Der Tannenbaum in der Großen Gosenstraße

18. Dezember 2023 | Bild der Woche | 5 Kommentare

Einer der letzten Novembertage. Schon hat es die ersten Fröste gegeben. In der Gosenstraße riecht es nach Braunkohle, ein merkwürdiger Nebel zieht träge über das unregelmäßige, verrumpelte Kopfsteinpflaster. Rauch scheint aus den Spalten der Erde zu steigen, jedenfalls scheint es so. Zwischen zwei benachbarten Häusern steht ein erleuchteter Weihnachtsbaum. Darüber prangt der rote Stern eines HFC-Fanclubs. Und wir fragen uns natürlich, was für eine Pflanze hier vorgibt, ein erleuchteter Weihnachtsbaum zu sein.

Als das Foto aus der Entwicklung kam, gab es allerdings in der Pflanzenredaktion erst einmal Ärger. Elfriede war heute nicht da, und Schnulzenfan Heino hatte sich ahnungsvoll schnell in sein Zimmer verzogen, jetzt spielte er irgendwas von Costas Corydalis.

Abteilungsleiter Alba hasste nämlich Manipulationen. „Wir haben gar nichts manipuliert, empörte sich Fotolaborantin Erdmute Lerchenspitz. Alles analoge Tricks. „Der Rauch ist aus Heinos E-Zigarrette, seit der nicht mehr raucht, dampft er nur noch diese Teile. Den Qualm haben wir in die Szene geblasen. Ganz real. Und die Blüten sind einzeln mit kleinen LED-Taschenlampen angestrahlt“.
„Jaja, und der Stern auf der Spitze, der war ganz zufällig auch da?“. „Ja, bestimmt“, versuchte Erdmute zu flunkern. „Ich will, dass Sie in Zukunft diesen ganzen KI- und Fotoshopkram sein lassen“, befahl  Alba.  „der Stern war wirklich da !“. Erdmute stampfte mit dem Fuß auf. „Sie können doch hinfahren und sich davon überzeugen: Der Tannenbaum steht zwischen dem Haus Nr. 19 und der alten Schlosserei“.  Alba hatte nun wirklich keine Lust, wegen diesem Unsinn raus in die Große Gosenstraße zu fahren. Aber wozu gibt es denn Google-Maps? Er zog sich zurück ins Büro, Fräulein Lerchenspitz trabte hinter ihm her. Die Häuser waren nicht einmal verpixelt, bitte sehr:

Große Gosenstraße (Klick)

Und da stand sie nun, die Pflanze. „Hohl ist sie jedenfalls nicht, die Lerchenspitz“, fand er anerkennend, als die Dame hinter ihm triumphierend umherhüpfte.

„Aha. Scheint wohl mehrjährig zu sein, Ihr Tannenbaum“.

„Wieso?“

„Schaun Sie doch mal, wann der Google-Wagen da lang gefahren ist !“

Stimmt, dachte Erdmute, was habe ich doch für einen schlauen Chef!

Unsere Leser sind natürlich noch weil viel schlauer. Und da finden sie bestimmt raus:

  • Welche Pflanze muss hier als „Tannenbaum“ herhalten?
  • Sie hat im Laufe der Zeit mehrmals den botanischen Namen gewechselt. Welche und warum?
  • Unser Tannenbaum ist in dem Bild ziemlich hoch, er kommt locker auf anderthalb Meter. Rankt die Pflanze etwa an dem Regenrohr?
  • Hein ist offenbar auf E-Zigarette umgestiegen, wie wir erfahren. Raucht er die, dampft er sie oder was genau eigentlich?

Wenn wir nun schon mal in der Großen Gosenstraße per Google-Streetview unterwegs sind:

  • Auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Nummer 23 scheint ein Pflanzenliebhaber zu wohnen. Er lässt hübsche Kletterpflanzen an der Fassade emporranken, wozu er sogar ein paar Pflastersteine aus dem Bürgersteig entfernt hat. Tolle Sache, ist aber bestimmt verboten. Deshalb: nicht petzen.  Zwischen den Kletterrosen steht noch ein Rankengewächs mit schönen roten Blüten. Das hatten wir auch schon mal als Wochenpflanze dran. Wie heißt es?
  • Die Gosensträßler scheinen überhaupt Kletterpflanzen zu lieben. Wer findet noch mehr? Was rankt z.B. vor Haus Nr. 1 an der Laterne hoch?
  • Was hat der Inhaber der Schlosserei eigentlich für einen Berufsabschluss?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Tenga, die eierlegende Wollmilchsau): Cocos nucifera, die Kokospalme.

Es haben wahrscheinlich einige doch nach „Tenga“ gegoogelt. Nun ja. Wir sind ja nichjt prüde. Tenga (oder heute, richtig geschrieben, Thenga) bedeutet in Malajalam, einer südindischen, drawidischen Sprache, Kokosnuss. So gelangte die Bezeichnung „Tengta“ als latinisertes Wort in das Pflanzenbuch „Hortus Malabaricus“. „Kokos“ enstand erst später, entlehnt aus dem Griechischen „Kokkos“, was so viel bedeutet wie „Kern“ oder „Korn“.

Nhu Deng hatte unsere Fragen beantwortet: „Und die ganze Affenbande schreit: Wer hat die Kokosnuss, wer hat die Kokosnuss geklaut!
Gesucht wurde die Kokospalme und sie liefert alle Materialien, die man sich nur vorstellen kann: Holz, Fasern, Öl, Fett, die Wedel für Dächer, die Schalen als Gefäße und Brennmaterial, Kokosmilch, Kokoswasser, aus Palmwein kann Arrak gebrannt werden und vieles mehr. Kokosnüsse schwimmen im Wasser und haben so die Küsten erreicht.
Hortus Indicus Malabaricus ist der Name der Sammlung. In den 1650er Jahren entwickelte die Niederländische Ostindien-Kompanie eine Reihe von Initiativen, um die Natur in Asien besser zu erforschen. Bei dem„Garten von Malabar“ handelt es sich um ein 12-bändiges Kräuterbuch, das zwischen 1678 und 1693 in Amsterdam erschienen ist.

Und eine Kokosnuss möchte wohl keiner von uns auf den Kopf bekommen. Angeblich sollen jährlich mehr Menschen von den Nüssen der Kokospalme erschlagen werden, als durch Haiattacken ums Leben kommen.“

Und Elfriede litt unter dem Affenbanden-Ohrwurm, traute sich aber nicht. Vielleicht beim nächsten Mal  🙂

Amtliches Warnschild: Vorsicht vor herabfallenden Kokosnüssen.

Alle anderen Pflanzen der Woche, seit 2016, findet Ihr hier im Archiv

 

 

 

 

 

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