Zerrupfter Patenbaum im Wintersturm

1. Januar 2024 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Leicht humpelnd schlich Hei-Wu durch den Gimritzer Park. Er hatte sich vor wenigen Tagen bei seinem Ausflug zum Peißnitzhaus eine Zerrung zugezogen, weil er mit dem Fuß in einem Schlagloch abgeknickt war. Er hatte ziemlich die Stadt verflucht, weil die seiner Ansicht nach vollkommen überflüssiger Weise sämtliche Straßenlaternen abgeschaltet hatte. Auch heute war es schon wieder fast dunkel, wieder zogen Nachtwolken über den Himmel. Die Erzählungen hatten über die „Wilde Jagd“ hatten Hei Wu neugierig gemacht, und mit etwas Phantasie jagten „Sie“ tatsächlich über den Himmel. Es schauderte ihm geradezu bei dem Gedanken, selbst ein Opfer von „Ihnen“ zu werden. In den Himmel hinein aber schob sich der unheimliche Schatten eines wohl bei der wilden Jagd arg gerupften Baumes. Nur noch wenige Blätter zitterten an den Spitzen der nahezu entblößten Zweige. Dumpfe Donnerschläge zerrissen die Nacht, „wahrscheinlich alles illegales Polenzeug“, fluchte Wu. Je mehr seine Jugend dahin zerronnen war, mochte er sich kaum noch dran erinnern, wie er selbst als Jugendlicher diesen gefährlichen Spaß mit dem Sprengstoff getrieben hatte. Bis dann es eines Tages seinem Kumpel die Hand zerrupft hatte. Lang war es her. Der Baum war noch ein ganz junger, einer derer, die die Stadt Halle neulich nachgepflanzt hatte. Noch stand das junge Bäumchen „eingekäfigt“ zwischen den drei Pflöcken, die das Grünflächenamt eingegraben hatte und das junge Bäumchen gegen die Zugriffe der unheimlichen Winde mit dicken Tauen sicherten. Hei-Wu zog seine Taschenlampe heraus, und leuchtete auf des Kleine Schildchen, das man nach der Pflanzung aufgestellt hatte. „Patenbaum“ stand ganz oben auf. In Gedenken offenbar an einen geschätzten ehemaligen Mitarbeiter hatten Kollegen des Unikrankenhauses 2023 den Baum gestiftet. Als er den Namen des Baumes las, glaubte Hei-Wu sich zu erinnern, den schon mal in Griechenland gesehen zu haben. Oft sogar. Ganze Wälder gibt es dort davon. Die Bäume werden dort meist nicht sehr groß, denn bevor sie ihre endgültige Größer erricht haben, werden sie zu Brennholz verareitet. Eigentlich ist das Holz zu schade, um verheizt zu werden. Das rötlich braune Kernholz ist sogar noch fester und härter als das der berühmten Deutsche Eiche.

Um welchen Baum handelt es sich?

Und wo steht er genau ?

Bis wann muss man sich bei der Stadt melden, wenn man dieses Jahr noch eine Baumpatenschaft übernehmen will?

Gibt es irgendwo eine Karte, auf denen alle Patenbäume in Halle verzeichnet sind?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Wilder Sturm zu Heiligabend“) : Somalischer Weihrauch, Boswellia sacra

Nhu Deng schrieb uns: „Die Nächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag werden auch als Rauhnächte bezeichnet. Es ist die dunkelste Zeit des Jahres und meistens auch die ungemütlichste. In vielen Teilen Europas ist die Volkssage verbreitet, dass sich während dieser Nächte eine Gruppe unnatürlicher Jäger über den Himmel jagt. Wenn die Jagdgesellschaft angesehen wird, kann das schlimme Folgen haben. Wir hörten, was mit Elfriede passiert ist. Und nicht immer hat man Weihrauch bei der Hand, um mit diesem Räucherwerk die Geister zu bannen. Diese naturwissenschaftlich bewanderten Gestalten erkannten auch gleich und riefen: ‎Boswellia ! Unsere vielseitig nutzbare Frau Holle schließt sich auch im mitteldeutschen Raum diesem Geisterzug an, möglicherweise in ihrer früheren Figur der Göttin Freya, Frigga, Gattin des Odin. Sollte in der Weihnachtsgeschichte der angebliche Knabenmord des Herodes auch solche Wurzeln haben?

