Braune Götterspeise

29. Januar 2024 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Bleiben wir noch etwas im Land der Avocados und Azteken. Als die Spanier hier auf die Hochkultur der Azteken und die für sie vollkommen fremdartige Nahatl -Sprachen stießen, staunten sie nicht schlecht. Nicht nur, dass sie ziemlich unerwartete Erfahrung mit der Widerstandskraft der kampferfahrenen aztekischen Krieger machen mussten – sie wunderten sich auch über die merkwürdigen Pflanzen, die Bauern dort anbauten. All dies kam den Spaniern spanisch vor: Pflanzen, die sie nicht kannten und heute in aller Munde sind: Mais, Bohnen, Kürbis, Amaranth, Chia und Agaven. Und eine neue Droge, die die Azteken sie zu einem bitteren, dunkelbraunen Getränk verarbeiteten. Durch seinem Gehalt verschiedener Alkaloide, unter anderem dem Coffein, wirkte es vor allem anregend. Man stellte es aus verschiedenen Zutaten und Gewürzen her, der Hauptrezepturbestandteil waren Kerne von Früchten jener Pflanze, die wir heute suchen. Um sie zu gewinnen, mussten die Früchte zunächst fermentiert („vergoren“) werden, dann löste man die Kerne aus dem matschigen Fruchtfleisch heraus, ließ sie in der Sonne trocknen, und dann wurden sie geröstet. Das Getränk wurde als ein Geschenk des Gottes „leuchtende Schwanzfederschlange“ angesehen und war heilig. Aber man verwendete die Droge auch als Zahlungsmittel, so ähnlich wie die „Zigarettenwährung“ in Deutschland der Nachkriegszeit. Das Zeug musste den Spaniern ziemlich gefallen haben, und so verbreitete sich die Droge dann auch bald über Europa und die ganze Welt. Den Europäern sagte aber die ursprüngliche, eher pikante Zubereitungsart des Aztekengebräus nicht. Sie versetzten es mit Zucker und genossen es mit Wasser und Milch. Später kam noch eine ganz neue Zubereitungsart hinzu: in fester Form. Dazu mussten die Kerne  aber besonders fein gemahlen werden und mit Zucker zwischen Steinwalzen fein verrieben und homogenisiert werden. In der Form ist es heute in aller Munde.  Auch in dem Wiener Cafehaus, wo jetzt gerade Heino und Elfriede und diese typische Wienertorte essen.  Die Dienstreise  nach Wien hatte ihnen ihr Chef spendiert, sie sollten sich das berühmte Palmenhaus im Park von Schönbrunn ansehen. 1882 fertiggestellt, war es damals das größte Glashaus der Welt. Natürlich sollten die beiden im Gewächshaus auch ein paar Pflanzen „mitnehmen“, fotografisch natürlich nur. Als sie die Tür zur frostklirrenden Außenwelt hinter sich geschlossen hatten, fanden sie sich im feuchtwarmen, tropischen Teil des Glaspalastes wieder. Sofort war Heinos dicke Brille beschlagen, und er sah erst mal gar nichts mehr.  Aber da stand auch tatsächlich dieser aztekische Drogenbaum. Die saftigen Früchte , die direkt am Stamm wuchsen, hingen zu hoch, dass man davon eine Nahaufnahme hätte machen können. Dummerweise war auch Heinos Kameralinse beschlagen, was er nicht sofort bemerkte. Deshalb ist das Bild von unserer Pflanze der Woche, von der dort ein stattliches, mehrere Meter hohes Exemplar steht, etwas unscharf geworden. Schade eigentlich, aber Ihr wisst sowieso, um welche Pflanze es sich handelt.

Und das sind die Fragen:

Um welche Pflanze handelt es sich ?

Was ist an wirksamen Bestandteilen noch drin ?

Ein Produkt, dessen Name sich aus der Nuhuatl-Sprache herleitet, wird auch in Halle hergestellt. Die Fabrik nennt sich nach einer einheimischen Bevölkerungsgruppe. Wie heißt das Produkt, und von welchem Nuhatl-Wort stammt es ab?

Die Qualität  des Produktes wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Erfindung einer Maschine entscheidend verbessert. Welche? 

In der DDR war es schwierig, an die Rohmaterialien heran zu kommen.  Aber man war erfinderisch. Und so wurde ein rechteckiges Ersatzprodukt hergestellt, in wahrstem Sinne ein Schlager.
Wie nannte sich das?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Anwalts Liebling verliert vor Gericht): Die Avocado, Persea gratissima, P. americana.

Rugby hatte die Fragen nach dem grünen Eierlikör schnell beantwortet:

Die Frucht welcher Pflanze hat Heino verwendet, um den „veganen“ „Eierlikör herzustellen?
Aus der Avocado (Persea gratissima, Persea Americana)

Aus welcher Sprache stammt die Bezeichnung der Frucht ?
aus Nahuatl „ahuaquatl“, klingt ähnlich dem Spanischen „abogado“ = Advokat

Es ist nicht ganz verkehrt, hier von einer „Eierfrucht“ zu sprechen. Wessen Eier könnten es sein?

Das Nahuatl-Wort bedeutet auch „Hoden“, umgangssprachlich auch als „Eier“ bezeichnet. Der Größe der Frucht nach zu urteilen geht es eher um die Testikel größerer Herbivoren.

