Braune Kernenergie

5. Februar 2024 | Bild der Woche | 2 Kommentare

„Und eine neue Droge, die sie zu einem bitteren, dunkelbraunen Getränk verarbeiteten. Durch seinen Gehalt verschiedener Alkaloide, unter anderem dem Coffein, wirkte es vor allem anregend. Man stellte es aus verschiedenen Zutaten und Gewürzen her, der Hauptrezepturbestandteil war eine Art Kerne von Früchten jener Pflanze, die wir heute suchen.“
Heino kamen die Passagen irgendwie bekannt vor, die er schrieb. Natürlich. Hatte er doch erst letzte Woche verfasst. Copy&Past. Aber er fand die Passage trotzdem gut, warum nicht alte Texte neu recyclen. Aber passte das zur gesuchten Pflanze? „Na, i find scho“, fand sein Kumpel aus der alten Heimat, der ihm über die Schulter sah. Mit dem Pember-Toni hatte Heino seinerzeit in der lustigen Band „Die fröhlichen Alm-Dudler“ gespielt.  Bis es dann Marken-Ärger mit diesem östereichischen Brause-Hersteller gab. Nicht mit Red Bull, der andere war es.
„Schreibst halt den Text später weiter, lass ein Saufen gehen, schlug Heinos Gast vor. „Nee, komm, hilf mir noch was. Man könnte ja was zu Limos allgemein machen“.
Nach der gescheiterten Musiker-Karriere war der Pember-Toni nämlich nach Leipzig geraten, also ganz in Heinos Nähe. „Ja, die Limonadengeschichte. Eine klebrige Angelegenheit, man wird sie nicht los“. Toni hatte eine Stelle als zweiter Rasenmäher im Leipziger Stadion bekommen. Nicht gerade ein geiler Job, aber immerhin. „Und man kommt da auch viel rum“, pflegte er zu scherzen. „Wenn man bedenkt, was der Energy-Plörre-Erfinder für Kohle macht, und ich dankbar sein kann, fürs Rasenmähen gerade mal den Mindestlohn kriege.. Sauerei.“ Fand der Toni. „Dann erfinde doch selber sowas!“, meinte Heino.
„Rat mal, was das ist:“ Toni öffnete die geballte Faust, und auf den Tisch fielen fette, unregelmäßig geformte, braune Körner. „Da sind die geheimen Wirkstoffe drin“.„Haste mal einen Mörser?“
„Klar“:

Unter den Schlägen des Pistills brachen die harten Körner zu braunen Splittern, und irgendwann wurde ein braunes Pulver draus, was etwas muffig roch.  „Voll das Power-Pulver“, der Energy-Mix aus „C und Theobrumm“, jubelte der Pember-Toni. „Jetzt noch ordentlich Zucker dran, Wasser drauf, rein in den Mixer aufsprudeln mit dem Soda-Max..“

„Bäh“, fand Heino, als sie das Zeug probiert hatten. Da fehlt einiges. Säure zum Beispiel“
„Gib ma Zitronensäure“. „Hab ich nicht“.
„Dann gib ma her, wasn da in der Flasche ?“
“Finger weg, das ist Rostumwandler!“
„Tuts auch“, fand Toni. Tatsächlich kippte er einen guten Spritzer der Chemikalie in die Mischung und nahm einen guten Schluck, während Heino ziemlich die Inhaltsangaben auf der Flasche las. Immerhin: ein Totenkopf war nicht drauf. Und der Pember-Toni hatte einen robusten Magen.

Jetzt schmeckte das Zeug nicht mehr wie kalter Kaffee, aber irgendwie fehlte Aroma. „Du kannst ja Elfriedes Kölnisch Wasser reintun“, scherzte Heino. Und: gesagt, getan.  Tatsächlich landeten ein paar Tropfen der Geheimformel 4711 in dem braunen Gebräu. Zaghaft versuchte Heino jetzt das komische  Zeug: „Geil! gar nicht so schlecht, für den Anfang“. Erfrischt und törnt an – ein Schluck wie eine Tasse Kaffee.

