Mit Böllern und Raketen ins Neue Jahr. Eine botanische Nachlese.

8. Januar 2018 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Es donnert und kracht, und das schon seit Tagen. Nicht nur in Neustadt und Silberhöhe tobt der Krieg, auch die Paulusviertler oder die vornehmen Kröllwitzer begnügen sich keineswegs nur mit „Brot statt Böllern“ und frommen Wünschen.  Feuerwerke sind spätestens seit der Erfindung des Schwarzpulvers fester Bestandteil der europäischen Kultur, auch wenn es alle Jahre wieder heißt: Finger weg von Polenböllern, und das in mehrfacher Bedeutung. Jedes Jahr werde es schlimmer, sagt man oft. Ist dem wirklich so? Nein, die Lust am Feuer und der Knallerei hat sich allenfalls in einer vielleicht zweifelhaften Weise demokratisiert. Geknallt wurde immer schon, und nicht nur zu Silvester. Händel, der immer wieder groß beschworene Sohn unserer Stadt, hat sich bekanntlich nicht nur mit seinen Opern einen Namen gemacht : seine Feuerwerksmusik dürfte weltweit zu seinen bekanntesten Werken gehören. Immer immer wieder versuchen Feuerwerker, die Abschlusskonzerte der Händelfestspiele in Halle mit mit ihrer Pyro-Darbietung zu synchronisieren, meistens geht das ganze aber in einer chaotischen Knallerei unter, die sich nun nicht in die Musik einführen mag.  Gelang das früher besser?

Bühnenaufbauten im Greenpark in London zur Aufführung von Händels Feuerwerksmusik

Der englische König Georg II wollte anlässlich des Aachener Friedensvertrages und  Beendigung des Österreichischen Erbfolgekriegs eine riesige Feier mit großem Feuerwerk und Musik veranstalten, hierzu erhielt Händel den Auftrag einer passenden Komposition.  Die Uraufführung am 27. April 1749 im Londoner Greenpark muss in einem Fiasko geendet sein, wobei Händels Musik wenigstens noch die Veranstaltung halbwegs gerettet haben soll. Wie zur Barockzeit üblich, waren Feuerwerke eine elitäre Angelegenheit, bei der sich Könige und Kaiser feiern ließen, um ihre uneingeschränkte Macht zu demostrieren. Monatelang wurde an Bühnenaufbauten gearbeitet, gewaltige Scheinarchitekturen aus Holz und Leinwand errichtet, geschmückt mit Balustraden aus an- und abschwellenden Balustern, Säulen, Pilastern, Bögen und vielen Figuren, aus denen Granaten geschleudert werden sollten. Kanoniere und Grenadiere waren mit langen Luntenstäben bewaffnet, die die in den Kulissen verbauten Raketen, Feuertöpfe und Feuerräder zünden sollten.  Dummerweise hatte es an dem Tag geregnet, was in London keine Seltenheit sein soll, einige Zündvorrichtungen versagten, andere wurden unvorsichtig falsch gezündet, und Teile der Bühnenaufbauten versanken in einem ungeplanten Flammenmeer.

Wenden wir uns daher getrost lieber wieder unserem Neuen Jahr zu, das ja spätestens jetzt, mit dem Eintreffen der hl. Drei Könige, beginnen darf.  In vielen europäischen Kulturen spielt die Knallerei zu Silvester keine allzu große Rolle. Hier nehmen andere Rituale und Symbole einen wichtigeren Platz ein.

Unsere Pflanze beispielsweise, die sich schon im Text über die Knallerei in einigen Wortfetzen etymologisch versteckt hat, zum Beispiel. Die Frucht gilt als Glücksbringer, und in einigen mediterranen Ländern schleudert man sie zum Neuen Jahr mit Wucht an die Wand, um zu sehen, was dann passiert. Nicht wegzudenken ist sie auch aus  dem jüdischen Neujahrsfest,  Rosh Hashanah.

Damit noch nachträglich einen guten Rutsch, und das sind unsere Fragen:

  • Wie heißt unsere Pflanze? (botanischer Name, deutscher Name)
  • Wo hat sie sich etymologisch oben im Text versteckt?
  • Welchen bekannten Gegenstände und Begriffen hat sie ihren Namen verliehen?
  • Welche südeuropäische Stadt trägt ihren Namen?
  • Ein Kristallstruktur  der Formel  [8]X3[6]Y2[[4]ZO4]3 ebenfalls. Welche?
  • Steingeworden verhindert sie, dass wir vom Balkon fallen. Wie?

(H.W.)

Auflösung der letzten Wochenpflanze: („Beim Glühwein gehört“): Pfeffer, Piper ssp, z.B. Piper nigrum, weißer Pfeffer, oder Piper longum, langer Pfeffer.

Wo lag der Hase?

Sogenannte schwarzer Pfeffer, piper nigrum. Die Früchte wachsen in langen „Trauben“ an der bis zu zehn Meter hohen Kletterpflanze

Offensichtlich war das Rätsel bei den Möglichkeiten der Internetrecherche zu einfach (trotzdem natürlich Respekt und Dank an Rati). Mit den Stichwörtern „Gewürz, Römer, Indien“ hatte (auch) unser Georg schnell einen Hinweis auf den PFEFFER gefunden. Da die Römer den Langpfeffer (Piper longum) nutzten (welcher deutlich schärfer als der heute übliche Schwarze Pfeffer –Piper nigrum- sein soll), erklärt sich damit auch hei-wus Wortspiel zum Bild. Über verschiedene Erntezeitpunkte liefert uns Piper nigrum sowohl den weißen als auch den schwarzen Pfeffer. Aus Sicht der Pulsnitzer Pfefferküchlerei Gräfe (so auf deren Homepage) werden die Bezeichnungen Pfeffer- und Lebkuchen regional für das uns wohlbekannte Gebäck in seinen Variationen genutzt und der „fehlende“ Pfeffer kann damit erklärt werden, dass es wohl Zeiten gab, in denen jedes „fremdländische Gewürz“ als Pfeffer bezeichnet wurde.

 

Langer Pfeffer, getrocknete Früchte von Piper longum

Mit einem Blick in/auf Udo Pollmers Sicht auf das „Opium fürs Volk“ wurde Georg schnell klar, dass der Wortführer auf dem Weihnachtsmarkt zumindest einen Teil seiner Weisheit aus diesem Buch gezogen haben könnte. Dort finden sich auch Bremer Lebkuchen mit mindestens 25 Teilen weißen Pfeffer auf 180 Teile Weizenmehl und 166 Teile Honig (in dieser Form ist er wahrscheinlich nicht mehr kommerziell erhältlich) und eine ausführliche Diskussion zu den Wirkungen des Piperins als Scharfstoff des Pfeffers auch als mögliches Malariamittel. Der Badischen Zeitung zufolge war die Malaria am Oberrhein bis 1948 zu beobachten und Branntwein mit Schwarzen Pfeffer zählte zu den Hausmitteln dagegen.

Eine weitere Wissens- (Bewußtseins-?) Erweiterung erfuhr Georg, als er zur „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen“ griff. Pfeffer ist nicht gleich Pfeffer! Die Gattung Piper umfasst mehr als 1000 Arten. Angeblich haben manche Piper-Arten psychoaktive und andere aphrodisierende Wirkung. Einige werden in der brasilianischen Volksmedizin als Schmerzmittel genutzt. Trikatu – eine Mischung aus Langpfeffer, Schwarzem Pfeffer und Ingwer gilt als das wichtigste ayuvedische Anregungsmittel.

Also dann – darf es eine Prise mehr sein?

(F.H.)

 

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