Keniasten bei Bildung uneinig

8. Mai 2017 | Bildung und Wissenschaft | 4 Kommentare

Unterrichtsausfall und Lehrermangel ist trauriger Alltag unseren Schulen. Dagegen hat sich jetzt eine Volksinitiative für mehr Personal an Schulen gegründet. Zum Bündnis gehören der Grundschulverband, der Verband Sonderpädagogik, die Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik, der Deutsche Sportlehrerverband, der Landeselternrat, der Verband Bildung und Erziehung, der Sekundarschullehrerverband, der DGB, die Partei die LINKE, Studierende, Vertreter*innen der Wissenschaft und die GEW. Die Forderungen lauten: Zusätzliche 1.000 Lehrkräfte sowie 400 pädagogische Mitarbeiter*innen. Damit sich der Landtag mit dieser Forderung auseinandersetzt, will das Bündnis in den nächsten Wochen und Monaten mindestens 30.000 Unterschriften sammeln.

Letzte Woche gab es zum Thema bereits eine von der SPD anberaumte aktuelle Debatte im Landtag. Was sagen die Fraktionen der Landesregierung zur Situation und zur Volksinitiative:

Katja Pähle besteht auf den Koalitionsvertrag

Planungen für Neueinstellungen von Lehrerinnen und Lehrern müssen an steigende Schülerzahlen angepasst werden

Die SPD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt plädiert dafür, die Planung künftiger Neueinstellungen von Lehrerinnen und Lehrern an die Entwicklung der Schülerzahlen anzupassen. „Wir haben im Koalitionsvertrag eine Unterrichtsversorgung von 103 Prozent über alle Schulformen als Ziel festgeschrieben“, sagte die Fraktionsvorsitzende Katja Pähle am Freitag in Magdeburg. „Schon heute haben wir 2.000 Schülerinnen und Schüler mehr in Sachsen-Anhalt als bei Abschluss des Koalitionsvertrages. Es liegt auf der Hand, dass die Planungen fortgeschrieben werden müssen und wir zum Ende der Legislaturperiode mehr schaffen müssen als die ursprünglich angepeilten 14.500 Vollzeitlehrer.“ Pähle reagierte damit auf Äußerungen von Finanzminister André Schröder (CDU). Dessen Formulierung, er sehe den Lehrkräftebedarf als gedeckt an, „werden vermutlich die meisten Eltern und Lehrer nicht teilen“, so Pähle.

Am Vormittag hatte der Landtag auf Antrag der SPD in einer Aktuellen Debatte über die Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2017 diskutiert. In der Debatte sagte die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Angela Kolb-Janssen, die Meldungen über Probleme an den Schulen nähmen zu und seien teilweise dramatisch. „Gerade an den Grundschulen höre ich immer wieder, dass oft nur noch eine Betreuung stattfindet und es den Lehrerinnen und Lehrern nicht mehr möglich ist, ihre Vorstellungen von einer individuellen Förderung umzusetzen. Wir wollen deshalb nicht nur über Unterrichtsversorgung reden, sondern über Qualität! Gerade weil wir als SPD Mitverantwortung für den Personalabbau der vergangenen Jahre tragen, ist es uns wichtig, dass mit dem 2016 geschlossenen Koalitionsvertrag umgesteuert wird“, so Kolb-Janssen.

Sie plädierte dafür, dass in einer „Allianz für Bildung“ alle zusammenarbeiten, die an einer Verbesserung der Situation an den Schulen interessiert seien. „Da auch Bildungsminister Tullner die neu ins Leben gerufene Volksinitiative als Unterstützung seiner Arbeit begrüßt hat, ist dies eine gute Gelegenheit, an einem Strang zu ziehen“, sagte Kolb-Janssen. „Es ist höchste Zeit, den Dialog mit den Betroffenen zu führen.“

Nicht nur der Finanzminister verkennt die Lage, auch die bildungspolitische Sprecherin der CDU tastet sich bildungspolitisch durch das Dunkle. Für sie ist die Debatte ein reines Wunschdenken udn geht an der Realität vorbei.

