Umweltfreundliches Feuerwerk – gibt es das überhaupt?

31. Dezember 2022 | Umwelt + Verkehr | Keine Kommentare

Seit vor zwei Tagen die Supermärkte und Ramschläden wieder  Feuerwerk verkaufen dürfen, gibt es kein Halten mehr: Energiepreiserhöhung, Inflation und allgemeine Teuerung scheinen vergessen – zumindest für die, die bereits kurz vor Ladenschluss vor den Markteingängen warteten und sich eine gierige Schlacht um Batterien, Böller und Raketen leisten. Wenn sie sich nicht schon vorher mit gefährlichem, illegalen Material auf dem vorwiegend osteuropäischen Markt eingedeckt hatten. Seit Stunden sind die tiefen Kanonenschläge im gesamten Stadtgebiet zu hören, ausgelöst von Material, das mit erheblicher Sprengkraft in Form hierzulande verbotener Blitzknallsätzen die Wohngebiete erschüttert. Soziale Unterschiede sind kaum auszumachen – die Geräuschkulisse unterscheidet sich im Paulusviertel kaum Wesentlich von der in Silberhöhe oder Halle-Neustadt.

Reden wir aber nicht von diesem – wegen seiner enormen Sprengkraft und der damit verbundenen Verletzungsgefahr zu  recht verbotenem Material.

Vielmehr geht es um das „ganz normale“ Feuerwerk, versehen mit CE-Zeichen und BAM-Siegel (das kommt nicht daher, dass die Dinger „Bamm“ machen, sondern steht für „Bundesanstalt für Materialprüfung“). Nicht nur aus Kostengründen, sondern auch aus Gründen von Umwelt und Naturschutz steht die Böllerei bei einer offenbar zunehmenden Zahl von Bürgern in Verruf. Die Spielerei mit Sprengstoff scheint die Gesellschaft ähnlich zu spalten wie einst Corona, Erdgas und Einwanderung.

Während die einen nicht müde werden, die Knallerei wegen tatsächlicher oder angeblicher Umweltgefahren zu verteufeln, argumentieren die Andren mit Stichworten wie „Spaß“, „so gefährlich ist es nicht“ und „Verbotsgesellschaft“. Die Deutsche Umwelthilfe führt erhöhten „Feinstaubwerte“ ins Feld, andere sprechen von Kohlendioxidbelastung, Geldverbrennung und überlasteten Krankenhäusern in Folge abgetrennter Gliedmaßen.

Ein wesentlicher Punkt ist auch der Tierschutz: nicht nur Wildtiere werden durch das Dauerfeuer in Panik versetzt, viele Hunde- und Katzenbesitzer wissen ein Lied davon zu singen, wie verstört ihre Verbeiner noch Tage nach Silvester auf die Knallerei reagieren.

Gibt es umweltfreundlicheres „Feuerwerk“ ?

„Ja, das gibt es“ behauptet die Firma Nico, ein deutsches pyrotechnisches Traditionsunternehmen.  Sie schiebt mit ihrer „Green Line“ ein nach eigenen Worten „nachhaltigeres“ und „umweltfreundlicheres“ Sortiment über die Discounter zwischen die Fronten aus von Umweltschützern und „Koste-was-es-wolle-Pyrofans“.
Die positiven Eigenschaften sind bewusst im Komparativ gewählt – sicher auch, um Wettbewerbshütern von vorneherein den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Eine Marktlücke, möglicherweise ein  erfolgreicher Trend? Den Zugriffszahlen bei den Diskounter zu Folge noch nicht so ganz. Die Artikel blieben ähnlich lange liegen wie Dinkelpasta in der Nudelkrise vor dem Corona-Lockdown.

Doch es lohnt sich, die Argumentationslinie der Firma Nico etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

CO2-Neutralität?

Praktisch alle konventionellen Feuerwerksartikel verwenden als Spreng- und Treibmittel traditionelle Schwarzpulvermischungen. Sie bestehen aus Kaliumnitrat („Salpeter“), Schwefel und Kohle. Dabei verbrennt der Sauerstoff aus dem Salpeter die Kohle zu Kohlendioxid und den Schwefel zu Schwefeldioxid. Beides Gase, die sowohl umweltgefährdend sind und das Kohlendioxid als Klimaschädigend gilt. Der Salpeter hingegen löst sich im Idealfall „in Luft auf“ (als Stickstoff, was nur bedingt stimmt) und relativ unschädlichen Kaliumsalzen, die zwar dem Feinstaub zu zu rechen sind, aber aufgrund ihrer Wasserlöslichkeit eine geringere Gefahr darstellen. Allerdings: Sämtliche Kohle, die in den Raketen verbrannt wird – und sie ist der eigentliche Energieträger, während der Anteil von Schwefel gering ist – ist ein nachwachsender Rohstoff. und zwar handelt es sich nahezu ausschließlich, wie seit dem Mittelalter schon, um Holzkohle. Ist also das Abbrennen von mehreren Batterien mit einer Explosivmasse von mehreren Kilogramm nur so nachhaltig wie ein sommerliches Grillfeuer aus heimischem Holz?

