Gewürz für Blähboys und Blähgirls

11. November 2019 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Schon der Duft der gesuchten Würz- und Heilpflanze weckt Erinnerungen an den letzten Griechenland- oder Türkei-Urlaub. Dort gibt es zum Essen einen charakteristisch duftenden und schmeckenden Aperitif, hergestellt unter Verwendung des gesuchten Gewürzes. Die Früchte der gesuchten Pflanze dienten schon bei den Altägyptern als wohlriechendes Gewürz. Sie sind nur 3-5mm groß. Ursprünglich beheimatet im östlichen Mittelmeerraum und Vorderasien baut man die Pflanze großflächig in vielen Ländern an, wo sich lehmig-sandige, kalkhaltige, nährstoffreiche Böden befinden. Mit der zunehmenden Klimaveränderung könnte die Pflanze auch bei uns bald gute Überlebenschancen haben. Ihr Aussehen wird noch nicht vielen bekannt sein. Das Kraut wird bis zu 50 Zentimeter hoch, wird oben ästig und besitzt einen runden Stängel. Die Blüten sind weiß und haben sieben- bis fünfzehnstrahlige Blütendolden. Die Früchte sehen eiförmig aus, sind graugrün bis graubraun gefärbt und fein behaart. Sie schmecken süßlich und riechen charakteristisch. Die Pflanze ist einjährig, gehört zu den Doldengewächsen (Apiaceae) und blüht von Juli bis August.
Als Gewürz werden die Früchte gern vor allem in Brot und Backwaren verwendet. Hauptsächlich wird es jedoch Spirituosen und Likören beigemischt, wie etwa Rakı, Ouzo, Absinth oder Pastis . Die trinkt man grundsätzlich nicht pur, sondern mit Wasser verdünnt. Die klare Flüssigkeit opalisiert dabei, trübt sich milchig ein. Ursache des Effekts ist die schlechte Wasserlöslichkeit des darin enthaltenen ätherischen Öls Anethol. Das Verdünnen mit Wasser ist auch wegen des meist hohen Alkoholgehalts dieser Spirituosen angeraten.
Das Gewürz galt in vielen ländlichen Gebieten als Aphrodisiakum. Im Herbst, wenn man sich nach der Feldarbeit wieder häuslichen Pflichten zuwandte, bereiteten die Frauen und Mädchen ihren Männern aus dem Gewürz Getränke. Mangels Feldarbeit gibt es diesen Brauch leider kaum noch, die häuslichen Pflichten aber schon.
Zubereitungen aus diesen Früchten wirken schleimlösend in den Bronchien und fördern dessen Abtransport. Zudem wirkt die Heilpflanze leicht entkrampfend und kommt daher bei Verdauungsbeschwerden wie Blähungen und Völlegefühl zum Einsatz. Häufig wird sie mit Fenchel und Kümmel zu einem Arzneitee verarbeitet. Manche Menschen reagieren allerdings auf die Pflanze allergisch.
Die Pflanze wird auch in der Duftindustrie verwendet. Ausgrabungen auf Santorin ergaben, dass die Verwendung des Gewürz im 16. Jahrhundert v. Chr. allgemein üblich war, und die alten Kreter würzten ihre Weine damit. Schon im 7. Jahrhundert v. Chr. betrieben Athen und Korinth einen lebhaften Handel mit Duftölen. Für Pythagoras von Samos war damit gewürztes Brot eine köstliche Delikatesse. Bei den Römern veredelte man damit Kuchen und Kekse. Bei Ausgrabungen im römischen Kolosseum entdeckte man das gewürzte Gebäck, das die Zuschauer der Gladiatorenkämpfe zwischen den Sitzreihen verloren hatten.
Berichtet wird auch mit dem Gewürz verbundener Aberglaube: Gekauften Tauben gab man in Thüringen das Gewürz, um sie an den Schlag zu fesseln. In anderen Gegenden bestrichen Bauern ihren Taubenschlag mit dem Gewürzöl, um Tauben an den neuen Schlag zu gewöhnen.

(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: (Wenn die Welt aus den Fugen gerät – verloren im Ikea-Reich): Die gemeine Esche, Fraxinus excelsior.

Darstellung des Ratatöskr in einer mittelalterlichen Handschrift. Sieht ja eher wie ein verunglückter Fuchs aus 🙂

Knapp vorbei ist auch vorbei: User Rellah war wahrscheinlich irritiert von den „Schraubenflügelsamen“. Die kennzeichnen durchaus den Ahorn, aber die Esche hat auch welche. Wenngleich die nicht so schon segeln wie die Früchte des Ahorns. Aber sonst lag Rellah richtig: die Edda  ist die Dichtung, in der die Weltenesche „Yggdrasil“ beschrieben bzw. besungen wird. Von ihr gibt es zwei Versionen, beide sind in altisländischer Sprache verfasst. Die ältere ist die Snorra-Edda, niedergeschrieben um 1220 n. Ch. Und dann gibt es noch die „Lieder-Edda“, eine Sammlung von Liedern, die um 1270 niedergeschrieben wurden. Beide schildern die germanische Götterwelt. Dort kommt eine Weltenesche Yggdrasil vor, deren Wurzeln in die Unterwelt zum Reich der Zwerge, aber auch ins Totenreich „hel“ (unser Wort Hölle“ stammt daher) hinunterführen. Im „Erdgeschoss“ liegt Midgard, wo auch die Menschen wohnen, und der Wipfel des Baumes ragt in den Himmel, wo die Götter wohnen. An der Wurzel des Baumes wohnt jedoch noch ein böser Drache Namens Nydhögr, und in der Spitze der mächtige Adler. Beide liegen im Dauerzwist, es herrscht gewissermaßen kalter Krieg im Baum. Zwischen beiden vermittelt ein Eichhörnchen, das unentwegt den Baum hinauf- und wieder hinunterrennt, um zwischen den beiden Polen zu vermitteln. Richtig, Ratatöskr nennt sich das Eichhörnchen, @Rellah.

Danke an Agricola für die richtige Lösung und Schulze für den Hinweis auf die korrekte Schreibweise des Inbus-Schlüssel (Inbus, nach dem Hersteller „Innensechskantschraube Bauer und Schaurte“). Wieder was gelernt.

H.W.

 

 

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