Startseite Foren Halle (Saale) Hohes Grundwasser: Tonwand soll Neustadt schützen

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  • #32495

    @ayo
    Darf man mal fragen, mit welchem praktischen Hintergrund Du hier argumentierst?
    Hast Du mehr als nur theoretische Erfahrungen mit Tiefgründungen oder gar Bauwerken, welche in die Wasserströme des Untergrundes massiv eingreien?
    Ich meine ich weiß, daß @Kenno viele Baustellen des Tiefbaues in Halle verantwortlich betreut hat, ich weiß auch, daß ich einst im Zuge von Baufelduntersuchungen Kernbohrungen und Schürfungen bis in 7m Tiefe selber durchgeführt, bis zu 40m Tiefe dabei von einem Bohrbetrieb veranlasst habe. Viele Bauwerke, eine Talsperre eingeschlossen, wurden durch mich einst beim Bau bezüglich der Bauvorbereitung im Baufeld, wie auch der späteren Bauausführung betreut.

    Wir kennen also Grundwasserleiter aus praktischer Erfahrung, vor allem aber deren Unberechenbarkeiten und auch die Gefahren, die bei der Absperrung und Umleitung von derart Strömen entstehen.
    Grundwasserleiter abzuriegeln ist de facto nicht möglich, das Wasser sucht sich immer einen Weg, im Idealfall durch unmittelbare gewollte seitliche Umströmung, oft aber eben auch durch eine unkontrollierbare Über,oder Unterströmung, oft genug sogar durch das Durchbrechen der bisherigen Wasserleitenden Schicht, möglicherweise sogar durch Vereinigung mit anderen Wasserleitern in tieferen Schichten oder anderen Überraschungen.

    In einer Flussaue und einem ehemaligen Sumpfgebiet mit den Wasserleitern in Form einer Sperrwand zu experimentieren ist dabei mit einer Latte Unwägbarkeiten verbunden, die keiner vorhersehen kann.
    Klar kann man ein massives Sperrbauwerk errichten, nur vernachlässigt der Projektierende in diesem Zusammenhang viel zu oft die sekundären Auswirkungen dieses Eingriffes.Der berühmte Tunnelblick.

    Hochwasserschutz ist in der letzten unmittelbaren Konsequenz im Akuztfall immer die Höhe eines Deiches, die über das Wohl und das Wehe des dahinter liegenden Gebietes entscheidet.

    Hochwasserschutz im weiteren Sinn ist, den Flüssen die nötigen Ausbreitungsräume zu geben, Überflutungsflächen vorzuhalten und ja, auch tote Flussarme die mäandern, eben für Hochwasser zur Absenkung des Spitzenpegels vorzuhalten. Diese führen einen erheblichen Teil des Wassers im Hochwasserfall ab und tragen mehr zum Hochwasserschutz des umliegenden Gebietes bei, als jeder hohe Deich oder jede Spundwand. Zugeschüttete ehemalige Flussarme sind daher idealerweise wieder aufzubaggern, denn diese sind ein signifikantes Element in der Selbstregulierung der Flüsse wenn Hochwasser abgeführt werden. Der Spitzenpegel ist mit mehreren Flussarmen und einem weiten Überflutungsgebiet um etliches geringer, als bei einer Kanalisierung des Flusses. Auch sinkt die Strömungsgeschwindigkeit des Flusses, was die Folgeschäden an den Wasserbauwerken wie Brückenpfeilern, sowie den eigentlichen Uferbefestigungen signifikant verringert. Das ist einfache Strömungsphysik. Dies von Dir als Unsinn zu bezeichnen ist daher für mich ein eindeutiges Zeichen dafür, daß Du lediglich theoretische Kenntnisse mit Fixierung auf ein einziges Projekt besitzt, ohne die umliegenden Faktoren in die Rechnung einzubeziehen.