Odins Jagd. Gemälde von Peter Nicolai, 1872

Und was hatte es nun mit jener Frau Holle zu tun? Hier schreibt Nhu Deng: „Frau Holle auch Perchta, Percht genannt. Ich möchte noch erinnern, dass man während der Rauhnächte keine Wäsche aufhängen darf, da sie durch die Wilden Jäger zerstört würde. Der angebliche Knabenmord wird nur im Evangelium des Matthäus erwähnt. “

Was für eine feine Überleitung zu Weihrauch. Den brachten, samt Gold und Myrre, nach der biblischen Geschichte die „Weisen“ oder, wie es im griechischen Originaltext heißt, die „Magier“ aus dem Orient dem Neu geborenen Jesusknaben mit. Der antiken Welt war die Symbolik wohl bekannt: Dahinter steckt die Zeremonie des „aurum coronarium“, der Goldkranzspende. Dazu übergibt ein Barbar dem Triumphator einen goldenen Siegeskranz. Der Weihrauch als Geschenk der Magier ist wiederum ein Hinweis auf die Göttlichkeit des Beschenkten.Nicht erst im Christentum entfaltete brennender Weihrauch göttliche geheime Kraft: er soll vor allem also Unheil abwendende  Wirkung haben. In afrikanischen Ländern soll er auch luststeigernde Wirkung entfalten: Frauen räuchern das Haus mit Weihrauch, um ihre Männer sexuell zu stimulieren.

Der Antiken Welt war die Herkunft des Weihrauchs, dem Harz aus den Weihrauchbäumen Boswelli sacra und verwandter Arten, so unbekannt wie die Quellen des Nils. Die Weihrauchbäume wachsen insbesondere in Somalia, dem Oman, Indien, Erithrea und Sudan. Es sind die Trockengebiete der Paläotropis. Von hier wurde sie über verschlungene Handelswege – ähnlich denen der Seidenstraße – über tausende Kilometer gehandelt. Der Weihrauchbaum selbst ist ein unscheinbares, stacheliges Gewächs. Er ist ein Überlebenskünstler in diesen extrem heißen und wasserarmen Lebensräumen. Nur an den an den oberen Enden seiner knorrigen Äste entwickelt er gefiederte Blätter . Seine Blüten sind auffällig, mit cremefarbenen Kronblättern, gelben Staubblättern und einer gelb-roten Verfärbung nach der Bestäubung. Die Rinde blättert ab, und bei Verletzung tritt eine zähe Flüssigkeit aus, die zu kleinen Klümpchen eintrocknet. Dies sind die begehrten Weihrauchkörner. Die Ernte des kostbaren Harzes erfolgt durch Abschneiden von Rindenstücken, wobei erst bei der zweiten Ernte qualitativ hochwertiges Harz gewonnen wird, vorzugsweise im Herbst.
Für sich genommen sind diese bernsteinfarbenen harten Körnchen ohne Geruch. Erst beim Verschwelen (nicht Verbrennen) werden ätherische Öle und Pyrolyseprodukte freigesetzt, die den Duft bewirken. Unter Anderem sind auch Boswelliasäuren enthalten, sie haben eine zytostatische Wirkung und werden als Arzneimittel gegen Krebs erprobt.

Das Räuchern mit Weihrauch ist durchaus nicht ganz trivial. In den Kirchen werden hierzu Weihrauchkohlen verwendet, heute sind dies zumeist in Tablettenform gepresste Holzkohlen, denen als Anzündhilfe etwas Salpeter gegeben wird. Nach dem Entzünden hüpfen erst einige Funken über die Kohleoberfläche. Dann gibt man ein bis zwei Stück der Weihrauchklümpchen darauf, die dann anfangen zu schwelen und duftenden Rauch abgeben. Der Weihrauch darf nicht zu heiß werden, dann entstehen auch unangenehme Gerüche (wie verschmortes Plastik), und keinesfalls darf er Feuer fangen. Schon in der Antike kannte man Weihrauchfässer, wie sie auch heute noch in den Kirchen verwendet werden. Mit dem auf- und zuklappbaren Deckel regelt man so die Abgabe von Rauch wie auch den Zutritt von Sauerstoff. Weihrauchfässer gehörten seit dem frühen Mittelalter zu den bedeutendsten sakralen Gold-und Silberschmiedearbeiten.

Alle anderen Pflanzen der Woche, seit 2016, findet Ihr hier im Archiv

 

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