Sachsen-Anhalt grundsätzlich zur Aufnahme von Moria-Flüchtlingen bereit

11. September 2020 | Politik, Soziales, Vermischtes | 4 Kommentare

 

Der verheerende Großbrand auf der griechischen Insel Lesbos, der das gesamte Flüchtlingslager Moria in der Nacht auf Mittwoch zerstörte, sorgt auch heute wieder für heftige politische Diskussionen in ganz Europa. Das Lager war mit seinen knapp 13 000 Bewohnern das größte Flüchtlingslager des Kontinents und beherbergte zwischenzeitlich gar um die 20 000 Menschen, obwohl es ursprünglich nur für 2 800 Personen ausgerichtet worden war.

Bereits seit Jahren war immer wieder auf die katastrophalen Verhältnisse im Lager hingewiesen worden. So verbreiteten sich Krankheiten wie Krätze oder zuletzt Corona rasant, da es den Menschen vor Ort nicht möglich war, sich zu schützen, weil sie jahrelang in Zelten und Hütten aus Plastikplanen dicht zusammengedrängt leben müssen. Außerdem gab es „nur eine Toilette für jeweils 167 Personen, nur eine Dusche für mehr als 200 Personen und nur einen Wasserhahn für 1300 Personen.“, berichtet ein Arzt von Ärzte ohne Grenzen.

Zu diesen furchtbaren Zuständen kam jedoch auch die Gleichgültigkeit Europas, die den Menschen im Lager gegenüber für immer mehr Unmut sorgte. So ließ Griechenland die aus den Kriegsgebieten flüchtenden Menschen zum Teil auf Booten zurück auf das offene Meer schicken, während der Rest Europas schweigend zusah und sich weiter auf „Türsteher-Verträgen“ mit der Türkei ausruhte.

Jetzt ist die Katastrophe, die sich so lange schon abzeichnete, tatsächlich eingetreten. Nach Jahren des Ausharrens, der Hoffnungslosigkeit und regelwidrigen Behandlung soll unter einigen Lagerbewohnern ein Streit entbrannt sein, in dem es um die Nichtbeachtung der Corona-Quarantäne-Maßnahmen ging in dessen Folge ein erstes Feuer im Lager ausbrach.

Viele Menschen, denen es im sicheren Europa gut geht, sehen deshalb die Schuld bei den Geflüchteten selbst, nennen sie jetzt gar Brandstifter und Kriminelle. Wie aber kann von Menschen, die teilweise über Jahre hinweg vernachlässigt, ignoriert und regelwidrig behandelt worden sind, gleichzeitig verlangt werden, dass sie sich regelkonform verhalten? – Und dass, während diejenigen, die jetzt aufschreien und die Probleme bei den Geflüchteten selbst suchen, auch diejenigen sind, die die jahrelange menschenunwürdige Behandlung teilnahmslos mitgetragen haben.

Europa hat in Kauf genommen, dass Moria komplett überbelegt war. Dass die sanitären Einrichtungen nicht reichten. Dass dort im Dreck gelebt wurde. Dass sich Banden gebildet haben, die nachts Einwohner terrorisierten. Dass dort durch nichts zu rechtfertigende Zustände herrschten. Dann kam noch das Coronavirus, und man hat das Lager abgeriegelt. Was hat man denn erwartet? Dass die Menschen sich reihum anstecken lassen und dann mangels medizinischer Versorgung allmählich eingehen? Hat man wirklich gedacht, dass nie jemand die Nerven verliert? – Wo doch in Europa die Menschen schon an die Decke gehen, wenn sie beim täglichen Supermarktbesuch eine textile Barriere über Mund und Nase ziehen sollen … Zynismus wie er leibt und lebt!

Wie reagiert die Politik?

Während nunmehr tausende Kinder, Frauen und Männer ohne Bleibe dastehen, ist eine schnelle europäische Lösung der Situation nicht in Sicht. So haben Österreich und die Niederlande bereits bekanntgegeben, keine Flüchtlinge aus Moria ins Land aufnehmen zu wollen. Derweil demonstrieren in Deutschland tausende Menschen unter dem Motto „Wir haben Platz“ eben für eine solche schnelle Aufnahme aus humanitären Gründen.

Auch in Sachsen-Anhalts hat sich Ministerpräsident Haseloff offen für eine solche gezeigt. Dennoch pocht auch er, ähnlich wie Deutschlands Innenminister Horst Seehofer, auf eine gesamteuropäische Lösung: „Die Europäische Union und der Bund müssen zeitnah eine gemeinsame Lösung finden. Sachsen-Anhalt wird auf dieser Grundlage seine daraus resultierenden humanitären Verpflichtungen erfüllen und sich solidarisch zeigen.“

Viele Kommunen und Städte haben derweil ebenfalls ihre Bereitschaft kundgetan, Menschen aus Moria schnellstmöglich eine neue Bleibe im Land bieten zu wollen und zu können. Dennoch bleibt das Thema politischer Zündstoff und wird wohl auch in den nächsten Tagen, wenn nicht gar Wochen, die Gemüter anheizen.

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