Tres Culturas: Jom Kippur, das jüdische Versöhnungsfest

29. September 2017 | Nachrichten | Keine Kommentare

Zehn Tage nach dem jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschana beendet Jom Kippur die jüdische Bußzeit. Der „Tag der Sühne“ ist kein eigentlicher „Feiertag“, sondern vielmehr ein Tag der Einkehr, des Fastens und des Gebets. Es herrscht ein strenges Arbeitsverbot, der Tag dient dem Nachdenken über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es wird der Verstorbenen gedacht, Unrecht wieder gutgemacht und sich untereinander ausgesöhnt.

Das Fasten zu Jom Kippur ist allumfassend: eine ganze Nacht und den ganzen darauffolgenden Tag wird weder gegessen noch getrunken, nicht einmal Leitungswasser. Das Fasten beginnt vor dem Sonnenuntergang des Vorabends und dauert bis zum Einbruch der Nacht am folgenden Tag, etwa 25 Stunden. Vor dem Fasten wird nochmal gefeiert, eine große Mahlzeit eingenommen und dabei wie zu Rosch Haschana etwas Süßes verzehrt. Besonders beliebt ist ein Stück Honigkuchen. Mit Sonnenuntergang des Folgetages beginnt die Nacht des Fastenbrechens, die schon zum 5 Tage später folgenden fröhlichen Laubhüttenfest überleitet.

Die Synagoge in Halle vor dem zweiten Weltkrieg

Vom Vorsitzenden der reformjüdischen Synagogengemeinde in Halle bekamen wir folgende Geschichte zu Jom Kippur erzählt:
„Es ist der Tag des absoluten Fastens und der Enthaltsamkeit und der Ruhe. Es ist fernerhin der Tag, an welchem alle den Juden im Laufe des vergangenen Jahres abgezwungenen Gelübde aufgehoben werden. So wie seinerzeit, als Juden zwangsgetauft wurden, das Judentum verleugnen mussten und nur unter Lebensgefahr ihrem Glauben nachgehen durften: am Jom Kippur wurde ihnen verziehen.
Orthodoxe Juden beten in der Synagoge die ganze Nacht hindurch. Als eines Tages orthodoxe Juden in einer Gemeinde irgendwo in Deutschland Jom Kippur feierten, soll, so wird erzählt, der damalige Vorsitzende einem anderen das Gebetbuch auf den Kopf gehauen haben, weil er diesen beim Rauchen in der Synagoge antraf. Letzteres ein Sakrileg, das nicht zu vergeben ist, selbst nicht für uns Reformjuden. Aber vielleicht haben sie deswegen auch schon mal an einem Jom Kippur um Vergebung nachgesucht. Denn sowohl das Rauchen wie ein tätlicher Angriff sind am Jom Kippur schwere Sünden, zumal in der Synagoge.
Eigentlich ist Jom Kippur an Heiligkeit nicht zu übertreffen. Das war auch der Grund dafür, dass arabische Länder Israel am Jom Kippur überfielen, weil sie sich erhofften, dass alle Juden streng den Ruhegebot nachgingen und sie unbehelligt Israel überrennen konnten.“
Der Jom-Kippur-Krieg, bei dem am Nachmittag des Fasttages Israel von Ägypten, Syrien und weiteren arabischen Staaten angegriffen wurde, fand vom 6. bis 25. Oktober 1973 statt. Er war einer der Kriege im Nahost-Konflikt, der durch den Israelisch-ägyptischen Friedensvertrag vom 26. März 1979 entschärft, aber bis heute nicht gelöst wurde.

Ob sich in diesen Tagen auch die othodoxe jüdische Gemeinde Halle und die reformjüdische Synagogengemeinde versöhnen, ist dem HalleSpektrum nicht bekannt. Hinweisen möchten wir aber noch auf die Veranstaltungen der jüdischen Kulturtage, die vom Freundeskreis Leopold Zunz Zentrum e.V. c/o Seminar für Judaistik/Jüdische Studien organisiert werden.

Weitere Beiträge der Reihe Tres Culturas:

  1. Was bedeutet Weihnachten für Christen, Muslime und Juden?

  2. „Von guten Mächten wunderbar geborgen…“

  3. 6. Januar: Dreikönigsfest

  4. Frauen treffen sich zum interreligiösen Dialog

  5. Huysburg: Ein Wochenende im Kloster

  6. Besuch bei der Synagogengemeinde in Halle-Trotha

  7. Purim oder das Losfest

  8. Osternacht auf dem Petersberg

  9. Gott ist schön und liebt das Schöne

  10. Beginn des islamischen Opferfestes

  11. Ein süsses Leben Euch allen!

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