Wenn ein Gemüseladen Hass-erfüllt ist, muss das schlimm sein?
Es gibt eine Avocado-Sorte namens „Hass“ nach dem Amerikaner Rudolph Hass, der den Sämling in seinem Garten entdeckte.

Der pikante Dip, den Elfriede eigentlich machen wollte, heißt wie?
Guacamole

Leider wird der schnell braun (was aber am Geschmack nichts ändert). Wie kann man das verhindern?
Zugabe von Zitronensaft

Umweltschützern ist die Frucht, trotz der leckeren veganen Gerichte, ein Dorn im Auge. Warum?
Die Aufzucht der Pflanze erfordert größer Mengen von Wasser, vor allem im Vergleich zu anderen Früchten bezogen auf den Ertrag. Es ist allerdings ziemlich anmaßend von „Umweltschützern“, den Bauern die Verwendung ihrer Wasserressourcen vorschreiben zu wollen.

Soweit, so richtig.

Gustav Hempeläußert sich 1861 in seinem Werk „Der Erdball und seine Naturwunder“ eher skeptisch über die Avocado:

„[]Ganz ebenso behandelt und zubereitet muß auch die Abacate (von den Brasilianern Fructo do Conde genannt) werden, eine Frucht von Form und Größe einer gut ausgewachsenen Tafel- oder Kochbirne. Das Fleisch ist lockerer als bei der Mango, die Frucht wird deshalb nicht geschält, sondern quer durchschnitten, der Stein, von der Größe einer Wallnuß, entfernt und nun das Fleisch aus der Schale geschabt, mit Citronensaft und Zucker, auch wohl mit Arak, Rum, Liqueur oder mit feurigem Madeira benezt und dann erst genossen. Kann man dieses ein Obst nennen? Gehört dann eine Gurke oder ein Kürbis nicht auch zum Obst? Daß man dergleichen Stoffe sehr wohlschmeckend zubereiten könne, ist keine Frage; selbst reines Wasser mit Zucker, Citrone und Wein wird zu etwas sehr Wohlschmeckendem. Unsere eingemachten Früchte, welche alle als unreif und gänzlich ungenießbar abgenommen und dann in Zucker eingekocht werden: so die noch ganz harten grünen Pflaumen, die welschen Nüsse, bei denen durch die Behandlung selbst die harte hölzerne Schale zu einem Leckerbissen wird, so die Quitten, welche, herb und sauer, den Mund schmerzhaft zusammenziehen und doch, mit Zucker eingekocht, eine lieblich schmeckende und duftende Confitüre geben. Ist denn aber ein Land beneidenswerth, das nur solche Früchte trägt-nur Früchte, welche durch besonders künstliche Bereitung, durch allerlei Zusätze von, an sich wohlschmeckenden Substanzen genossen werden können? Die Quitte ist sogar in ihrer Heimath, in Persien und Kleinasien, nicht zu essen“.

So, und jetzt zum versprochenen veganen, grünen Eierlikörchen, dem Original-Abacate oder Advocaat, ohne Ei:

Die Ureinwohner bereiteten aus der Avocado und einigen Gewürzen, Honig ein cremiges Erfrischungsgetränk zu, das die Niederländer 1630 bis 1654 in Niederländisch Brasilien kennenlernten. Die Ureinwohner nannten das Getränk „Abacate“. Die Westeuropäer „verfeinerten“ das Getränk mit Rum und Rohrzucker und etwas Zitrone, und schipperten die süßliche, berauschende Plörre über die Weltmeere. Wohl im Zuge einer Verballhornung entstand aus Abacate dann Advocaat (niederländisch: Anwalt). Frische Avocados waren in Holland, wo sich das Getränk zunehmender Beliebtheit erfreute, nicht zu bekommen. Der aus Antwerpen stammende Destillateur Eugen Verpoorten fand dann den Ersatzstoff: ordinäres Eigelb. Er gründete 1876  in Heinsberg (bei Aachen) neben dem adligen Damenstift, die „Liqeur-Fabrik & Colonialwaaren von H. Verpoorten“, wo er erstmals kommerziell Eierlikör herstellte. Man kann sich vorstellen, wie freudig die feinen frommen Stiftsdamen dem süffigen Getränk zugesprochen haben. Bis heute. Der Ur-ur…- Enkel, William Verpoorten, Inhaber der heute in Bonn ansässigen Eierlikör-Fabrik, zum Handelsblatt: „Immer noch kauft zu 80 Prozent die Frau ein, der Mann trägt lieber den schweren Kasten Bier oder den Doppelkorn zur Kasse. Wenn der Likör dann zu Hause ist, trinkt der Mann aber fast die Hälfte mit“.  Bekennender Eierlikör-Fan ist aber auch Udo Lindenberg.

Jetzt aber zum Rezept für den Ur-Advocaat „Grüner Heino“:

-Fruchtfleisch aus 2 großen, reifen, aber nicht überreifen Avocados
-150 Gramm Zucker
-Saft einer kleinen Zitrone
-250 ml Überee-Rum 54%ig
-1 Päckchen Vanillinzucker
-1 Msp. Zimt
-100 ml Wasser
– Evtl (wer mag):Ein kleines Stück grüner, scharfer Chili

Alles im Mixer oder mit Zauberstab passieren, auf Flasche ziehen, im Kühlschrank aufbewahren.

Prösterchen !

Alle seit 2016 vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr hier im Archiv

Print Friendly, PDF & Email
Ein Kommentar

Kommentar schreiben