Nichts für Warzenschweine

19. September 2018 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Das natürliche Herkunftsgebiet der gesuchten Pflanze ist Nord- und Mitteleuropa. In unseren Breiten wächst sie häufig an Wegrändern und in Ufernähe von Bach- und Flussläufen, ausgedehnten Wiesen mit höherem Nährstoffangebot oder auch an Schutt- und Mauerplätzen. Die Pflanze gehört zur botanischen Familie der Mohngewächse (Papaveraceae) und zählt zum wichtigsten Heilkraut innerhalb dieser Pflanzenfamilie. Die Wuchshöhe der mehrjährigen Pflanze beträgt 30 bis 75cm. Auffällig sind die fieder- und fast nierenförmigen Blätter mit ihren eingekerbten Blatträndern. Die Unterseite ist mit einigen wenigen Drüsenhaaren besetzt. Die Blätter sind am Stängel jeweils wechselseitig angeordnet. Die Blattstiele sind mit feinen Milchröhren durchsetzt, die beim Verletzen einen gelblichen Milchsaft freilassen. Der Stiel ist in der Regel auffällig behaart. Zur Blütezeit zwischen Mitte Mai bis Anfang Oktober bildet die Pflanze ansehnliche goldgelbe Blüten aus, die aus vier Kronblättern und zahlreichen Staubblättern bestehen. Zur Fruchtreife bilden die Blüten zarte Kapselfrüchte aus, die wie grünliche Schoten aussehen. Die Früchte können bis zu 6,5 cm lang werden und zahlreiche schwarze bis leicht-ovalförmige Samen enthalten.
Die giftige Pflanze ist ein alt bewährtes Heilkraut für diverse Hautbeschwerden. Vor allem der orangene ätzende Milchsaft, der in den Stängeln und Blättern zu finden ist, spielt dabei eine große Rolle. Die wirksamen Inhaltsstoffe setzten sich vor allem aus Alkaloiden, Flavonoiden, Saponinen sowie aus geringen Mengen ätherischer Öle zusammen. Vor allem die Alkaloide, die überwiegend zur Gruppe der Benzylisochinolinalkaloide gehören, sind von medizinischem Interesse. Bisher wurden 30 verschiedene Alkaloide in der Pflanze nachgewiesen, der Anteil von Alkaloiden in der Droge beträgt dabei etwa 0,1-1 %. Die Hauptinhaltsstoffe der Alkaloide sind wiederum Coptisin (mit 80-90 % das vorherrschende Alkaloid), Protopin, Berberin, Cehlidonin (Hauptalkaloid der unterirdischen Pflanzenteile), Sanguinarin und Chelerythrin. Der genaue Alkaloidgehalt ist aber sehr variabel. Weitere Inhaltsstoffe der Pflanze sind verschiedene Pflanzensäuren (zum Beispiel Äpfelsäure), Kaffeesäure, geringe Mengen an Flavonoiden und Carotinoiden.
In den Kräuterbüchern des Mittelalters und der frühen Neuzeit war die Pflanze ein fester Bestandteil. Verschiedene innere und äußere Anwendungen wurden beschrieben. Wegen möglicher Leberschädigungen verbietet sich aber die Einnahme der Pflanze und aus ihr gewonnener Produkte. Die Heilpflanze wird frisch oder getrocknet vor allem äußerlich bei Hautkrankheiten verwendet. Sie hilft bei Warzen, Ekzemen, Akne, Hühneraugen, Schuppenflechte und Schwielen. Für die Behandlung eignet sich der Milchsaft aufgrund seiner antiviralen Alkaloide. Der Saft sollte aber wegen seiner ätzenden Wirkung nur auf dem kranken Gewebe verteilt werden. Alternativ kann man eine in Reformhäusern erhältliche Tinktur oder Salbe anwenden.
(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Fliegender Elefant lehrt uns das Fürchten): Kaukasische Flügelnuss (Pterocarya fraxinifolia)