    Ach ja zu den Kosten Spundwand vs Brunnengalerie sei auch noch angemerkt, daß die Folgekosten der Spundwand, ob nun aus Lehm oder aus Stahl, keiner Kalkulieren kann, Grund siehe oben, die vielen oft auch unentdeckten Wasseradern und Störungen im Gebiet.

    Dazu kommt auch noch der Eintrag des Grundwasser aus dem Gebiet westlich von Halle Neustadt. Einst durch den Mansfelder Bergbau ja enorm künstlich abgesenkt. Man schaue sich nur auf den alten Karten mal an, wie riesig der alte salzige See gewesen ist. Der entsteht seit einigen Jahren wieder, im kleinen Maßstab. Eine Betrachtung einer historischen Karte sollte unbedingt dem Projektleiter eines derartigen Projektes ans Herz gelegt werden, denn mit diesem alten, trockengelegten Salzigen See, welcher einst größer als der Süße See war und von Erdeborn bis fast nach Bennstedt reichte, habe ich zudem das nächste Problem an Wassereintrag im Gebiet westlich der Neustadt. Kein Mensch kennt die Grundwasserverhältnisse, wie sie vor der Trockenlegung des Sees waren.
    Im Schlimmsten Falle wird dieses Wasser von Westen sich an der „Spundwand“ aufstauen und Halle Neustadt von beiden Seiten dann in die „Wasserzange“ genommen. Daß die Fundamente keine Wasserbauten sind und entsprechend keine Pfahl oder sonstige Tiefgründung für den sicheren Stand im Wasser besitzen, dürfte dabei auch nur eine Facette sein.

    Die Brunnengalerie ist bewährt und erprobt. Die laufenden Kosten, wie auch die Kosten für die Sanierung sind kalkulierbar und zudem auch durch den Einsatz modernerer Technik deutlich reduzierbar.

    Im Vergleich dazu ist der Bau eines mehr als 5km langen Sperrbauwerkes ein unwägbares Risiko, was meiner Erfahrung nach wahrscheinlich zu einer Kostenexplosion führen wird. Explosion in der Form, daß man anstelle der veranschlagten 5Mio € am Ende mit allen sekundären Folgen deren 25+ in die Hände nehmen müsste.

    Jeder, der sich anmaßt genau vorherzusagen, wie sich das Grundwassersystem im Einzugsgebiet der Saale nach der Errichtung eines derart massiven Hindernisses in einem Gebiet mit Altbergbau en Masse und ehemals trockengelegter Grundwasserleiter entwickelt, wäre in meinen Augen entweder ein Hellseher oder ein Scharlatan. Ersteres gibt es nicht, sonst hätte sich schon längst einer die 1Mio Dollar abgeholt, die für die eindeutige Präsentation übersinnlicher Fähigkeiten ausgelobt sind…

    Hier mal ein Link auf eine Karte des Mittelalters, wo der „Gsalssen See“ in seiner ursprünglichen Größe dargestellt wird.

    http://mapy.mzk.cz/mzk03/001/059/204/2619317506/

    #32501

    @Knetterwilly,
    danke für die fachlichen Erläuterungen.
    Ergänzend dazu noch, dass man bei der Realisierung einer Sperrwand auch weitere Schöpfbauwerke und Siele errichten müßte, um nicht nur das Wasser des durch den Passendorfer Kirchteich laufende Wasser des Roßgrabens bei Hochwasser über den Passendorfer Deich zu schöpfen.

    #32607

    Wo/wie soll die Tonwand beispielsweise die Magistrale queren?

    #32619

    @knetterwilly Danke für die fachliche Ausführung. Sehr nachvollziehbar und vernünftig erklärt. So kann ich mir wenigstens eine kleine Vorstellung davon machen, über welche Dimensionen wir hier reden.

