„Römergrußpflanze“

9. Juli 2018 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Der Römergruß und der botanische Name der gesuchten Pflanze haben die gleiche Wortwurzel. Die zu erratende Pflanze gehört zu den Lippenblütengewächsen.  Eigentlich sollen hier, genauer gesagt, zwei verwandte Pflanzen der selben Gattung erraten werden.

„Römergrußpflanze“

Der Römergruß und der botanische Name der  gesuchten Pflanze haben die gleiche Wortwurzel. Die zu erratende Pflanze gehört zu den Lippenblütengewächsen. Sie wird bis zu 60 cm groß und hat dunkelblaue oder violettblaue Blüten. Die Blütenquirle enthalten bis zu 20 15-20mm lange Einzelblüten. Die aufrechten Stängel sind vierkantig und haben grundständige, runzlige Blätter mit stumpf gezähntem Rand. Die Blütezeit reicht von Ende Mai bis in den August hinein. Die Pflanze liebt kalkhaltige, nährstoffreiche Böden in trockener, sonniger Lage. Sie gedeiht auf Magerrasen, Halbtrockenrasen, Fettwiesen, Wegen, Böschungen und Dämmen.

Darauf deutet auch der vollständige deutsche Name der Pflanze hin. Die lange Pfahlwurzel lässt sie auch anhaltende Trockenheit überstehen. Hummeln lieben die Pflanze und tragen zu ihrer Vermehrung bei. Wenn sie die Blüten anfliegen, krümmen sich die gelenkigen Staubblätter und Narben und tupfen auf den Hinterleib. Der Pollen bleibt haften.

Die Pflanze war zwar als Heilpflanze und Gewürz bekannt, verlor aber an Bedeutung mit der Kultivierung ihrer nahe verwandten Gartenform,  die eine stärkere antioxidative und antimikrobielle Wirkung besitzt und ein beliebtes Küchengewürz wurde (passt z.B.  wunderbar zu Lammfleisch). Gesucht ist also nicht die Küchenkrautverwandte, sondern die dekorative Wildblume.

(Hans Ferenz)

Auflösung der letzten Wochenpflanze („Sehen wir hier einen Weltmeister?“):  Gunnera manicata war der brasilianische Staudengigant

Das Mammutblatt erinnert an ein Rhabarberblatt. Auf der Unterseite wird es durch kräftige Verstrebungen und Rippen gestützt. Damit kann es im Sommer Platzregen, Hagel und Stürmen widerstehen – und wenn nicht, muss man auf die neuen Blätter im nächsten Jahr warten.


Ratefuchs Rati hat wieder einmal trefflich geraten: Wir sehen Gunnera, das Mammutblatt. Es ist die einzige Art in der Pflanzenfamilie der Gunneraceen. Auch wenn Gunnera wie Rhabarber aussieht, ist er mit unserer bekannten Gemüsepflanze (die oft zum Obst gezählt wird) nicht verwandt. Einige Arten sind in Deutschland als Zierstaude beliebt, obwohl sie Winterschutz benötigen. Gunnera nutzt ihr besonderes Sprosssystem aus Rhizomen oder Ausläufern zur Speicherung wichtiger Stoffe, um klimatische Herausforderungen zumindest einigermaßen meistern zu können. Sie ist in ihrer Heimat eine Sumpfpflanze, die jedoch stehendes Wasser nicht toleriert. Wer das Mammutblatt bei uns kultivieren möchte, sollte humusreichen, leicht sauren Boden verwenden und feucht halten, jedoch ohne Staunässe.

Den riesenwuchsfördernden Stickstoff zieht die Pflanze nicht aus dem Boden, sondern symbiontisch, mithilfe von Cyanobakterien (Gattung Nostoc), aus der Luft. Das Mammutblatt ist die einzige bekannte, höhere Pflanze, die zur Stickstofffixierung auf eine Cyanobakterien-Symbiose zurückgreift (- die Brennnessel dagegen setzt auf den Menschen als Stickstofflieferanten). Cyanobakterien als zellkernlose Lebewesen haben vermutlich schon vor 3 Milliarden Jahren angefangen, sich an das Landleben anzupassen. Auch wenn es damals deutlich mehr Wasserflächen gab, kaum Sauerstoff, und auch die UV-Strahlung war unerträglich hoch. Echte Landpflanzen sind erst seit ca. 475 Millionen Jahren nachgewiesen, als Moose haben sie sich aus den hübschen Armleuchteralgen entwickelt. Zwischen unserem Cyanobakterium namens Nostoc und der vielleicht bekannten, sehr ursprünglichen Landpflanze Rhynia liegen also noch 2,5 Milliarden Jahre, in denen sich Landmassen gebildet, vereinigt und getrennt haben, Sauerstoff in der Atmosphäre – dank der Cyanobakterien – auf ein lebensförderndes Maß angestiegen ist, die Temperaturen die Existenz von Meeren, festen Kontinenten, einer Atmosphäre und später auch höherer Lebewesen erlaubt haben. Leben sich ausbreiten konnte. Für ein Menschengehirn eigentlich unvorstellbar.

