Wilder Sturm zu Heiligabend
25. Dezember 2023 | Bild der Woche | 5 KommentareEs war eigentlich ein schöner Plan zu Heiligabend. Heino und Elfriede hatten verabredet, zunächst noch auf den Weihnachtsmarkt tzu gehen, und dann anschließend die Christvesper in der Marktkirche zu besuchen. Heino war eigentlich dagegen, er hatte mit der Kirche schon lange ni9chts am Hut, Elfriede eigentlich, wenn sie ehrlich war, auch nicht. Aber etwas Romantik musste sein. Immerhin zahlte sie auch noch Kirchensteuer (was Heino ihr immer wieder auszureden versuchte), da wollte sie wenigstens einmal was geboten bekommen für ihr Geld. Aber es ging sowieso schief, und es endete in einem Drama. Um 17:00 wollten sie an der Marktkirche sein, doch die Straßenbahn verspätete sich. In der Kirche dudelte die Orgel, die Türen waren verschlossen. Über den Marktplatz fegte ein eisiger Wind, und mit Weihnachtsmarkt war auch nichts – geschlossen. Heino stieß einen unchristlichen Fluch aus, verwünschte sich diese ganze Scheinheiligkeit und reckte die Fäuste gegen den Himmel. Das Wolkentreiben über dem Markt wurde immer schneller, eisiger Wind rüttelte an den verrammelten Buden, eine Bude mit Märchenfiguren für Kinder wurde auseinandergerissen, die Figuren polterten über den Platz. Die Hütte mit Räuchermännern und – Kerzen platzte unter dem Winddruck, es folgte noch etliches Mehr. Zuckerkram, Brezeln, die Flügel der Pyramide segelten davon und zerklatschten an der Wand des Ratshofes. Die Pappfigur „Frau Holle“ rollte auf sie zu, und Heino konnte sie nur mit einem Kräftigen tritt vor den Latz abwehren. Das hätte er nicht tun sollen.
Als die blöde Puppe jämmerlich aufriss und aus dem Bauch eine Wolke von Federn stieb, erhob sich ein markerschütterndes Geschrei und Gebrüll am Himmel. Als würden hundert Exemplare des Nazi-Schreihalses und Querdenker gleichzeitig den Markt beschallen. Ein endloser Zug quoll aus dem Nächtigen, schrecklich anzusehende Gestalten, brüllende Keulenschwinger, kläglich jammernde Zombies und zerstückelte Leichen. Nackte Frauen wurden an den Haaren mit geschleift. Eine furchtbare Jagd, angeführt von einem einäugigen Reiter auf einem achtbeinigen Pferd. Einer der reitenden Wutbürger hatte Elfriede entdeckt – die es gewagt hatte, das furchtbare Schauspiel anzusehen. Er stieß nieder, griff sie, zerrte sie empor. Schon sah Heino, wie die in Todesangst schreiende Elfriede fortgerissen wurde, um an dem Zug teilzunehmen. Heino ergriff eines der Räuchermännchen, die umherflogen. Sie rauchten noch und verbreiteten betörenden Duft, der sich verstärkte, als Heino sie beschwörend gegen den Himmel hob. Ein wütendes Geschrei erhob sich ob des Rauches. „Boser Will, Bos well !, irgend so etwas, was wie germanisch klang, riefen die, die da Angst vor dem Rauch hatten. Sacrament! Der Zug löste sich auf, Elfriede, ziemlich zerzaust, glitt wieder zu Boden.
„Du hast mich gerettet“, schluchzte sie. „ich nicht. Sondern es war wieder eine Pflanze. Haha. Und die da, lachte er und zeigte auf die qualmenden Räuchermännchen. Nach Tannenduft roch es nicht.
– Das Produkt welcher Pflanze hat Elfriede aus der Macht des bösen Zuges befreit ?
-Was war das für ein unheimlicher Zug am Himmel?
-In welcher Zeit muss man besonders aufpassen?
-Was hat Frau Holle damit zu tun?
-Und wo taucht das in der Weihnachtsgeschichte auf?
Auflösung der letzten Pflanze der Woche („der Tannenbaum in der großen Gosenstraße“): Pseudofumaria alba, blasser Scheinerdrauch.