Wohl kaum. Denn die Hauptmasse des Treibstoffs ist der Salpeter. Sein Nitratanteil wird relativ energieaufwändig hergestellt, in der Regel über die Nutzung von Erdgas, auf ganz ähnlichem Wege wie die synthetischen Stickstoffdünger, deren Preise in Folge der Gasknappheit ähnlich hochgegangen und explodiert sind wie eine Rakete.  Und in deren Folge auch die Lebensmittelpreise. Auch die Gewinnung von Schwefel erfolgt in der Regel als Nebenprodukt bei der Aufbereitung fossiler Brennstoffe.

Auch die Firma Nico weiß das, und spricht – ähnlich wie Fluggesellschaften – von einer CO2-Kompensation, Möglicherweise über irgendwelche dieser Aufholzungsprogramme in fernen Ländern, deren Effektivität der Verbraucher ohnehin kaum überprüfen kann. Ohnehin: nicht das Schwarzpulver an sich hat den Hauptanteil an der CO2-Bilanz eines konventionellen Feuerwerkskörpers. Den größten Gewichtsanteil nimmt hier die Verdämmung des Treibsatzes und Umverpackung ein. Diese bestehen einerseits  bei den meisten handelsüblichen Knallern aus lagenweise verklebtem Altpapier, die Umverpackung aus recycleten Altpapier mit farbig bedrucktem Hockglanzpapier.

Wellpappenoptik auf Glanzpapier gedruckt

Dies ist auch bei der „Nico Green-Line“ so, allerdings tritt die Altpapierästhetik gestalterisch stärker in den Vordergrund. Die Umverpackung ist, wie die der Konkurrenz, auf stark glänzendem Papier gedruckt, allerdings in verhalteneren Farben, bei denen Grün im Vordergrund steht. Peinlich: die auf Glanzpapier als Hintergrund gedruckte „Wellpappen-Optik“.

Greendesigning: auf Wellpappenoptik getrimmtes Glanzpapier als Verpackung

Transportwege: „Made in China“

Und dann gibt es da die Transportwege und ihr ökologischer Fußabdruck. Was steht auf der  Batterie, wenn man sie aus der hochglanzbedruckten Kartonverpackung heraus nimmt? Wir haben es befürchtet: „Hergestellt in China“. Auch hier kaum ein Unterschied zu den meisten Billigprodukten der Konkurrenz.

Was die CO2-Bilanz betrifft, so bleiben doch Zweifel zurück.

„Weniger Plastik“

Immerhin: die Spitze besteht nicht aus Plastik, das Jahre lang unverwittert in der Natur zurück bleibt

Womit wirbt Nico noch: man verwendet kein Plastik. Das ist tatsächlich z, die Raketenspitzen und Schutzhülsen sind nicht mehr aus buntem Hartplastik gemach wie die Produkte der Konkurrenz. Das gibt immerhin einen kleinen Punkt. Wenn man großzügig sein will.

„Weniger Lärm“: Nico-Raketen sind tatsächlich nicht gerade der ganz große Kracher.

Wir haben eine der „weniger lauten Raketen“ gezündet.  Immerhin. Das Produkt fliegt ab, wie die Konkurrenz, es zischt genau so, aber der Knall der Zerlegerladung, mit der die bunten Leuchtkugeln am Himmel verteilt werden, erscheint tatsächlich ein klein wenig leiser. Dafür fliegen die bunten Leuchtkugeln nicht so weit vom Explosionszentrum weg, die „Blume“ entfaltet sich etwas weniger. Damit kann man leben. Immerhin, das könnte noch einen halben Punkt bringen. Ob unsere Haustiere den Unterscheid bemerken werden?

Ob es sich hier wirklich um einen überzeugenden Trend oder lediglich relativ gekonntes „Greenwashing“ handelt, bleibt abzuwarten. Vielleicht im nächsten Jahr. Wenn die Knallerei dann noch erlaubt ist.

 

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