Pflanze der Woche: Blutrotes Leuchtfeuer im Sumpf

26. April 2021 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Bevorzugter Lebensraum unserer unbekannten, üppig rotviolett blühenden, ausdauernden Pflanze sind Feuchtwiesen, Ufer, Gräben und Flachmoore. Sie wird ca. 1m hoch und setzt mit ihren farbigen Blütenähren leuchtend bunte Akzente. Aus jedem Wurzelstock gehen gewöhnlich mehrere Blütenstängel hervor. Wo die Pflanze im Wasser steht, bildet sich am untergetauchten Teil des Stängels bis etwas über die Wasseroberfläche ein schwammiges Gewebe, durch das Luft in den Wurzelbereich gelangt.

Schwebfliegen besuchen die zahlreichen Blüten besonders gern. Von den Blättern ernähren sich die Larven des Nachtpfauenauges. Selbstbestäubung verhindern unterschiedliche Bautypen der Blüten. Die  zahlreichen kleinen Samen haften mit Klebhaaren am Gefieder von Vögeln und werden von diesen wirkungsvoll verbreitet. 

Nach Nordamerika wurde die Pflanze eingeschleppt und gilt dort als Unkraut. Mit auf diese Pflanze spezialisierten Blattkäfern versucht man sie zu bekämpfen. 

Als Heilpflanze hat die genügsame Pflanze keine große Bedeutung erlangt, obwohl ihre antibakteriellen und adstringierenden Wirkungen schon lange bekannt waren. Genutzt wurde ihre therapeutische Wirkung bei Ekzemen und Durchfallerkrankungen. Hilfreich war ihre Verwendung bei Cholera-Epidemien. Wegen des hohen Gerbstoffgehalts wurde die  Pflanze wurde zur Ledergerbung genutzt. Mit dem Pflanzensaft tränkte man auch Holz und Seile zum Schutz vor Verrotten. Verwendung fand sie auch als Färberpflanze. Mit Alaun vorgebeizte Wolle färbt sich braun, bei Zugabe von Eisenvitriol sogar schwarz.

Welche Pflanze suchen wir?

(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Violas Wahn und der Duft der Großkonzerne“): März-Veilchen, Duftveilchen, Viola odorata)

Wir hatten nach dem März-Veilchen gesucht, das, wie Elfriede richtig heraus fand, seine Samen durch Ameisen verbreiten lässt. Dazu bedient es sich einer besonderen Strategie: An den Früchten hafteten kleine fettsäurehaltige Kügelchen, die die Ameisen gerne verzehren. Also schleppen sie die Früchte in ihre Vorratsnester, wo sie die Nährstoffe dann abknabbern. Den Samen selbst könne sie nicht verzehren, der bleibt dann im Nest liegen, wo er dann bei günstiger Gelegenheit auskeimt.  Gartenbesitzer haben das vielleicht bemerkt, wie sich Veilchennester wie von Geisterhand in Ecken entstehen, wo man sie bestimmt nicht hingesetzt hat. Man hat beobachtet, dass die Ameisen es Jahr für Jahr schaffen, die Samen bis in einen Umkreis von hundert Metern zu verteilen. Die hübschen Duftpflanzen findet man nicht nur in Gärten, sondern – gerne unter lichtem Gebüsch – in Parkanlagen und Wäldern. Die Blütezeit erstreckt sich, je nach Witterung, von März bis April.

Das Veilchen stammt ursprünglich aus dem Mittelmeergebiet, wo es schon in der Antike für seinen betörenden Duft geschätzt wurde. Über die Alpen kam es gewiss nicht über die Ameisenstraße zu uns: der Transport hätte so tausend Kilometer 10.000 Jahre gebraucht. Vielmehr haben wohl Menschen süßriechende Duftpflanze in die Gärten Mittel- und Nordeuropas geschleppt.

Wer waren aber die Personen, die wir in dem Zusammenhang gesucht hatten, und was hatte es mit der Fabrik in Holzminden auf sich? Unsere schlaue Userin Elfriede hat es fix rausgegoogelt:

Die beiden Chemiker Willhelm Haarmann und Ferdinand Thiemann hatten 1874 ein Verfahren zur Herstellung von Vanillin aus Coniferin, einem Bestandteil von Nadelbäumen, entdeckt. Jetzt war es möglich, den teuren Aromastoff Vanillin statt aus aus dem Luxugut Vanilleschote aus leicht zu beschaffenden Rohstoffen zu gewinnen.

 

Der Geschäftstüchtigere von beiden, Haarmann, erkannte das wirtschaftliche Potential. Beide gründeten 1874 in Holzminden die „Haarmanns Vanillinfabrik“. Tiemann allerdings blieb nur stiller Teilhaber – er zog eine wissenschaftliche Karriere vor, die ihn als Professor für Chemie an die Universität Berlin führte. Dort spezialisierte er sich auf die Chemie der Riechstoffe. Auch wurde er Mitglied der Leopoldina.

1893 fand Tiemann ein Verfahren zur Herstellung von Ionon aus Citrusterpenen: damit sind wir bei unserer Pflanze. Denn dies ist einer der markanten Duftstoffe unseres Veilchens. Nicht nur mit künstlichem Vanille-Aroma, sondern jetzt auch mit Veilchenduft aus der Retorte machte die Firma in Holzminden ordentliche Gewinne. Mittlerweile war sie in „Haarman & Reimer“ umfirmiert. Den Chemiker Karl Reimer hatte Haarmann zunächst zur Lösung technischer Verfahrensproblem in seine Firma geholt, später wurde er Mitteilhaber.

Ähnlich wie beim  Aufstieg der großen Konzerne der Farbenchemie gründete der Erfolg in dem Prinzip, teure Naturstoffe aus billigen Rohstoffen chemisch nachzubauen. Die Folge: ähnlich wie das vormalig teure Luxusgut bunter Farben standen nun auch Düfte und Aromen jedermann zur Verfügung, wurden gewissermaßen Allgemeingut. Heute ist es selbstverständlich, dass billige Süßspeisen, Puddingpulver  und Schokolade nach Vanillin duften, derweil Veilchenduft aus Toilettenreinigern strömt und als Duftbäumchen vor der Windschutzscheibe baumelt. Weniger „demokratisiert“ sind allerdings die Gewinne: nach mehreren Fusionen ist aus Haarmann und Reimer die Symrise AG geworden, immer noch mit Sitz in Holzminden. Das Unternehmen liegt mit einem Anteil von 11 Prozent zusammen mit zwei Mitbewerbern auf dem zweiten Platz im globalen Markt der Duftstoffe und Aromen.

(H.W.)

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