Wir haben die von User Gork sofort erratene, schöne Kaukasische Flügelnuss (Pterocarya fraxinifolia) beschrieben, eine Laubbaumart mit einer Frucht, welche einem jungen Elefantenkopf ähnelt. Der Rüssel ist ein bisschen zu kurz geraten, ansonsten kann man in dem Fruchtstand schon eine ganze Reihe dieser „großohrigen Köpfe“ erkennen. Pterocarya (von griechisch pteron, Flügel, und karyon, Nuss) ist eine Pflanzengattung in der Familie der Walnussgewächse (Juglandaceen), deren Früchte Flügelnüsse sind. Eine derartige Frucht, Samara genannt, finden wir bei unterschiedlichen Pflanzenfamilien. Es handelt sich um geflügelte Flugfrüchte als eine Sonderform nussartiger Schließfrüchte, also so etwas, was man z.B. als Nasenzwicker der Ahorne kennt.
Bekannt ist die Flügelnuss als wärmeliebender Laubbaum, der während des klimatischen Optimums der Holstein-Warmzeit heimisch war und danach in Europa ausgestorben ist. Jene Warmzeit war ein großer Einschnitt zwischen Eiszeiten (also ein sog. Interglazial). Wir wollen einen kurzen Blick auf das quartäre Eiszeitalter werfen, deren Glaziale (Eiszeiten) man an den vereisten Polkappen erkennt: Vor rund 300.000 Jahren unterbrach die Holstein-Warmzeit (mit der Flügelnuss) für einen Zeitraum von etwa 15.000 Jahren die vor-vorletzte große Kaltzeit „Elster“ (- rund 80.000 Jahre lang herrschte „Eiszeit“) und die vorletzte große Kaltzeit „Saale“ (- dieses Glazial dauerte rund 170.000 Jahre). Es folgte wieder eine Warmzeit (das Eem) und dann die nächste, bisher letzte große Kaltzeit (- das Weichselglazial, es dauerte gut 100.000 Jahre). Der jetzige Abschnitt, Holozän genannt, könnte eine Warmzeit sein, im Sinne eines Interglazials, das eine neue Eiszeit einleitet. Vielleicht ist es aber auch nur ein sogenanntes Interstadial, also eine kurzzeitige Warmperiode innerhalb des letzten Glazials (Weichsel) – das eindeutig zu klären liegt vermutlich außerhalb der Kompetenz der (vermutlich) kurzlebigen Menschheit. Wir wissen nur, dass uns das Holozän seit rund 12.000 auf der Erde angenehme Temperaturen und ausreichend Lebensraum beschert.
Heutzutage hat die Kaukasische Flügelnuss ihre Heimat in den feuchten Bergwäldern vom Kaukasus bis Nordiran. Der frostharte Baum wächst meistens mehrstämmig und entwickelt eine breit ausladende, rundliche Krone bis in 15 bis 20 m Höhe. Er braucht Platz! Manchmal wird er bis zu 250 Jahre alt. Die schwarzgraue Borke weist ein feines Feldernetz auf, im Alter mit auffälligen hellen Längsfurchen. Aus zimtfarbenen Winterknospen treiben zeitig im Frühjahr die unpaarig gefiederten, 20-45 cm langen Blätter, die an Eschenblätter („fraxinifolia“) erinnern. Manchmal zieht dieser zeitige Austrieb Frostschäden hinter sich, so wie beim verwandten Walnussbaum. Interessant ist der weibliche Blütenstand aus kleinen, grünlichen Blüten, der sich auf eine Länge von 25 bis 50 cm auswächst – die langen Spindeln bilden richtige hängende Gärten. Daraus entwickeln sich die von halbkreisförmigen Flügeln („Ohren“) eingefassten Nussfrüchte, also die Flügelnüsse der Flügelnuss. Die langen Fruchtstände hängen auch noch am Winter an den Bäumen, falls sie nicht von Kindern zum Basteln abgepflückt werden.
Das Holz der Kaukasischen Flügelnuss kann dort verwendet werden, wo nur eine geringe Festigkeit notwendig ist, z.B. bei Verpackungsmaterial, Grafikwerkzeugen und manchen Möbelstücken. Möbel werden weitaus häufiger durch das Furnier verziert: „Kaukasisch Nussbaum“ ist eines der wertvollsten Furnierhölzer für die Möbelherstellung. Es trägt eine feine, sehr ausgeprägte dunkle Zeichnung in schöner Musterung.
Warum finden wir den Baum so häufig an Leipzigs Kanälen? Der Boden soll tiefgründig sein und stabil Feuchtigkeit bieten, Flussanschwemmungen sind also ideal. Sogar Überschwemmungen erträgt der schnellwachsende Baum. Häufig findet man ihn, seit etwa 150 Jahren, in unseren Parkanlagen, wo er Areale von bis zu 200 m² besetzt, oder in Alleen, die im Herbst goldgelb leuchten. Diese Blätter kann man zwischen den Fingern zerreiben und beim Fischfang einsetzen, als Gift. Das ist eher in der Heimat des Baumes üblich. Die Toxizität der Blätter von P. fraxinifolia wird aber auch bei uns genutzt: Wässrige und alkoholische Auszüge scheinen sich im Kampf gegen mutagene Zellen in der Behandlung der Chronischen myeloischen Leukämie (CML) zu bewähren. Juglon nennt sich der Giftstoff, eigentlich ein Farbstoff, der in der Pflanze glykosidisch an Glucose gebunden ist.
Aber nicht nur im Kleinen kann der Baum Großes leisten: Vor einiger Zeit wurde ein Exemplar der Kaukasischen Flügelnuss als größter lebender Organismus beschrieben, bezogen auf die flächige Ausdehnung. Er soll dank seiner Ausläufer mehrere Fußballfelder bedecken. Diesen Superlativ-Rang musste die Flügelnuss aber abtreten: Mit einem Fund aus dem Jahre 2000 nimmt ein Pilzmycel nun Rang 1 ein, irgendein Hallimasch, der 9 Quadratkilometer bedeckt. Für die Flügelnuss gibt es wohl „nur“ die Silbermedaille.
(A.S.)

Kaukasische Flügelnuss ((c)Wikimedia commons)

 

 

 

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