Bernd Wiegand moderiert Krach um Fluglärm in Büschdorf

8. März 2019 | Wirtschaft | 6 Kommentare

Johannes Jähn (Flughafen Leipzig, Markus Otto (DHL), Bernd Wiegand (OB Halle)

Es ist schon die zweite Veranstaltung der „Informationsreihe“ zum Thema Flughafenausbau, Fluglärm, Arbeitsmarkt und Wirtschaft, die Oberbürgermeister Bernd Wiegand in Halle-Ost steigen lässt. Wieder wurde in dem etwas heruntergekommenen Saal der traditionsreichen Gaststätte „Modler“ in Büschdorf geladen. Voll war der Saal, vorzugsweise Bürger fortgeschrittenen Alters, zumeist Anwohner, und Lärmbetroffene, hatten sich eingefunden. Betroffen offenbar vom einen Themenbereich der Veranstaltung, während deren Gegenaspekt, die entstehenden  Arbeitsplätze sie vermutlich nur indirekt betreffen dürften. Was gleich auffiel: Bernd Wiegand, sonst auf ähnlichen, von ihm als Stadtoberhaupt organisierten Veranstaltungen, die unter dem Sendeformat „Zukunftswerkstatt“ firmieren, eher hemdsärmlig gekleidet, erschien im dunklen Anzug. Denn er hatte diesmal hochkarätige Gäste aus der Wirtschaft zu präsentieren. Zum einen den Geschäftsführer des DHL-Standortes Halle-Leipzig, Markus Otto, der sich mit Plänen trägt, die Logistikkapazitäten mit erweiterten Starts und Transportvolumen in den kommenden Jahren massiv auszubauen. Zum anderen Johannes Jähn, den Geschäftsführer der Leipziger Flughafen GmbH. Außerdem Dr. Petra Bratzke, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Halle. Sie sollte, wie Wiegand einleitend ausführte, die arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen der Flughafenerweiterung, und insbesondere der Logistikbranche ringsum des Flughafens, den skeptischen Bürgern erläutern.

Das Programm: Zunächst sollten DHL und die Flughafengesellschaft ihre Pläne vorstellen, dann sollten Fragen abgearbeitet werden, die die Bürger zuvor schriftlich eingereicht hatten, danach sollte das Publikum Gelegenheit haben, weitere Fragen zu stellen.

Los geht ’s:

Herr Jähn  erläuterte den Stand des Verfahrens. „Sie haben noch überhaupt nichts verpasst. Wir befinden uns noch nicht einmal im richtigen Planfeststellungsverfahren, bzw. dem Planänderungsverfahren“, erläuterte er. Das, was heute ablaufen soll, ist nicht einmal das, was bei Planfeststellungsverfahren „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ ist. Dennoch wolle man freiwillig schon einmal die Pläne der Flughafenerweiterung und des damit beabsichtigten, erweiterten Flugbetriebes erläutern. Im eigentlichen Verfahren wird natürlich die Umweltverträglichkeitsprüfung zentraler Bestandteil sein, hier insbesondere die Lärmemissionen. Die zuständige Behörde ist übrigens die Landesdirektion Sachsen, also in einem anderen Bundesland angesiedelt. Halle sei aber beteiligt und einbezogen, wie Jähn versicherte.

Zunächst werden Gutachten erstellt, etwa zur Prognose des Verkehrsaufkommens. Dann Umweltverträglichkeitsuntersuchungen, Lärmprognosen, Untersuchungen zur Luftschadstoffemission. Dann kommt es zum eigentlichen Verfahren, die Unterlagen werden geprüft, es wird öffentlich ausgelegt, Stellungnahmen zu Einwendungen der Betroffenen erarbeitet. Erst dann kommt es zum Planänderungsbeschluss.

Wird wirklich schon Mitte 2020 gebaut?

Wer bis dahin zugehört hat, würde denken, dass sich das hinziehen könnte – der Deichbau in Halle lässt grüßen. Keineswegs. Die Flughafengesellschaft legt einen ehrgeizigen Zeitplan vor: Man rechnet mit Abschluss der Genehmigungsphase schon mit Mitte 2020, dann könne gebaut werden, hofft Jähn jedenfalls. Murren im Publikum.

Nun ist DHL-Mann Markus Otto dran. Seit 10 Jahren hat sich die umgeschlagene Tonnage seiner Frachtflieger, die in Leipzig abheben, um 178 % gesteigert. Die Anzahl der Starts aber  nur um 68 %. Warum: es ist einfach. die Maschinen sind dicker und größer geworden. Aber auch moderner, behauptet Otto.  Von veralteten Maschinen wolle man sich verabschieden, die neuen Brummer seien moderner, leiser und spritsparender. Er zeigt Balkendiagramme. Innerhalb von sechs Jahren haben man den Kerosinverbrauch pro 100 Kilometer Fracht und 100 Kilo Gewicht con 3,96 auf 3,72 Liter gesenkt. Auf dem Diagramm in der Powerpoint-Präsentation sieht das beeindruckend aus, aus ästhetischen Gründen hat man den unteren Bereich des Diagramms gekappt, so dass die Einsparung deutlicher ausfällt, als sie ist.  – das Publikum schluckt es. Immerhin: es sind sechs Prozent.

