Seltenes Natternzungengewächs

4. April 2022 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Der kleinen Pflanze wurden im Mittelalter heilende und aufbauende Wirkungen sowie mystische Kräfte zugeschrieben. Als Alchemisten sich um die Golderzeugung bemühten, glaubten sie an einen geheimnisvollen Einfluss der Pflanze auf die Verwandlung der Metalle. Phantasievoll verglich man die Blätter mit der Sichel eines halben Mondes. Im Volksmund ist sie unter einer Reihe von Trivialnamen bekannt.

Aber vielleicht hat ja auch der Aberglaube zu ihrem Namen verholfen: Die Blätter sollen, so glaubte man, bei Mondschein leuchten. Blüten im klassischen Sinne bildet die Pflanze keine, denn sie ist eine Farnpflanze und gehört zur Familie der Natternzungengewächse. Wirkstoffe, die ihren mystischen Ruf begründen könnten, enthält sie nicht. Ihre Blätter sind in einen sterilen und fertilen Teil gegliedert. Der sterile Teil ist meist etwas fleischig und gefiedert. Was man über dem einzigen gefiederten Blatt als rispenförmigen „Blütenstand“ vermuten mag, sind botanisch gesehen Sporangien, also die Behälter der Farnsporen. Die Pflanze ist recht klein. Nur selten wird sie bis zu 30 Zentimeter hoch. 

Die Sporen keimen im Boden. Der während ihres unsichtbaren, im Boden stattfindende Entwicklungsabschnitts ist bemerkenswert: Die unterirdischen Vorkeime sowie die jungen Pflanzen ernähren sich nämlich parasitisch (oder symbiotisch?) von dem, was die mit ihnen zusammen lebenden Wurzelpilze produzieren. Sie speichert das in Pflanzen eigentlich selten vorkommende Disaccharid Trehalose. Warum weiß man offensichtlich noch nicht. Vielleicht bekommen die Wurzelpilzfäden den Zucker für die Chitinsynthese beim Aufbau ihrer Zellwände.

Es kann Jahre dauern bis der oberirdische Teil der Pflanze sichtbar wird. Ihre Verbreitung reicht von felsigen Magerrasen und mageren Weiden in kalkarmen Standorten bis zu offenen Stellen in Kalksteinbrüchen. Sie gilt als stark gefährdet. Die Ursachen sind vielfältig: Die Böden reichern sich mit Nährstoffen an, die von der Pflanze bevorzugten offenen Stellen wachsen ohne Nutzung oder Pflege zu, auch der saure Regen kann eine Rolle spielen, der die Lebensbedingungen an manchen Stellen aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Die Art leidet zudem unter der Nutzungsintensivierung ihrer Wuchsorte wie Düngung oder zu starke Beweidung. Sie steht auf der Liste gefährdeter Pflanzen.

Wie heißt sie?

(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Bilder im Fieberwahn“): Salix alba, Silberweide.

Genau, so ist es, NhuDheng.  Wir hatten die Silberweide gesucht, Salix alba. In der Rinde der jungen Zweige ist Salicylsäure enthalten, ein Mittel, das traditionell gegen Fieber und Kopfschmerzen wirkt. Die Verbindung hat allerdings einen Nachteil: sie ist stark magenreizend und ätzend. 1897 kam ein Chemiker bei Bayer darauf, dass man die Salizylsäure durch Anhängen“ einer Essigsäuregruppe verestern kann, und so die Nebenwirkungen stark gemindert werden können, bei gleichzeitig verbesserter Wirksamkeit. Der Siegeszug des Aspirin nahm so seinen Anfang, der des heutigen Chemiegiganten Bayer ebenfalls.

Auch richtig: wir suchten das Gemälde „Bauplatz mit Weiden“ des einst populären preußischen Malers Adolf von Menzel. Dort hat er die mächtigen Weide zentral ins Bild gerückt, im Hintergrund sieht man eine Baustelle: sie gehört zum damals mächtig heranwachsenden Berliner Stadtrand, etwa dort, wo heute der Landwehrkanal entlang läuft.

Und Elfriede hatte recht mit ihrem Kommentar: bei dem Foto sind Kopfweiden abgebildet. Kopfweiden sind eine Wuchsform, nicht die Baumart selbst. Sie entsteht, wenn Weiden immer wieder geköpft werden, um aus den Neuausschlägen Weidenruten zu gewinnen – die man – geschält – zum Flechten von Körben verwendet.  Früher gehörten diese Bäume zum typischen Landschaftsbild mitteldeutscher Auenlandschaften – heute sind sie selten geworden. Mit Korbflechterei beschäftigt sich heute leider kaum noch jemand.

(HW)

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