Bier un´n Appelkorn

4. Dezember 2023 | Bild der Woche | 5 Kommentare

Au weia. Heino hatte wieder seinen musikalischen Anfall, und die Redaktionsetage musste das über sich ergehen lassen. Gut, dass Elfriede in Urlaub war – ihr wäre das garantiert peinlich gewesen, wie Heino wieder Schlager grölte. Es muss wohl die närrische Saison gewesen sein, die ihn inspirierte, pausenlos „Bier und n Appelkorn, Schalalalala“ zu brüllen. Gewiss, ein Karnevalsschlager, der aber nun mal nicht hier in die Gegend passte. Irgendwann wurde es den Kollegen zu bunt, und Kollege Franz Lavallee hämmerte an Heinos Tür, der widerwillig öffnete. Was denn die blöde Singerei soll, brüllte er Heino an, und der saß am Rechner vor dem Bild der nächsten „Pflanze der Woche“. „Apfelkorn“ kicherte Heino und zeigte auf den Baum. Pruust! In Heinos Zimmer roch es zudem deutlich nach vergorenem und Äpfeln, der Herr Kollege war sichtlich angeheitert.
Kurzum: damit kein Aufsehen entstand, geleiteten die Kollegen Heino heimlich aus dem Haus, bevor es der Chef merkte. Nun saßen sie aber vor Heinos Rechner, und mussten die Pflanze der Woche fertig machen. Aber sie wussten nicht wie und was. Das Bild hatte keinen vernünftigen Dateinamen. Man sah diesen Baum mit unzähligen, roten Früchten, etwas wie Weißdorn, aber die Früchte waren groß, mindestens wie Kirschen.

„So richtig viel kann man da nicht erkennen“, fand Franz. „Doch, well, den Background erkenne ich“, stellte Mr. Hawthorn fest. „Das ist das Krankenhaus im Mühlwegviertel. Man könnte hinfahren und sich den Baum ansehen“.
Gute Idee, befand Franz, und so fanden sie sich einige Zeit später am ehrwürdigen Ziegelgemäuer des alten Krankenhauses wieder. Und in der Tat: hier standen sogar mehrere dieser Bäume. Es hatte mittlerweile sogar geschneit, es war frostig kalt. Die Früchte hingen noch in großer Zahl zwischen den nunmehr gelb gewordenen Blättern.
„Ich denke, wir wissen, was es ist“, befand Mr. Hawthorn. Er pflückte einen dieser Roten Früchte, und bis hinein. „Äpfel sind es nicht, als er den einzelnen Kern ausspuckte, der sich im Inneren befand. „Und schmecken tut es auch nicht besonderes“. „Aber warum war Heino so gut aufgelegt?“„
“Irgendwas hat ihn inspiriert, und an Apfelkorn denken lassen“, folgerte Franz.
Nun hoffen wir mal, dass Heinos Kollegen die richtige Lösung gefunden haben, und dass Heino seinen Apfelkorn-Anfall gut übersteht (sowas passiert ja auch nur ganz selten mal).

Unsere lieben Leser haben sicher schon die Antwort parat:
Wenn man den deutschen Namen kennt, weiß man auch, was das mit dem Kultgetränk der 80er Jahre zu tun hat. Es ist eher phonetischer Natur. Wie heißt die Pflanze?
Wo kommt sie ursprünglich her?
Warum steht sie in Halle als Straßen-und Parkbaum herum?
Muss man Angst haben, dass Mr. Hawthorn sich eine Vergiftung zugezogen hat?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Palimpalim am Straßenrand): Ackerglockenblume, Campanula rapunculoides

Campanula rapunculoides, Acker-Glockenblume an einer Stützmauer am Schleifweg

Elfriede lag schon mal richtig, was den Ort betrifft, an dem wir die Pflanze der Woche gefunden haben: sie stand an einer Böschungsmauer am Schleifweg, einer schmalen Gasse, die von der Burgstraße hinauf zur großen Gosenstraße führt. Rechts davon liegt der Volkspark, und links unten die Villa Lehmann. Und richtig ist auch, dass es sich um eine Glockenblume handelt, also zur Gattung Campanula gehört. Campana ist lateinisch und bedeutet „Glocke“, Campanula ist die Verkleinerungsform, also ein Glöckchen. Klingeling. Der Rote Turm ist ein Campanile, also ein Glockenturm. Eine „Kampagne“ ist auch nur ein großes Geklingel, möchte man meinen, aber dieses Wort stammt von „Campus“ ab, dem Wort für das offene Feld (Kampagne ist die Zeit intensiver Feldarbeit, kennt man z.B. von der Zuckerrübenkampagne). Dort findet man nämlich die Ackerglockenblume, wie sie NhuDeng richtig identifizierte. Sie ist in Mitteleuropa heimisch, gilt als Beispiel eines so genannten „Apophyten“. Das sind Pflanzen, die dem Menschen aus ihrem ursprünglichen Naturraum folgte, als dieser durch Rodung der Wälder für sie günstigere Standorte schuf, also offene Felder. Die Ackerglockenblume liebt halbschattige bis lichte Standorte. Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, vor der jungsteinzeitlichen Besiedlung vor etwa 7000 Jahren hätten in unserer Gegend dichte Wälder vorgelegen, erst der Mensch habe helle Standorte geschaffen. Hat unsere Glockenblume vorher also im Schatten gelebt? Die Vorstellung, ohne den Menschen gäbe/gab es nur undurchdringliche, dichte Wälder (die auch der Theorie einer „potentiellen natürlcichen Vegetation“ zugrunde liegt) wird zuweilen angezweifelt. So besagt die „Megaherbivorenthese“, auch ohne den Menschen hätten große Pflanzenfresser (z.B. Auerochsen) durch Beweidung eher parkähnliche Baum-Graslandschaften geschaffen.

Campanula rapunculoides, Flora Batava of Afbeelding en Beschrijving van Nederlandsche Gewassen, XV. Deel. (1877)

Apropos Pflanzenfresser: Die Ackerglockenblume kann man essen, sowohl die Wurzel als auch die Blätter. Sie wurde früher deshalb sogar als Gemüsepflanze angebaut, wie die ihr ähnliche Rapunzel-Glockenblume. Der olle Linne gab ihr deshalb den Namen “Campanula rapunculoides“, also Rapunzel-ähnliche Glockenblume.

Alle anderen Pflanzen der Woche, seit 2016, findet Ihr hier im Archiv

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