Kraut gegen Dämonen und Schädlinge

26. Juli 2021 | Bild der Woche | 2 Kommentare

 

Man findet unsere Rätselpflanze nicht selten an feuchten Waldrändern, Lichtungen, Ufern.  Sie wächst über 1m hoch; ähnlich lang sind die Wurzeln. Sie blüht von Juni bis September. Die doldig angeordneten kleinen gelben Blüten haben keine erkennbaren Zungenblüten. Der deutsche Name der Pflanze bezieht sich auf den bevorzugten Standort und die Blattform wie sie für eine Gruppe blütenloser Pflanzen typisch ist. 

Als zauberabwehrendes und dämonenfeindliches Kraut hatte unsere Pflanze im Mittelalter eine besondere Bedeutung im Aberglauben. Auf Bildern aus jener Zeit ist es als Symbol für die Abwehr böser Kräfte dargestellt. Die giftige Pflanze enthält nämlich Wirkstoffe, die schon im Mittelalter genutzt wurden. In seiner Landgüterverordnung von 812 empfiehl Karl der Große den Anbau dieser Heilpflanze. Hildegard von Bingen verordnete sie bei Menstruationsleiden. Später wendete man sie als Wurmmittel an. Hieronymus Bock schreibt dazu 1539 in seinem Kräuterbuch „der samen … ist ins  geruff kommen das er mit honig und wein eingedruncken die würm soll außtreiben den bauch schmertzen  stillen und den schweiß außtreiben“. Da der Wirkstoff Thujon innerlich und äußerlich angewendet nicht nur auf die Würmer stark reizend und fatal wirkte, hat die Pflanze keine Bedeutung mehr in der modernen Heilkunde.

Blattlaus

Ungenießbar ist die Pflanze auch für so manchen Pflanzenschädling.  Das macht man sich zunutze, indem man aus den getrockneten Pflanzen einen Sud herstellt. Diesen Sud versprüht man auf die zu schützende Pflanze. Sie wird dann von beißenden und saugenden Insekten gemieden.

Der Wirkstoff Thujon kommt auch in anderen Pflanzen vor, wie der Name schon andeutet, z.B. in der Thuja und im Wermut. Im 19.Jahrhundert wurde ein Thujon-haltiges alkoholisches Getränk, der Absinth, sehr beliebt bei Künstlern und Literaten wegen seiner scheinbar bewußtsein-erweiternden Wirkung. Diverse Trinkrituale wurden zelebriert. Es kam zu Zwischenfällen. Absinth wurde verboten, inzwischen aber wieder zugelassen, da die negativen Wirkungen dem exzessiven Alkoholgenuss und nicht dem Thujon zugeschrieben werden konnten.

Welche Pflanze suchen wir?

(Hans Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („blaues Wunder mit Zauberei und Chemie“: Garten-Hortensie, Hortensia macrophylla

Unser User @Kenia hatte den Rittersporn im Blick, der in der Tat ein kleines blaues Wunder aufführt, wenn er blüht. Und in der Tat: wie so viele Gartenpflanzen wird er leider – gerade zu diesen Schwül-warmen Zeiten – von einem „Schädling“ befallen: dem echten Mehltau. Das ist ein Schlauchbilz, der die ganze Pflanze mit einem an Mehl erinnernden weißen Überzug versieht, der schlimmstenfalls die Pflanze zum Absterben bringt, und zudem einfach hässlich ist. Man bekämpft ihn traditionell mit Kupferpräparaten, wie Kenia richtig bemerkte. Aber unser Zauberer aus der Pflanzenstory hatte weder den Rittersporn im Blick noch Kupferlösungen in seiner Zauberflasche.

Unser @Nhu Deng hatte dann den richtigen Riecher.: „Elfriede wollte eine blau blühende Hortensie und die werden schnell von Schmierläusen befallen. Angeblich sollen die Tierchen ein häufiges Bad mit Wasser, Schmierseife und Paraffinöl nicht mögen.“ So ist es. Wir suchten die Hortensie, und zwar genau die  Garten-Hortensie, Hydrangea macrophylla. Sie wird in Gärtnereien meistens als blau blühendes Exemplar im Topf angeboten, doch wenn sie in den Garten gepflanzt wird, blüh sie dan oft nur rosa. Woran das liegt ? Der Blütenfarbstoff der Hortensie ist das Delphinidin, eine Substanz der großen Familie der „Anthocyane“, die zum Beispiel auch für die Farbe von Rotkohl zuständig ist. Die meisten dieser Farbstoffe sind vom pH-Wert abhängig: alkalisch, also bei einem hohen pH-Wert, sind sie eher blau (oder grünlich), in saurem Medium schlagen sie in Rottöne um. Also: einfach den Boden alkalisch machen, und die Blume wird blau? Leider denkt die Blume nicht mal daran. Die meisten unserer Böden sind nämlich eher alkalisch bis neutral, da wird die Hortensie rosa. Und im Himalaya, wo die Vorfahren unseres blauen Gartenwunder her stammen, herrschen saure Böden vor. Und da blühen sie blau. Wie das denn jetzt?

Hier kommt unserer Zauberer mit seinem „Wunder-Kristall“ um die Ecke. Alaun (Kalium-Aluminium-Sulfat) , ein Salz, das man früher (und heute gelegentlch auch) z.B. als „Rasierstein“ benutzt. Nicht zum Rasieren, sondern danach, zum Blutstillen, falls man sich verletzt hat.
Die Wirkung kommt von der gerinnungsfördernden Wirkung der Aluminium-Ionen her. In der Pflanze findet das Aluminium seine Weg über die Wurzeln in die Blüte, wo es mit dem rosa Delphindin intensiv blaue Farbstoffkomplexe bildet. Eigentlich ist Aluminium in praktisch allen Böden vorhanden, aber nur, wenn die Böden sehr sauer sind, wird es im Boden löslich, und die Hortensie wird blau. Sonst nicht – es sei denn, man gießt mit berets gelöstem Aluminium: und das blaue Wunder ist da. Simsalabim, @Nhu Deng, ganz richtig.

Trotzdem lag auch Kenia mit senem rittersporn nicht ganz falsch: Der Farbstoff Delphinidin hat seinen Namen nicht etwa von Delphinen her, die sich im azurblauen Wasser tummeln. Sondern: von Delphinium, dem Rittersporn, der dieser Substanz ebenfalls seine schöne blaue Farbe verdankt.

Und hier noch ein Gärtnertip: das Blaufärben gelingt nur mit rosa blühenden Hortensien-Sorten. Ein bis zwei Essslöffel Alaun (Apotheke, Internet oder Gartenfachhandel „Hortensienblau“) in 10 Liter Gießwasser lösen, kurz vor Aufgehen der Blüten an die Pflanze gießen, und das alle 2-3 Wochen wiederholen.

Noch mehr „Pflanzen der Woche“ findet Ihr übrigens in unserem Archiv. Seit 2016, jede Woche ein Gewächs.

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