Unseren Lesern sei geraten: Don´t do it at home. Nicht nachmachen. Holt Euch die braune Kernenergie lieber im Getränkemarkt, denn da gibt es das schon lange. Man kann es sogar als Rostumwandler benutzen. Ehrlich jetzt.

Und hier sind unsere Fragen:

Was waren das für braune, harte Kerne, von welcher Pflanze stammen die?
Wer ist denn dieser Pember-Toni?
Gibt es eigentlich ein Rezept, oder ist das alles streng geheim?
War das eigentlich eine Schnaps-Idee, oder ist die Zutat von „4711“ doch nicht ganz abwegig?
Und warum ausgerechnet „Rostumwandler“ in dem Getränk? Ist das überhaupt erlaubt?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche:  „Braune Götterspeise“: Theobroma cacao, der Kakaubaum

Unser Leser Rugby lag mit der Beantwortung unserer Fragen ganz richtig. Wir suchten den Kakaobaum. Theobroma cacao. „Theobroma“ bedeutet dabei „Speise der Götter, Götterspeise“. Der Baum gehört in der Gattung Theobroma in die Familie der Malvengewächse. Er wächst nur im so genannten Kakaogürtel unter tropischem Klima. Die gestielten fünfzähligen Blüten stehen in Büscheln an den Ästen des Baumes und auch direkt am Stamm (Kauliflorie und Ramiflorie).

Was ist an wirksamen Bestandteilen noch drin ? Richtig; Rugby: Neben dem schon genannten Coffein noch Theobromin mit ähnlicher Wirkung. „Glücklich“ macht Kakao und Schokalade allerdings  nicht direkt durch die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin, sondern durch die enthaltene Aminosäure Tryptophan. Diese wird vom Körper dann zum „Glücksbotenstoff“ Serotonin  verstoffwechselt.

„Xocoatl“ heißt in der Nuhuatl-Sprache das zubereitete Kakao-Getränk.“Xoco” bedeutet “bitter” und “Atl” heißt “Wasser”. Eine passende Bezeichnung, denn süß wie heutige Schokolade oder Kakao mit Milch war das Getränk keinesfalls.

Erst mit der Conche (ja, richtig, Rugby) konnte Schokolade in unserem heutigen Sinne hergestellt werden. Es war nämlich anfangs schwierig, den stark fettigen Kakao (die Bohnen enthalten etwa 50% Fett, die so genannte Kakaobutter) nicht nur fein zu zermalen, sondern ihn mit dem Zucker innig zu dispergieren. Aufgrund geringer Wassergehalte kristallisiert der zerkleinerte Zucker immer wieder, so wird die Schokolade dann knirschig und brüchig. Die Conchiermaschine war eine Erfindung des Schweizer Schokoladenherstellers Rudolph Lindt. Es war eine große, muschelförmige Steinerne Schale, in der heiße Schokoladenmasse zwischen einer hin-und her laufenden Steinwalze tagelang hin und her bewegt wurde. Dabei verdampfte das restliche Wasser, und die Mischung wurde zwischen den Reibsteinen fein homogenisiert.

Kakaobutter ist übrigens eines der teuersten Pflanzenfette und dabei sowas von für den Arsch: Die Grundmasse medizinischer Zäpfchen ist Kakaobutter.

Aber wieso eigentlich die teuren Kakaobohnen? Kann man da nicht was anderes nehmen, aus billigen Fetten und z.B. gerösteten Bohnen? Klar, das geht im Prinzip. So ein Schokoladen-Surrogat war zu DDR-Zeiten die „Schlager-Süßtafel“. Sie enthielt nur noch Spuren von Kakao (7%, ganz ohne ging nicht), dafür aber Erdnüsse, Hartfettr, Molke und Zucker. Nach der Wende wurde der Kakaogehalt dann wieder auf  32 % eerhöht. Damit war es schon wieder eine echte Schokolade, aber der Surrogat-Ersatz scheint nur bei eingefleischten Ostalgikern zu ziehen. Im Online-Versand kostet eine 100g-Tafel stolze 169 €.

Alle seit 2016 vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr hier im Archiv

 

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