    #32677

    @Hei-wu,
    „Wo/wie soll die Tonwand beispielsweise die Magistrale queren?“
    Das frage ich mich auch.
    Normalerweise soll eine Ton-oder Stahlspundwand mit dem Hochwasserdeich eine Einheit bilden und mittig in ddiesen eingebunden werden. So soll es wohl mit beim Neuaufbau des Gimritzer Dammes mit einer Stahlspundwand geschehen, aber offensichtlich hat sich die Stadt noch nicht mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz abgestimmt, um eine gesonderte parallele Spundwand zu vermeiden.
    Die Stadt hat sich zur Lage der seperaten Ton-oder Spundwand nur insofern geäußert, dass diese zwischen Brunnengalerie und den beiden Hochwasserdeichen verlaufen soll.
    Ob dies der richtige Trassenverlauf ist und die 8 m tiefe Sperrwand hinter den Deichen für eine Alternative zur Brunnengalerie ausreichend ist, steht ohne weitere Untersuchungen immer noch in den Sternen.
    Bei einer optimalen Mittenlage einer möglichen Sperrwand stünde ja dann auch die Sanierung bzw. ein Neuaufbau auch des Passendorfer Dammes zur Diskussion!!!

    #32715

    ayo

    @Kenno @knetterwilly : Es ist schwer aber lohnenswert, hier im Wortsinne tiefgründige Argumente zu erhalten. Dafür setze ich mich auch gern in manchen Fettnapf. Euer beider Antworten sind die Mühe wert.

    Immer drängender wird eigentlich der Wunsch, die der aktuellen Debatte zugrunde liegende Expertise zu Gesicht zu bekommen. Ich nehme nicht an, dass sie von Laien und ohne belastbare Argumentation erstellt wurde. Auf die Antworten zu Euren handfest kritischen Fragen hier im Forum wäre ich gespannt.

    Selbstverständlich argumentiere ich vor rein theoretischem Hintergrund!

    Auf die in #32462 genannte Untersuchung seid ihr allerdings nicht eingegangen.
    Nicht folgen kann ich der Einschätzung, man könne solche Maßnahmen nicht finanziell kalkulieren, Unwägbarkeiten eingeschlossen.
    Unglaubwürdig erscheint das Szenario, Grundwasserströme vom Salzigen See würden gen Neustadt drücken. Denn dazu müssten sie eine Wasserscheide ignorieren, das Salzatal queren und bergauf fließen.

    #32728

    @Ayo,
    Entschuldige, aber welche Untersuchungen meinst du genau??
    S.37 ff ist sehr lang. Ich verweise nur auf Seite 67 im Punkt 5.1 „Geotechnische Untersuchungen“ oder Seite 82 „Windangriff auf Baumwurzeln im Deich… besonders der „Eschenblättrige Ahorn“.
    Auch ich halte die Gefahr von Grundwasserströmungen aus dem salzigen See von zu weit hergeholt.
    Viel größere Gefahren für den Grundwasserstand insbesondere im Gebiet von Halle-Ost sehe ich durch den Wiederanstieg in den ehemaligen Tagebaurestlöchern Hufeisensee, Lochau und Wallendorf.
    Für dem Zufluss von Grund-und Oberflächenwässer aus dem westlichen, nördlichen und südlichen Raum vom Halle-Neustadt käme nur der Heidesee, der Gräbssee, der Granauer Berg, die Dölauer Heide, der Saugraben und der Roßgraben in Frage.

    #32937

    ayo

    @Kenno Die Untersuchungen in der Diplomarbeit meinte ich. Zudem finden sich mit dem Suchwort „Bodenvermörtelung“ in der Literatur zwei Dokumente: S.107 (Einbau von Dichtwänden in alten Deichen, 2003) und S.111 (DIN EN 12716).

    Zu dem praktischen Beispiel in Polen wird die Firma Keller Grundbau genannt. Da die von mir ins Spiel gebrachte Arbeit nun fast 10 Jahre alt ist, gehe ich davon aus, dass andernorts hinreichende und evt. vergleichbare Erfahrungen gemacht wurden. Solche konkreten Erfahrungen mit diskutierten Technologien sollten herangezogen werden, bevor entschieden wird, meine ich.

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