Luftnummer: die Frage nach gezahlten Steuern bleibt über den Wolken

Die Fragesteller hatte aber ein Thema mehr interessiert: Wie viel Steuern zahlt denn DHL in der Region?  Otto bedankt sich für die Frage. Er hat eine Folie vorbereitet. Sie stammt vom Statistischen Landesamt Sachsen. Da sieht man, dass die Gemeinde Schkeuditz gewisse Mehreinnahmen von Steuern zu verzeichnen hat. Woher die kommen, und was DHL damit zu tun hat, bleibt im unklaren. „Man zahle selbstverständlich Steuern in Deutschland, betont Otto, der Unternehmenssitz liegt in Bonn am Rhein. Später wird eine aufgebrachte Bürgerin aus dem Publikum ihn fragen, wie viel Steuern denn nun konkret in die Region Halle-Leipzig flössen. Darauf gibt es keine Antwort, aber man zahle ja schließlich auch Lohnsteuer Gewerbesteuer usw.

Fluglärm

Was viele Bürger interessiert, ist natürlich das Thema Lärm. Mehr Flüge, größere Maschinen, das bedeutet mehr Lärm. Die Flughafenvertreter zeigen Karten, sie markieren die Ergebnisse der Lärmmessungen, alles sieht harmlos aus „Im blauen Bereich wohnen diejenigen, die einen Anspruch auf Entschädigung haben. Die Ausführungen erscheinen präzis. Und in Zukunft, schon ab Mitte des Jahres, können Bürger online auf einer Karte feststellen, welchen Lärm welche Maschine zu welcher Uhrzeit verursacht habe. Das Online – Programm nennt sich TRAVIS-, „Transparenz für Flugroutenabweichungen. Aber noch steht es nicht zur Verfügung. Derweil behelfen sich die betroffenen Bürger offenbar anders. „Ich habe Flightradar 24 auf meinem Handy“, sagt eine Anwohnerin, die sich darüber empört, dass eine Fluggesellschaft, die im Auftrag von DHL fliegt, ihr Haus zum Zittern bringt, und statt mit 1000 Metern Flughöhe mit 700 Metern nachts über ihre Wohnung donnert. Es geht um die Calida-Air. Hier kann Otto nur vertrösten, gibt indirekt zu, dass das Subunternehmen sich wohl nicht an die Auflagen hält. „Das sind halt schwere Brummer, die heben nicht leicht ab“, erklärt er entschuldigend.

Arbeits- und Mindestlohn

Es sind viele Anfragen zum Thema Arbeitsplätze und Mindestlohn aufgekommen. Zusammenfassend haben viel Bürger den Verdacht, dass es sich bei den Arbeitsplätzen, die bei DHL und vergleichbaren Logistikunternehmen (es ist da oft auch vom Starpark die Rede) um nicht auskömmliche Arbeitsplätze handelt. Wie viel „Aufstocker“ seien denn unter den Beschäftigten, wie viele Vollzeitjobs DHL anbietet usw.

Deshalb leistet Frau Dr, Bratzke Schützenhilfe. DHL zeigt Diagramme, die anschaulich machen sollen, dass – gemessen am Mindestlohn – der Stundenlohn der DHL-Tarife langsam – so wie eine Antonow im Start- über die Mindestlohngrenze abhebt. Aber ziemlich gemächlich. „Auskömmlich“ sei das dann, so erfährt man von Frau Bratzke, wenn es sich um Vollzeitjobs handle – die aber sind bei DHL keinesfalls die Regel, eher 30h-Verhältnisse.

„Offene Stellen für Niedrigqualifizierte in der Logistik passen zu den Arbeitslosen , die wir hier in Halle haben“

Petra Bratzke  von der Arbeitsagentur Halle hat einen Mitarbeiter mitgebracht – dessen Name leider nicht verständlich war (Sorry, die Red.). Er spricht den entscheidenden Satz aus: Die offenen Stellen für Minderqualifizierte bei  DHL passen zur Arbeitslosigkeit in Halle.

Später wird aus dem Publikum die Frage kommen, ob es denn bei DHL auch Stellen für Höherqualifizierte gebe. Otto spricht davon, dass zu Ausbildungszwecken ein Flugsimulator angeschafft werde, und im letzten Jahr habe er 140 Piloten eingestellt.

6500 Arbeitsplätze hat DHL übrigens seit den letzten 10 Jahren am Standort geschaffen. . Davon leben 826 Personen in Halle, 618 im Saalekreis.

Nächste Veranstaltung geplant

Wieder blieb vieles offen, und Bernd Wiegand verspricht, seine Veranstaltungsreihe fortzusetzen. Spätestens dann, wenn es ernst wird, und das Planfeststellungsverfahren offiziell in die erste Runde geht.

Der Oberbürgermeister lässt sich die Sorgen und Nöte der Bürger vortragen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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