„Härtefall ist der Normalfall“: Erklärung der Studierenden in Sachsen-Anhalt

2. Juni 2020 | Bildung und Wissenschaft | Ein Kommentar

Studierende leiden unter der Corona-Krise in vielfältiger Hinsicht. Vor diesem Hintergrund hat heute die Landesstudierendenkonferenz Sachsen-Anhalt eine umfassende Erklärungt abgegeben. Hier der Wortlaut:


Wir, die Landesstudierendenvertretung von Sachsen-Anhalt, die SRK St, unterstützt von den Studierendenräten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Hochschule Merseburg, der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik, der Hochschule Harz, der Hochschule Magdeburg-Stendal und der Hochschule Anhalt wollen uns an dieser Stelle zur Situation der Studierenden im Sommersemester 2020 äußern.

Wir fordern „Krisen-Freiversuche“, die Zurückzahlung der Langzeitstudiengebühren und die Anrechnung des aktuellen Semesters als „Kann-Semester“.

A. Krisen-Freiversuch

“Krisen-Freiversuch” bedeutet, dass das Nicht-bestehen von Prüfungen in der Krisenzeit nicht als Fehlversuch gewertet wird. Zweitens, dass ein erneutes Ablegen der Prüfung, auch wenn die Prüfung bestanden wurde, möglich ist. Dazu bedarf es keiner weiteren Begründung. In diesem Fall kann eine Prüfungsleistung im selben Prüfungsversuch erneut abgelegt werden. Drittens werden Wiederholungsfristen für das aktuelle Semester unterbrochen und verlängern sich automatisch um ein Semester.
Die Studierenden haben zurzeit nämlich mit in einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen:

1. Viele haben finanzielle Sorgen, weil ihr Nebenjob weggefallen ist und/oder ihre Eltern
sie nicht mehr unterstützen können.
2. Studierende können sich nicht mehr in Lern- und Arbeitsgruppen treffen.
3. Die digitalen Gegebenheiten sind nicht für alle Studierende gleich, dadurch entsteht
eine Ungleichheit der Gegebenheiten und Chancen.
4. Studierende, die Eltern sind, müssen ihre Kinder zu Hause betreuen.
5. Verschobene Prüfungen vom letzten Semester sind weit von einer adäquaten
Vor- und Nachbereitung entfernt und bedeuten, zusätzlich zum laufenden
Semester, einen zeitlichen Mehraufwand.

All diese Punkte waren vor kurzem noch Ausnahmefälle unter den Studierenden und würden vermutlich in einem Härtefallantrag als Begründung anerkannt werden. Da mindesten einer dieser Punkte auf so gut wie jede*n Studierende*n zutrifft, ist der Härtefall jedoch zum Normalfall geworden. Ein „Krisen-Freiversuch“ wäre also angemessen.
Wir möchten wir darauf hinweisen, dass eine Prüfung immer eine große Belastung für Psyche und Gesundheit ist. Unklare Prüfungssituationen und z.B. die Möglichkeit in einem Drittversuch zu scheitern, potenzieren dieses Unbehagen sogar noch. Die „Krisen-Freiversuche“ würden dieses abschwächen und sehen wir in dieser Krise als notwendig an.
Unsere dringende Aufforderung an die Hochschulleitungen ist: Überdenken Sie ihre Haltung und führen Sie den “Krisen-Freiversuch” ein. Die Universität Köln hat vorgemacht, wie es gehen kann.

B. Langzeitstudiengebühren

Langzeitstudiengebühren waren, sind und werden obsolet.
Langzeitstudiengebühren wurden ursprünglich mit dem Zweck eingeführt, die Studienzeit zu verkürzen. Dass sie mitunter genau das Gegenteil bewirkten und die Zahl der Langzeitstudierenden nicht reduzieren konnte, hat auch die Landesregierung vor einiger Zeit erkannt.
Aus diesem Grund haben sie die Langzeitstudiengebühren aus dem neuen Hochschulgesetz (HSG) gestrichen. Eine gute Sache, die wir begrüßen! Allerdings wurden für das aktuelle Semester noch Langzeitstudiengebühren eingezogen. Das darf nicht sein.
Unsere Landesregierung könnte von heute auf morgen das Leben vieler Studierender in Zeiten der Corona-Krise erleichtern. Und zwar indem sie den Studierenden die Langzeitstudiengebühren für das aktuelle Semester erlässt bzw. ihnen zurück überweist. Den Hochschulen werden die entgangenen Einnahmen kompensiert. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen prekären Lebenslage vieler Studierender und der Tatsache, dass die Langzeitstudiengebühren mit dem neuen HSG ohnehin wegfallen, wäre das eine den Umständen angemessene Entscheidung. Für die betroffenen Studis können diese 500 Euro unter Umständen den Unterschied machen, ob sie weiterhin studieren können oder nicht.
Wir fordern Hochschulleitungen und Landesregierung auf, den Studierenden beim Thema Langzeitstudiengebühren entgegenzukommen und ihnen die bereits gezahlten und noch ausstehende Beiträge zurückzuzahlen bzw. zu erlassen.

C. Kann-Semester

Die logische Schlussfolgerung ist, dass das aktuelle Semester in ein Kann-Semester umgewandelt werden muss. Zentral ist hierbei, dass den Studierenden:

1.Krisenfreiversuche, wie oben beschrieben, in allen Modulen ermöglicht wird.

2.Langzeitstudiengebühren aus dem Sommersemester 2020 zurückgezahlt oder erlassen werden.

3.Möglichkeit zu geben ist, das aktuelle Semester auf die Regelstudienzeit nachträglich nicht anrechnen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen,

Studierendenrätekonferenz Sachsen-Anhalt

Studierendenrat der Universität Magdeburg

Studierendenrat der MLU Halle-Wittenberg

Studierendenrat der HS Merseburg

Studierendenrat der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

Studierendenrat der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik

Studierendenrat der HS Harz

Studierendenrat der HS Magdeburg-Stendal

Studierendenrat der HS Anhalt

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