Hochschulen sollen Corona-Zwangsabgabe liefern. Akademischer Senat der MLU protestiert

10. Juni 2020 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

 Nachdem die Landesregierung den von Wissenschaftsministerium und Hochschulen erarbeiteten Zielvereinbarungen 2020-2024 gestern zugestimmt hat, hat heute der Wissenschaftsausschuss des Landtages darüber diskutiert. Wesentliche Inhalte der Zielvereinbarungen sind die Weiterentwicklung von Studium, Lehre, Forschung, Digitalisierung und Internationalisierung an den Hochschulen und Medizinischen Fakultäten. Zugleich garantieren die Zielvereinbarungen den Hochschulen die verabredeten Budgets in den nächsten fünf Jahren.

Das Hochschulbudget wird in den Jahren 2020 bis 2024 bei rund 383 Millionen Euro liegen – und damit gut 6 Prozent oder 22 Millionen Euro höher als noch 2019 (361,2 Mio. Euro). Im Vergleich zu 2016 (324,3 Mio. Euro) beträgt der Aufwuchs sogar 18 Prozent bzw. rund 59 Millionen Euro. Darin enthalten sind u.a. erstmals ein Inflationsausgleich, eine Kompensation für wegfallende Langzeitstudiengebühren sowie Zuschüsse für die aufgestockte Lehramtsausbildung und Baumaßnahmen. Um über die so garantierten Hochschulbudgets Einvernehmen innerhalb der Landesregierung herzustellen, werden allerdings die Hochschulen gezwungen, zur Bewältigung der Corona-Belastungen des Landes von 2022 für drei Jahre jeweils zwei Millionen Euro aus überjährig übertragbaren Ausgaberesten an den Landeshaushalt zurückführen.

Protest folgt auf den Füßen

Der Akademische Senat der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hat in seiner heutigen Sitzung eine deutliche Protestnote an die Landesregierung zum geforderten „Corona-Solidaritätsbeitrag“ formuliert. Zur Bewältigung der Folgen der Covid-19-Pandemie wird von den Hochschulen verlangt, insgesamt 6 Mio. Euro im Zeitraum von 2022 bis 2024 an das Land Sachsen-Anhalt abzuführen. Für die MLU würde das im Zusammenhang mit der geplanten Unterzeichnung der Zielvereinbarung für denselben Zeitraum bedeuten, insgesamt 2,5 Mio. Euro aus den Haushaltsmitteln der Universität in den Landeshaushalt zurückführen zu müssen – und das vor dem Hintergrund, dass zugleich deutliche wirtschaftliche Impulse von den Hochschulen erwartet werden sowie hohe Eigeninvestitionen in die Digitalisierung erbracht werden müssen. Es folgt die Erklärung im Wortlaut.

Protestnote des Akademischen Senats der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zur Zielvereinbarung 2020-2024

Zur Bewältigung der Folgen der Covid-19-Pandemie wird von den Hochschulen verlangt, einen Corona-Solidaritätsbeitrag in Höhe von insgesamt 6 Mio. Euro im Zeitraum von 2022- 2024 an das Land Sachsen-Anhalt zu leisten. Für die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) würde das im Zusammenhang mit der geplanten Unterzeichnung der Zielvereinbarung 2020-2024 bedeuten, insgesamt 2,5 Mio. Euro aus den Haushaltsmitteln der Universität in den Landeshaushalt zurückführen zu müssen.

Die MLU ist sich ihrer solidarischen Verantwortung zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen durch die Corona-Krise bewusst.

Dessen ungeachtet erklärte der Rektor gegenüber dem Senat, dass die Forderung aus Sicht der Hochschulleitung nicht akzeptiert werden kann, zur Abwendung schweren Schadens für die MLU aber keine andere Möglichkeit gesehen werde, als die Zielvereinbarung jetzt zu unterschreiben. Das Land habe unmissverständlich klargemacht, welche weitreichenden und schwerwiegenden Konsequenzen die Verweigerung der Unterzeichnung der vorliegenden Zielvereinbarung nebst Protokollnotiz für die MLU haben werde.

Der Senat weist die Forderung auf Rückführung von knapp 2,5 Mio. Euro an den Landeshaushalt deutlich zurück. Die MLU verfügt über keine freien Haushaltsüberschüsse, die eine Rückführung finanzieller Mittel rechtfertigen könnten. Die Forderung des Landes kann, wenn sie tatsächlich realisiert werden sollte, nur zu Lasten des Grundhaushalts der MLU gehen. Das widerspricht dem immer wieder erklärten Ziel der Landesregierung, den Grundhaushalt der Universität stabil zu halten. Im Ergebnis wird die Kürzung der finanziellen Mittel der MLU, die jetzt von der Landesregierung verlangt wird, zu Lasten von Forschung, Lehre und Verwaltung gehen. Einsparungen bei Personal und Sachmitteln werden für die MLU unumgänglich sein. Damit wird nicht nur der Universität Schaden zugefügt. Vielmehr werden die Budgetkürzungen, zu denen die MLU gezwungen wird, erhebliche negative Auswirkungen auf das Innovationspotential des Landes Sachsen-Anhalt und die Beteiligung der MLU an nationalen und europäischen Forschungsverbünden haben.

Überdies betont der Senat, dass die MLU im Sinne der solidarischen Bewältigung der Corona-Krise bereits erhebliche finanzielle Anstrengungen unternommen hat. Im Haushalts-jahr 2020 sind Mehrausgaben, die unmittelbar mit der Corona-Krise im Zusammenhang stehen, von mindestens 2 Mio. Euro notwendig und werden von der Universität getragen; finanzielle Unterstützung durch das Land gibt es nicht. Dabei ist der weit überobligatorische Einsatz der Mitarbeiter*innen der Universität zur Aufrechterhaltung des Lehr-, Forschungs- und Verwaltungsbetriebs noch nicht berücksichtigt. Innerhalb weniger Wochen wurde an der MLU für ca. 20.000 Studierende ein weitgehend digitales Semester organisiert und wird seit-her durchgeführt. Ebenso hervorzuheben sind die zahlreichen Forschungsprojekte, die sich mit COVID-19 befassen, an denen Wissenschaftler*innen der MLU beteiligt sind. Die Bedeutung von Forschung und Lehre als zentrale Zukunftsbereiche in Sachsen-Anhalt zeigt sich damit gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise durch die Leistungen der MLU.

Der Senat sieht ebenso wie die Hochschulleitung keine Alternative zur Unterzeichnung der vorliegenden Zielvereinbarung nebst Protokollnotiz. Der Druck, der diesbezüglich von der Landesregierung auf die Hochschulleitung ausgeübt wurde, ist schwer erträglich. Damit ist das Vertrauensverhältnis zur Landesregierung beschädigt worden. Der Tag der Unterzeichnung ist kein guter Tag für das ganze Land Sachsen-Anhalt.

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