Hilfe durch den ersten grünen Landbewohner

Nostoc – das ist ein bemerkenswerter, zellkernloser Prokaryot aus der Abteilung Cyanobakterien, ein sehr ursprüngliches Landlebewesen, das es in dieser Form auch heute noch gibt. Ihm ist es gelungen, einen sehr reaktionsträgen Bestandteil der Luft, nämlich Stickstoff, in den Stoffwechsel zu integrieren, und zwar mithilfe der Energie des Lichts. Nostoc war sozusagen ein Weichensteller der Evolution: Verschiedene Eukaryoten (Lebewesen mit höher entwickelten Zellen) gehen mit Nostoc eine Symbiose ein, um sich direkt verwertbaren Stickstoff liefern zu lassen. Das Mammutblatt hat durch das Nostoc den Vorteil, auch auf nährstoffarmen Böden überleben zu können. Nostocs Aufgabe ist es, Stickstoff aus der Luft zu direkt verwertbarem Ammonium zu reduzieren (- als Bestandteil von Aminosäuren und Proteinen), wobei die Pflanze im Gegenzug der Mikrobe Kohlenhydrate anbietet. Dazu wandert die Mikrobe über Drüsen am Stamm des Mammutblatts in die Gunnera-Zellen – ein sehr komplexer Vorgang, der verschiedene Anpassungsstadien beider Lebewesen erfordert. Und dennoch ist es keine lebensnotwendige Vereinigung – beide Lebewesen können auch unabhängig voneinander existieren. Das ist ähnlich wie mit der Liebe und der Luft…

Von der Sternschnuppe zum Engelsrotz

Seit Milliarden Jahren lebt Nostoc als dunkle Kruste auf nacktem Gestein, v.a. feuchten Kies- und Sandflächen. Ein Regenguss wird von diesen sehnsüchtig aufgenommen, sie quellen zu olivgrünem, weichem Glibber. „Sternschnupfen“ nannte Paracelsus dieses Gebilde, eine Assoziation zu einem schnaubenden Nasenloch (Nüstern, noster), oder vielmehr zu zähflüssigem Rotz. Damit, mit „Nostoch“ bzw. heute Nostoc, war der älteste wissenschaftliche Name eines Mikroorganismus geboren. Auch, wenn das Gebilde vor 500 Jahren noch zu den Pflanzen gezählt wurde: Blaugrünalgen. Erst in meiner Kindheit wurde erkannt, dass es sich bei Nostoc um Cyanobakterien handelt, sehr komplexe Mikroben. Die mit vielerlei Namen bedachte Mikrobe tritt sehr facettenreich auf. Nostoc bildet vegetative Zellketten (Hormogonien), die ihren Standort mittels Gleitbewegungen wechseln können. Das erfordert sogar eine Kommunikation innerhalb der Zellkette, um sozusagen „an einem Strang zu ziehen“. Am neuen Standort differenzieren sich einige Zellen zu Heterocysten, sie sind nun unabhängig von Sauerstoff und ganz auf Stickstoffgenese fixiert. Es gibt auch makroskopisch völlig unterschiedliche Gebilde. Nostoc pruniforme bildet zentimetergroße Kugeln, die sog. Teichpflaume, die besonders saubere Wasserflächen besiedelt. Ein anderes Beispiel, Nostoc commune, formt mit seinen Zellfäden grünbraune, handtellergroße Gallerte am Wegesrand. Sie trocknen papierdünn ein, bei Regen quillt aber, sozusagen aus dem Nichts, ein „Sternschnupfen“ hervor. „Hexengespei“ wurde da ausgerufen! Überirdische Kräfte vermutete der große Paracelsus Anfang des 16. Jahrhunderts, sodass spätere Alchemisten in diesem Nostoc sogar den Stein der Weisen zu sehen vermochten. Oder zumindest Überreste eines eingetrockneten Meeres. Der große Goethen dagegen hielt es für einen Pilz, aus dem bei Gewitterregen der Messias in Erscheinung treten möge („Der Herr kommt“). Zu dieser Zeit, gegen Ende des 18. Jahrhundert, wurde der „Himmelstau“ in zahlreichen botanischen Abhandlungen verschiedentlich gedeutet. Viel viel früher schon, vor 1600 Jahren, gingen die Chinesen deutlich pragmatischer an das Ding heran: Sie aßen es einfach auf (Ge-Xian-Mi).

Riesenrhabarber

Zurück zum Mammutblatt, das sich Nostoc als Stickstofflieferanten zu Nutze macht. Apropos Nutzen: Von einer Art, nämlich Gunnera perpensa, wird eine medizinische Verwendung beschrieben, gegen Psoriasis und als Wundheilungsmittel. Bei Gunnera tincoria wird mittels der Wurzeln Leder gegerbt oder daraus ein schwarzer Farbstoff hergestellt, wie bereits der Name verrät. Ihre Blattstiele werden auch ähnlich wie Rhabarber gegessen. Als beeindruckende Zierpflanze wird Gunnera manicata, das Riesenmammutblatt bzw. der Riesenrhabarber, bei uns am häufigsten in Staudengärtnereien angeboten. Man sollte es an einer exponierten Stelle pflanzen, ihm 10 Quadratmeter Platz einräumen, um seine beeindruckende Größe würdigen zu können. Das Riesenmammutblatt stammt aus Brasilien. Nachdem die Blätter im Herbst abgestorben sind, muss man die Pflanze im Winter abdecken, damit im Frühjahr innerhalb von 1,5 bis 2 Monaten wieder neue Blätter mit bis zu 2 m Durchmesser an 2 m langen Stängeln reifen können – ein Kraftakt! (Es soll hilfreich sein, Taubenmist als Dünger einzubuddeln, um das Wachstum zu unterstützen.) Später im Jahr bilden sich Blütenkolben mit bis zu 1 m Länge vom Durchmesser eines (sehr langgestreckten) Fußballs. Der Stängel ist mit Dornen besetzt, um Fressfeinde abzuhalten – das spielt bei uns aber keine Rolle.

Die gewählte Überschrift der letzten Woche spielt auch keine Rolle mehr: Nein, die herrlich anzusehenden Fußballvirtuosen aus Brasilien sind ausgeschieden, bei den weiteren Weltmeister-Spekulationen würde ICH nun auf Belgien oder Frankreich tippen…

(A.S.)

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