Kein Impfersatz

10. Februar 2020 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Man täte der gesuchten Pflanze Unrecht, wenn man sie wegen ihres Namens mit der rechten Szene in Verbindung bringen würde, obwohl sich gewisse Parallelitäten erkennen lassen. Missverständlich ist aber auch, dass der deutsche sowie der wissenschaftliche Gattungsname mit dem einer Vogelgattung identisch ist. Die blau-violettblühende Pflanze, unverkennbar ein Lippenblütler, kommt häufig vor. Aber da sie so klein ist, sie wird gerade einmal zwanzig Zentimeter hoch, muss man genau hinschauen, um sie zu entdecken. Die Blüten sind ca. 1cm lang und sitzen meist am Stängelende ährenartig zusammen. Die Tragblätter in der Ähre sind braunviolett gefärbt. Wegen dieser „Halsbräune“ sprach man dieser Pflanze gewisse Heilwirkungen zu.
In einem gepflegten Rasen wird sie nicht geduldet. Wenn man sie dort entdeckt, sollte man nicht lange zögern, sondern die Pflanze so schnell wie möglich ausreißen. Wichtig ist, auch oberirdische Ausläufer zu entfernen. Denn schon aus kleinen im Boden verbliebenen Resten können neue Pflanzen austreiben. Sie blühen von Juni bis August. Mähen des Rasen vor der Blüte und danach regelmäßig, damit sich keine Samen bilden können. Das klingt ja schon fast wie eine gärtnerisch verblümte Aktionsanleitung gegen Rechts.
Dank ihrer ätherischen Öle und Gerbstoffe kann die Pflanze tatsächlich sowohl gegen Atemwegserkrankungen und Probleme der Verdauungsorgane helfen. Als Tee oder zum Gurgeln kann sie gegen Entzündungen im Rachenraum genutzt werden. Früher wurde die Pflanze vor allem gegen Diphterie eingesetzt. Diphtherie, auch Bräune (oder Halsbräune) genannt, ist eine meist im Kindesalter, aber auch bei Erwachsenen auftretende, akute, ansteckende und lebensbedrohende Infektionskrankheit. Verursacher ist ein Bakterium, das die oberen Atemwege infiziert. Es sondert ein gefährliches Toxin ab. Schutz vor Diphtherie bietet heutzutage eine Impfung.

Welche Pflanze suchen wir?
(H.J.F.)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Redakteur hat Schere im Kopf und erinnert sich an Geheimtinte): Gewöhnlicher Liguster, Ligustrum vulgare.

Wer hat uns erraten? Rati natürlich. Es handelte sich um den gewöhnlichen Liguster, den wahrscheinlich jedes Kind kennt: als beliebte Heckenpflanze. Das einheimische, aber etwas wärmeliebende Gehölz ist sehr schnitttolerant ist, im Gegensatz zum Buchsbaum wächst es zügiger, was aber auch heißt, dass man öfter schneiden muss. Es ist pflegeleicht und recht unempfindlich gegen Schädlinge ist. Es sind Sorten herausselektiert worden, die auch noch im Winter grün sind, aber das gilt nicht für alle.  Beeren und Blätter sind giftig, sie enthalten die Alkaloide  Ligustrosid, Syringin und Oleuropein. Letzteres zeigt, dass Liguster ein Mitglied der Familie der Ölbaumgewächse (Oleaceae) ist: das Alkaloid ist auch für den gallebitteren Geschmack frischer Oliven verantwortlich. Deshalb wird sich wohl kaum jemand an den blauschwarzen Beeren vergiften. Falls doch, sollte man mit  Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Leibschmerzen rechnen. Der Name „Tintenbeeren“ rührt von einer früheren Verwendung der Beeren als Rohstoff für einfache Tinten her: der wässrige, lilafarbene Extrakt kann farblich intensiviert werden, wenn man etwas Natron hinzugibt, dann entstehen blauschwarze Töne. Umgekehrt kann man auch etwas Zitronensäure zugeben, dann wird der Saft intensiv rot. Man kann damit malen und zeichnen, aber je nach pH-Wert des Papiers wird sich nach einiger Zeit der Farbton abermals ändern. Sehr lichtecht ist der Farbstoff nicht. Er, bzw. das Farbstoffgemisch gehört zur großen Gruppe der „Anthocyane“, die auch für die Farbe von Rotkohl, Holunder- und Aroniabeeren oder auch vielen blauen und lila Blüten verantwortlich sind. Ihnen ist gemeinsam, dass sie bei Änderung des pH-Wertes ihre Farbe ändern. Man kann auch Textilien mit dem Saft färben, Wolle muss dazu mit Alaun gebeizt werden, kann man sie mit dem Saft der Beeren blaugrau färben. Besonders lichtecht sind diese Farben aber alle nicht. Früher, als es noch keine strengen Weingesetze gab, hat man mit dem Saft sogar die Farbe von Rotwein „aufgehübscht“: ob das wohl so gesund gewesen ist?

 

Pflanze verpasst? Hier finden Sie alle „Pflanzen der Woche“, von 2016 bis heute:

Archiv: alle „Pflanzen der Woche“ von 2016-2020

 

 

C.H.

 

Print Friendly, PDF & Email
Ein Kommentar

Kommentar schreiben