Jüdischer Bloger: Überregionale Bedeutung? Bitte nicht!

20. Januar 2018 | Kultur | 2 Kommentare

Das Museum Synagoge Gröbzig ist deutschland- und europaweit als historischer Gebäudekomplex von Synagoge, Gemeindehaus, Schule und Friedhof als authentisches Zeugnis der ehemaligen jüdischen Gemeinde erhalten.“ (Quelle: Museum Synagoge Gröbzig). Nun ist das Museum wegen Trägerwechsel und fehlender Finanzierung geschlossen worden. Auch die Stelle der bisherigen Museumsleiterin Marion Méndez steht zur Diskussion. Der jüdische Bloger Chajm macht sich Sorgen (s. Gastbeitrag) und das zu Recht. In einem Landkreis wie Anhalt-Bitterfeld, in dem die AfD einige ihrer Hochburgen hat, ist die Schließung eines jüdischen Museums, und sei es nur vorübergehend, ein falsches Signal. Und wegen überregionaler Bedeutung Museumsarbeit anzuprangern, ist die albernste Ausrede, die wir in letzter Zeit gehört haben. Was wäre das Land Sachsen-Anhalt z.B. ohne das überregional erfolgreiche Landesmuseum für Vorgeschichte?

Gastbeitrag Chaym: Überregionale Bedeutung? Bitte nicht!

Die Synagoge Gröbzig (Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt) ist für die Region eine Art Geschenk (wenn man bei verlassenen, verwaisten Synagogen davon überhaupt sprechen kann), wobei die Geschichte des Gebäudes stellvertretend für viele andere ist: Schon vor 1939 aufgegeben und so erhalten geblieben, danach anderweitig genutzt und fast in Vergessenheit geraten. Die DDR hatte kein besonderes Interesse am Erhalt dieser Erinnerung an die jüdische Gemeinde. Erhalten geblieben ist ein Ensemble aus Synagoge, Gemeindehaus, Schule und Friedhof – also eine Seltenheit. All das kann man sich anschauen und erschließen. Regelmäßig finden Konzerte und Ausstellungen statt. Die Ausstrahlung geht über den Landkreis weit hinaus. Also etwas, wofür engagierte Macher leidenschaftlich kämpfen. Und genau das ist das Problem und genau deshalb wird der derzeitige Träger nicht mehr finanziert. Der MDR zitiert Bernhard Böddeker vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld nach den Ausführungen, dass das Museum ein überregionaler Anziehungspunkt sei:

„Die Veranstaltungen im Museum seien in der Vergangenheit kaum von Menschen aus Gröbzig, Köthen oder der Region besucht worden. Stattdessen seien Besucher aus ganz Deutschland vor Ort gewesen. »Das ist ja auch schön. Es ist aber nicht das, wofür wir so viel Geld ausgeben wollen“, sagte Böddeker.
von hier, MDR

Die Rede ist von 120.200 Euro für den Betrieb des Museums. Um das »Problem« der überregionalen Bekanntschaft zu beheben, wird derzeit ein neuer Förderverein gegründet. Dieser soll scheinbar ein kleineres Profil fahren und dafür sorgen, dass das Museum nicht so auffällt. Ein wichtiger Beitrag bei der Bemühung jüdisches Kulturgut auf deutschem Boden kleinzureden und möglichst unauffällig unterzubringen. Vielleicht nimmt man damit nun doch eine alte Erinnungstradition an?

Mit freundlicher Genehmigung vom Blog Chayms Sicht übernommen.

Informationen zur Thematik auch bei der MZ.

Hintergrund:

Chajm ist nicht nur Bloger und Bewohner des Ruhrgebiets, sondern auch Herausgeber von talmud.de und Organisator des Minchah-Schiurs im Ruhrgebiet. Einige seiner Artikel gibt es nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch in der Jüdischen Allgemeinen.

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