Schmusewolle macht Kratzbürste aus Wolle

30. Juli 2018 | Bild der Woche | 3 Kommentare

„Schmusewolle, das macht Perwoll aus Wolle“. Zu dem Gesang aus dem Off ( irrerweise gesungen von Vicky Leandros!!!)

https://www.youtube.com/watch?v=AJgI_6EuCMQ

fiel ein süßes kleines Kätzchen in einen Berg Fusselwolle, und wir Kinder, die wir eigentlich nur wegen der Mainzelmännchen vor der Werbeglotze saßen, fragten uns, wie oft die Filmleute für den Spot das arme kleine Kätzchen in den Wollhaufen werfen mussten, bis alles richtig saß.

Dieser Herr sieht ganz anders aus, als wolle er gerade Schmusekatzen streicheln. Das Gesuchte hält er in der Hand.

Als es noch kein Perwoll, und auch keine synthetischen Textilhilfsmittel, und nicht einmal  Spinn- und Haspelmaschinen, automatische Web-und Strickmaschinen, Kardierwerke, Färbereikufen gab, all das also, was heute in der modernen Textilindustrie zu finden ist (wo gibt es die eigentlich noch), in jenen vorindustriellen Zeiten war es  ziemlich schwierig, vernünftige, weiche und nicht kratzende, feine Wolltücher herzustellen. Damals, sagen wir vor etwa 300 Jahren, ging praktisch alles von Hand, und es gab nur wenige große Werkzeuge, von Webstühlen und Spinnrädern vielleicht einmal abgesehen.

Da gab es spezielle Gerätschaften, um die wirren Wollfäden, wie sie an einem Schaf hängen, erst einmal halbwegs gerade auszurichten, damit man sie überhaupt spinnen kann. Denn ein Schaf kämmt sich ja nicht. War das gekämmte Vlies denn erst einmal gesponnen, ging es ans Färben,  Spinnen und Weben (oder Stricken) . Danach wurde wieder ein spezielles Werkzeug gebraucht, um dem Tuch eine gewisse Weichheit und Gleichmäßigkeit zu verleihen.

Dazu brauchte man unsere Pflanze, die in der frühen Neuzeit dazu sogar extra angebaut wurde. Eine eigentümliche Angelegenheit: wo sonst werden Pflanzen extra angebaut, nur um sie als Werkzeug zu benutzen?

 Jetzt, wo im fernen Bangladesh die Textilmaschinen rattern, und unsere Pflanze weltweit als Werkzeug ausgedient hat, hat sie sich wieder in die Wildnis entlassen. Die Zuchtform, die überall in Südeuropa, aber auch bei uns, angebaut wurde, hat sich seitdem etwas verändert, die wilden Nachfahren können wir mancherorts auch an staubigen und trockenen Stellen auch in Halle antreffen. Es sind gewissermaßen die Dingos unter den Kulturpflanzen. Ihre Blütenstände sehen durchaus prächtig aus, aber sie ist insgesamt, im haptischen Sinne, ziemlich kratzbürstig.

Während unsere gesuchte Kratzepflanze wohl nicht einmal mehr bei Mittelalter-Reenactern eine Rolle spielt, dichtet die esoterische Szene ihr derweil allerlei andere wundersame Wirkungen an: beispielsweise soll sie sogar Wirkstoffe gegen Borreliose enthalten. Mit der gefährlichen, durch Zecken übertragenen Infektionskrankheit ist nicht zu Spaßen, deshalb sei von derartigen Versuchen abgeraten. Es gibt genügend wirksamere Antibiotika.

Viele Fragen haben wir wieder:

Von welcher Pflanze ist die Rede?

Der „First Name“ (der Gattungsname) stammt woher und was hat es damit auf sich

Was genau machte man mit ihr?

Und wie sehen heutige Maschinen aus, die ihren Job erledigen?

 Auflösung der letzten Pflanze der Woche: („Ihr kann man nicht auf den Leim gehen„): Silene vulgaris, Taubenkropf-Leimkraut

Gesucht war das Taubenkropf-Leimkraut Silene vulgaris. In der auffälligenBlütenform sah man Ähnlichkeit mit dem Taubenkropf (Nicht Traubenkopf, @Elfriede). Für Nachtschmetterlinge ist die Pflanze eine wichtige Energietankstelle.

(HF)

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