Debatte zu Lehrkräftebedarf – Realismus ist gefragt, nicht Wunschdenken!

 Zur Aktuellen Debatte „Qualität der Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2017 /2018 sichern“ gibt die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt, Angela Gorr, folgenden Kommentar ab:

 „Wie der Minister für Bildung Ende der vergangenen Woche bereits mitteilte, werden zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 370 Stellen ausgeschrieben, zusätzlich zu den bereits eingestellten 200 Lehrkräften im Zuge des laufenden Schuljahres. Weitere Einstellungen werden im Herbst folgen. Die Probleme sind durch die Landesregierung erkannt und werden mit Unterstützung der CDU-Fraktion angegangen. Junge Menschen zum Lehrerberuf in unserem Land zu zwingen, ist nicht möglich. Deshalb ist die Forderung von 1000 zusätzlichen Lehrerstellen und von 400 Stellen für pädagogische Mitarbeiter als nicht seriös anzusehen. Eine objektive Betrachtung muss einbeziehen, dass wir nicht genügend Bewerber finden werden, um alle ausgeschriebenen Stellen auch zu besetzen. Je höher wir die Zahlen schrauben, umso unrealistischer ist die Forderung.

Wenn ein Land wie Baden-Württemberg ankündigt, in den kommenden Jahren 7000 Lehrkräfte einstellen zu wollen, dann sollte uns dies Warnung genug sein. Von anderen Bundesländern wie Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen will ich gar nicht erst reden. Der Markt ist schneller leer, als wir uns umschauen können.

Die CDU wird in Abstimmung mit dem Ministerium für Bildung dennoch jeden Versuch unternehmen, um bei den gegebenen finanziellen und personellen Rahmenbedingungen so viele Lehrkräfte für den Dienst in unseren Schulen zu gewinnen, wie es nur irgend geht. Realismus ist gefragt, nicht Wunschdenken.“

Ob nicht eher Skilifte im Harz reines Wunschdenken sind und an der Realität vorbeigehen, darüber denkt bei den Christdemokraten niemand nach. Und es gibt noch mehr Förderungen und Projekte im Land, die das Geld beanspruchen, dass in der Bildung und in den Schulen für unsere Kinder besser investiert wäre. 

Und die Grünen? Die rufen nach dem Chef. Ist das die höfliche Form für „Feuert endlich den Bildungsminister“? Aber welcher Chef soll sich um die Bildung kümmern? Der Ministerpräsident? Oder doch lieber gleich der liebe Bildungsgott?

Unterrichtsversorgung endlich zur Chefsache machen“

Zu der von der SPD beantragten Aktuellen Debatte „Qualität der Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2017/2018 sichern“ kommentiert der bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Wolfgang Aldag:  „Die Gründung der landesweiten Volksinitiative macht deutlich: im Bildungsbereich läuft derzeit gewaltig etwas schief. Die Forderung der Bürgerinitiative ist die Einstellung von 1.000 Lehrkräften und 400 pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Gemäß Doppelhaushalt 2017/2018 hat das Bildungsministerium die Möglichkeit, 780 Lehrkräfte für 2017 und 2018 jeweils sofort einzustellen. Für mich stellt sich die Frage, warum das Ministerium hiervon zum Schuljahresbeginn 2017/2018 keinen Gebrauch macht und beim kürzlich angelaufenen Ausschreibungsverfahren anstatt 380 gleich alle 780 Stellen ausscheibt. Damit würde Sachsen-Anhalt bundesweit ein Signal aussenden, dass ausgebildete Lehrkräfte bei uns willkommen sind. Es wäre auch ein deutliches Signal an die Schulen, Eltern und vor allem an die Kinder unseres Landes.“

Minister Marco Tullner bekommt die Unterrichtsversorgung nicht in den Griff, wird er sich künftig um die Wölfe kümmern?

