitsministerin Grimm-Benne: „Das stärkt auch die soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen.“
Zudem strebt die Landesregierung unter Voraussetzungen wie einem weiter günstigen Infektionsgeschehen die Öffnung der Gastronomie zum 22. Mai an.
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Nicht „zwischen“, sondern „für“.
Wenn es um mehr als um Regeln für wenige Wochen geht, ist es, wenn ich das so sagen darf, eine Wahl zwischen Pest und Cholera.
Wenn ein Virus ins Pflegeheim eingeschleppt wird, betrifft es nicht nur einen Patienten, es verbreitet sich vielmehr rasend schnell unter allen Heimbewohnern. Dafür gibt es leider viele traurige Beispiele. Das ist kein Sarkasmus, sondern bittere Realität.
So ist es.
Man kann die alten menschen auch gut mit Kontaktverbot und Einsamkeit dezimieren… Ob das menschlicher ist, darf gern bezweifelt werden.
Ich verstehe absolut, dass jemand, der selbst Verwandte oder Freunde in Pflegeheimen hat, die Lockerungen kritisiert, auch scharf. Andere sollten sich mit Sarkasmus vielleicht etwas zurückhalten.
Verantwortungsbewusste Kinder verabreden eine Aufgabenteilung. Die einen besuchen Opa im Heim, die anderen bereiten die Beerdigung vor.
Es ist alles eine Frage der Risikoabwägung. Aber wenn das Motto lautet: „Lasst uns optimistisch in den Tod schauen“, dann sehe ich kein Problem.
Für die alten Eltern im Altenheim sind die Besuche der Kinder o.a. oft die einzige Freude, die Entscheidung der Landesregierungist deshalb richtig.
M. E. können die Biergärten aufmachen, da kann man den Abstand einhalten.
Selbst in Schweden sind Besuche in den Altenpflegeheimen verboten- und da ist sonst fast alles noch erlaubt.
Zynisch gesagt: Sachsen-Anhalt möchte sein demographisches Problem lösen. Anders kann ich mir diese Entscheidung nicht erklären. Die Spartaner haben „überflüssige“ Kinder in den Taygetos gestürzt, die Landesregierung macht das mit den Alten. Ich finde es jedenfalls brutal leichtsinnig, mir fehlen, wie man sieht, vernünftige Worte.
„Was ich mich frage: ob die Fallzahlen in Sachsen-Anhalt schon so gering sind, dass Teams vom Gesundheitsamt die Kontakte jedes einzelnen Falls nachverfolgen können. Dann hätte man ein gutes Argument für die rasche Lockerung.“
Schau dir die Augenringe der Leiterin des Gesundheitsamtes an. Dann weißt du die Antwort.
ich verstehe ja, dass man recht bald wieder die Wirtschaft in Gang bringen will. Aber warum man so früh gerade das Kontaktverbot und die Besuchsregelungen in Alten- und Pflegeheimen lockert, will sich mir nicht so recht erschließen.
Was ich mich frage: ob die Fallzahlen in Sachsen-Anhalt schon so gering sind, dass Teams vom Gesundheitsamt die Kontakte jedes einzelnen Falls nachverfolgen können. Dann hätte man ein gutes Argument für die rasche Lockerung.
Das geht schief.
Wenn das mal gut geht.
Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost-und West. Fangen wir mit den Infektionszahlen an.