Tote Hose im Paradies

26. September 2018 | Bild der Woche | 7 Kommentare

Tote Hose im Paradies

Gleich bei seiner Ankunft im Paradies hatte Murat vom diensthabenden Engel an der Rezeption Anweisungen erhalten. Diese waren umfassender Art, und bei der Auflistung all des Verbotenen gewann Murat den Eindruck, dass dieses Paradies offenbar von Deutschen erschaffen worden sein müsse. Den Rasen im Garten dürfe man nicht betreten, keine Kippen wegwerfen, und von den Früchten nur soviel nehmen, wie für den Eigenbedarf erforderlich sei. „Verlassen Sie das Paradies bitte so, wie Sie es selber vorgefunden haben“, hieß es in der Parkordnung. Ein Verbot stach unter allen besonders heraus: die Sache mit dem verbotenen Busch. Der habe mehrfingrige Blätter, und von seinen Früchten dürfe nichts probiert werden., denn sonst sei es um die Hauptattraktion des Paradieses geschehen. „Von wegen, all You can Eat“. Murat war schon von einigen seiner ungläubigen Freunden gewarnt worden, dass die Versprechungen in den Suren des Veranstalters ziemlich übertrieben seien, und zumindest so einige Gelegenheit zu Mehrdeutigkeiten beinhalteten. Das mit den 72 Huris zum Beispiel….

Die Huris lachen sich schlapp…

Mißgelaunt schlich der Neuankömmling durch den Garten. Der war bestanden von allerlei Gewächsen, an jeder hatten fleißige Paradiesgärtner Schilder angelegt, Pflanze der Woche vom… usw.

Murat bekam langsam das Grauen. Missmutig sah er sich um. Da war eine Pflanze, die er kannte. Mehrfingrige Blätter, aus denen ein leichter Duft aufstieg, wenn man sie rieb, und Blüten trug sie, und sogar Früchte. Er sah sich um. Ein wenig Spaß wollte er schon haben, hier in dieser langweiligen grünen Hölle.  Es war niemand zu sehen, keiner, dieser Blöden Engel, niemand. Er riss Blätter und Körner vom Strauch, stopfte sie sich gierig hinein. „Ihr könnt mir alle mal…“

Gewisper erklang hinter den Sträuchern, es wurde lauter, und schwoll zu einem 72-stimmigen Gekicher an …
Der Strauch hatte seine Wirkung getan, die Huris hinter den Büschen bogen sich vor Lachen. „Er hat es getan, er wird sich nicht wagen, uns zu nähern, der Schlappschwanz“ sangen sie, bildeten einen wahrlichen Elfenreigen, wie man ihn von den Schlafzimmerbildern der Ungläubigen kennt, oh welche Reize boten sie dar – doch Murat konnte sie nicht erwidern. Es tat sich nichts. Gar nichts regte sich … Tote Hose.

Schweißgebadet wachte Murat auf. „So ein blöder Traum“.  Langsam erinnerte er sich an den vorangegangen Abend. Die Pflanze, von der er gestern genommen hatte, mit den Blättern, die ihm so bekannt vorgekommen waren, mit den bläulichen Blüten und den Körnern…. die dann nicht die Wirkung entfaltet hatte, die er sonst so schätzte (und verboten war). Murat venkte sersein Bewusstsein dort hin, unter der Bettdecke, wo sich sonst jeden morgen etwas geregt hatte – nichts war mehr dort, nur dieses gähnende Gefühl der Langeweile.

Wir werden unseren Freund noch ein wenig in seiner Panik alleine lassen, in der Gewissheit, dass er wieder genesen wird. Doch es bleiben natürlich Fragen übrig:

  • Wie heißt der vertrackte Strauch, den Murat offenbar mit etwas anderem verwechselt hat ?
  • Seine deutsche Bezeichnung scheint auf eine Verwendung in christlichen Einrichtungen hinzuweisen. Welche?
  • Kann man ihn in der Küche verwenden?

(HW)

Auflösung der letzten Wochenpflanze („Nichts für Warzenschweine“): Schöllkraut, Chelidonium maius.

Gesucht war in der letzten Woche das Schöllkraut.  Unser User „Rati“ kam drauf, aber eigentlich war es leicht zu erraten, denn die Pflanze ist in unserer häuslichen Umgebung häufig vertreten, markant wegen ihres gelben, ätzenden Milchsaftes und auffällig, da die leuchtend-gelben Blüten nur 4 Blütenblätter haben. Schöllkraut ist, wie beschrieben, giftig. Äußerlich angewendet besteht aber keine Vergiftungsgefahr.

 

(Hans Ferenz)

 

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