„Im vergangenen Jahr wurden umgehend Spitzengespräche anberaumt als der Bauernverband ein wenig rebellierte. Wir haben die Themen Wolf und eine Seilbahn in Schierke auf die höchste Ebene gehoben. Aber hier, wo ein Problem offensichtlich auf der Hand liegt und welches uns alle gegenwärtig betrifft und zukünftig noch stärker betreffen wird, sind wir nicht in der Lage, dieses zu lösen. Ich appelliere an die Landesregierung nach einem Jahr Koalition das Thema Unterrichtsversorgung endlich zur Chefsache zu machen, die Herausforderungen anzupacken und die Probleme endlich zu lösen.“

„Eine Unterrichtsversorgung von durchschnittlich 103 Prozent aktiv ist das vereinbarte Ziel der Koalition. Dieses Ziel können wir nicht erreichen, indem seitens des Bildungsministers stets auf den Haushalt verwiesen und die Verantwortung auf den Landtag geschoben wird. Noch schwieriger wird es, wenn der Finanzminister weitere Sperren im Haushaltsführungserlass auflegt.“

Aldag: Der derzeitige Zustand bei der Unterrichtsversorgung ist unbefriedigend.

„Wenn wir über Planbarkeit der Unterrichtsversorgung reden, dann müssen wir neben den öffentlichen auch Ersatzschulen berücksichtigen.  Der Anteil der Ersatzschulen an der Gesamtzahl von Schulen in Sachsen-Anhalt im allgemeinbildenden Bereich beträgt über 10 Prozent, im berufsbildenden Bereich sogar knapp 45 Prozent. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler an freien Schulen insgesamt übersteigt inzwischen 10 Prozent der Gesamtzahl im Land. Laut Prognosen wird diese Zahl in den nächsten Jahren sogar steigen. Ein wesentlicher Aspekt bei den Neueinstellungen im Landesdienst ist das Abwerben von Lehrkräften an Ersatzschulen. Diese Entwicklung erfordert einen konzeptionellen und vorsichtigen Umgang. Kinder an öffentlichen und freien Schulen haben gemäß Landesverfassung das Recht auf gleiche Bildungschancen.“

Wolfgang Aldag meint, Tullner darf das Problem nicht auf die lange Bank verschieben

 „Der derzeitige Zustand bei der Unterrichtsversorgung ist unbefriedigend. Diese liegt in Sachsen-Anhalt für alle Schulformen durchschnittlich bei ca. 99 Prozent (Stand: 21.09.2016). Einige Schulformen liegen mit 97 Prozent (Gemeinschaftsschulen) deutlich darunter und andere haben vergleichsweise einen relativ guten Ausgangspunkt mit 101 Prozent (Gymnasien). Beim Unterrichtsausfall sieht es ebenfalls ziemlich dramatisch aus. Innerhalb des ersten Schulhalbjahres 2016/2017 ist mit Ausnahme von Schulen des zweiten Bildungswegs der Totalausfall am Gesamtbedarf teilweise drastisch gestiegen. Zum Beispiel an Gemeinschaftsschulen von 2,37 auf 4,18 Prozent oder an Gymnasien von 4,06 auf 6,12 Prozent. Im Zeitraum September 2016 bis Januar 2017 ist der Unterrichtstotalausfall durchschnittlich von insgesamt 3,4 auf 4,8 Prozent gestiegen. Das ist ein Anstieg von 1,4 Prozent. Diese Zahlen sprechen für sich.“

Und was sagt der Bildungsminister dazu. Er twittert: „…muss erstmal liefern. Danach kann jeder der Euphorie frönen, der mag. Aber wir sollten ihm eine Chance geben.“ Ach so, das galt Herrn Macron in Frankreich. Und wir haben schon gedacht…. Schade! Aber bekommt Marco Tullner noch die Gelegenheit, Bildung zu liefern? Oder wird er Chef im neuen „Wolfsministerium“?

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