Nhu Deng hatte die Lösung präsentiert: wir suchten den blassen Scheinerdrauch, Pseudofumaria alba. Früher hat man die Pflanze zur Gattung der Lärchensporne eingeordnet, und so hieß er auch Corydalis ochrolutea, ockergelber Lärchensporn.
Nhu Deng schrieb: „Ha, wenn sich im Rätsel so viele Mitarbeiter mit auffälligen Namen tummeln, ist es leicht die Pflanze zu finden. Dort wächst der Pseudofumaria alba (Falscher Erdrauch), der auch als Weißlichblühender Scheinlerchensporn benannt wird. Die Blätter erinnerten mich gleich an den Lerchensporn, er im Schatten von Gehölzen wächst. Der „Falsche Erdrauch“ liebt aber Steinfugen und Geröllhalden. Er klettert auch nicht am Regenrohr“.
Hei – Wu hat extra nachgesehen: tatsächlich klettert der Scheinerdrauch nicht am Regenrohr. Er tut nur so: es sind tatsächlich mehrere Pflanzen, die sich übereinander in den Fugen des Mauerwerks hinter der Regenrinne ausgesät haben. Jede einzelne ist nicht größer (höher) als vielleicht 20-30 cm. Man sieht auch auf dem Bild unten, dass selbst kleinste Mauerwerkritzen genügen, dass sich ein Pflänzchen ansiedeln kann.
Alle anderen Pflanzen der Woche, seit 2016, findet Ihr hier im Archiv
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„Lieber Wodanszug: könnt Ihr bitte Rebenstorf mitnehmen (merkt ja niemand)“
Doch, aber Monate später, wenn die Ergebnisse seines Wirkens ausbleiben, und jeder mittelmäßig begabte Mensch sich wundert, wieso ihm der störende stellenweise gefährliche Unfug aus dem Baudezernat nicht mehr begegnet.
Wir wurden mal als Studenten von unseren Vermietern abgezählt, weil wir zu Karfreitag Wäsche aufgehängt haben. Das ist gar nicht so lange her.
Trotzdem verstehe ich die Furcht vor den Rauhnächten. Wenn Du in den Himmel um diese Zeit schaust, sieht Du diese Wolken, die über den dunklen Himmel jagen.
Auch die Stadtverwaltung hat Angst. In den Rauhnächten sind alle Straßenlaternen längs der Saale ausgeschaltet. Auch wenn schon längst keine Hochwassergefahr besteht. Lieber Wodanszug: könnt Ihr bitte Rebenstorf mitnehmen (merkt ja niemand)
Nachtrag: Frau Holle auch Perchta, Percht genannt. Ich möchte noch erinnern, dass man während der Rauhnächte keine Wäsche aufhängen darf, da sie durch die Wilden Jäger zerstört würde.
Der angebliche Knabenmord wird nur im Evangelium des Matthäus erwähnt.
Vielleicht steckte da gar nicht Herr Rodes dahinter, sondern seine Frau? Die Rodina, die Schlampe, Erfinderin des russischen Nationalismus?
Ich habe „Frau Holle“ einst als Kindermädchen erzählt bekommen. Da schüttelte sie das Bett aus, irgendwie war da ein Loch in der Federdecke, und dann schneite es. Was für einen Scheiß hat man uns Kindern erzählt. Man hat uns damals schon alles verschwiegen und schöngeredet. Mit diesen Lügenmärchen muß mal Schluss sein. Holle=Hölle=Halle.
Die Nächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag werden auch als Rauhnächte bezeichnet. Es ist die dunkelste Zeit des Jahres und meistens auch die ungemütlichste. In vielen Teilen Europas ist die Volkssage verbreitet, dass sich während dieser Nächte eine Gruppe unnatürlicher Jäger über den Himmel jagt. Wenn die Jagdgesellschaft angesehen wird, kann das schlimme Folgen haben. Wir hörten, was mit Elfriede passiert ist. Und nicht immer hat man Weihrauch bei der Hand, um mit diesem Räucherwerk die Geister zu bannen. Diese naturwissenschaftlich bewanderten Gestalten erkannten auch gleich und riefen: Boswellia ! Unsere vielseitig nutzbare Frau Holle schließt sich auch im mitteldeutschen Raum diesem Geisterzug an, möglicherweise in ihrer früheren Figur der Göttin Freya, Frigga, Gattin des Odin. Sollte in der Weihnachtsgeschichte der angebliche Knabenmord des Herodes auch solche Wurzeln haben?