Wieder Ärger wegen Nachbars Hecke

6. November 2023 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Ein Leben im Reihenhaus kann angenehm sein – oder auch unerträglich, wenn man sich die Nachbarn nicht ausgesucht hat. Elfriede und Heino hatten sich immer wieder mit ihren Nachbarn „Fabian“ angelegt. Der Streit drehte sich um die Hecke, die ihrer Meinung nach zu nah an der Grundstücksgrenze stand oder – wie sie es empfanden – sogar auf der Grenze selbst. Dieses unschöne, leblose Gewächs warf Schatten und entzog Nährstoffe aus ihrem Garten – zumindest aus ihrer Sicht. Irgendwann hatten sie jedoch aufgegeben, gegen diese bedrohliche Pflanze, die ihrer Meinung nach gegen die Nachbarschaftsregeln verstoß, vorzugehen und die Nachbarn schließlich zu verklagen. „Man gewöhnt sich irgendwann daran“, sagte Heino. Außerdem könne man ja selbst eine „Abwehrpflanze“ von ihrer Seite aus anpflanzen. Elfriede hatte von einer Arbeitskollegin aus der Redaktion ein „Männlein“ im Topf geschenkt bekommen. Dieses Männlein, dem früher sogar Zauberkräfte zugeschrieben wurden, könnte angeblich Kleider anziehen und einen Hut tragen, um als Abwehrzauber zu wirken. Elfriede fand diese Idee jedoch nicht so gut. Denn die Wurzel der bedrohlichen Pflanze lebte immer noch und hatte das Recht, weiter zu wachsen. Außerdem roch sie ziemlich übel, und sie wollte sie nicht in ihrer Wohnung haben. Daher pflanzten sie nun den Abwehrzauber auf ihre Seite des Grundstücks und freuten sich, wie die Wurzel Ranken trieb, die im Laufe des Sommers fröhlich an Nachbars üppiger Hecke emporwuchsen. Sie bildete auch hübsche kleine weißlich-grüne Blüten aus, sodass im Herbst ein wunderschönes Rankennetz über die Grenze kletterte. Dies verärgerte jedoch den Nachbarn. Eines Tages fanden sie einen Zettel im Briefkasten vor. Herr Fabian drückte in unmissverständlichen Worten seinen Ärger aus und forderte, dass die Pflanze entfernt werden sollte. Er behauptete erstens, dass die Hecke sein Eigentum sei und von der „Schlingpflanze“ erstickt werde, wie er es ausdrückte. Und zweitens kamen seine drei- und vierjährigen Enkelkinder oft zu Besuch. Er hatte gelesen, dass schon wenige der roten Beeren kleine Kinder töten könnten, da sie so giftig seien.

In der folgenden, nicht unbedingt höflichen Diskussion behauptete Heino, dass die Pflanze überhaupt keine Beeren tragen würde, nicht eine einzige. Dies glaubte der Nachbar natürlich nicht. Elfriede fügte hinzu, dass es die Aufgabe des Nachbarn sei, auf seine Kinder aufzupassen. Seine Hecke sei ohnehin giftig, und er solle die Kinder besser auf die vielfältigen Gefahren der Natur vorbereiten, anstatt sie in einer klinisch sauberen Umgebung ohne jegliche Risiken zu halten. Der Streit dauerte noch eine ganze Weile an, aber uns interessieren natürlich einige Fragen:

  • Welche Pflanze haben Heino und Elfriede an Nachbars Hecke hochranken lassen?
  • Stimmt es, dass Elfriedes Pflanze keine Früchte tragen wird?
  • Sind nur die Beeren giftig?
  • Und was hat es mit dem „Zaubermännlein“ auf sich?
  • Welche Giftstoffe sind in den Beeren enthalten?
  • Ist es erlaubt, Giftpflanzen wachsen zu lassen, wenn Nachbars Kinder da dran gelangen könnten? (Da gibt es natürlich kein wahr oder falsch, wir machen keine Rechtsberatung, nicht mal zu ausgedachten Fällen)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Stadt Land Fluss: verbotenes-N-Wort?„): Nigersaat, Ramtill, Guizotia abyssinica

Unser Experte NhuDeng kam dann doch drauf. Obwohl der Ausflug rings um die Kulturgeschichte des N-Wortes ziemlich beschwerlich war. Gratulation. Wir suchten das Ramtillkraut (Guizotia abyssinica), auch Gingellikraut und Nigersaat genannt. Dabei leitet sich „Ramtill“ vom Hindi/Sanskrit ab: „rāma“ bedeutet „schwarz“ und „tila“ bedeutet „Sesam“. Also handelt es sich um schwarzen Sesam. Dies weist auf die dunkle Farbe der Samen hin. Aber stammt der Name „Nigersaat“ auch von der Farbe Schwarz? Nein, er leitet sich vom Fluss Niger ab, was auf die Herkunft der Pflanze aus Abessinien hinweist, wo der Fluss Niger durchfließt.

Das Ramtillkraut gehört zur Familie der Korbblütler. In seiner Heimat werden die ölhaltigen, dunklen Samen zur Herstellung von Speiseöl verwendet und dienen auch als Vogelfutter. Das Gewächs wird immer häufiger auch in Mitteleuropa auf den Feldern gefunden. Hier wird es jedoch nicht als Futterpflanze angebaut, sondern als Gründüngung. Nach der Ernte der Hauptfrucht (zum Beispiel Weizen) wird es ausgesät, um aufkeimende Unkräuter zu unterdrücken. Da das Kraut jedoch nicht winterhart ist, friert es bis zum Frühjahr komplett ab und bildet eine schützende Mulchschicht auf dem Acker, in die dann später problemlos gesät werden kann. Auf diese Weise können Herbizide wie Glyphosat eingespart werden.

Warum aber heißt der Fluss Niger so? Hier gibt NhuDeng möglicherweise etwas wieder, das man häufig liest, aber möglicherweise nicht ganz korrekt ist: „Der Name des Flusses stammt vermutlich vom lateinischen oder portugiesischen Wort für ’schwarz‘ (niger) als Fehletymologie der Bezeichnung für den Fluss in der Tuareg-Sprache: ‚ghir n-igheren‘ bedeutet ‚Fluss der Flüsse‘. Die Bezeichnung wurde schon in einer Karte von Claudius Ptolemäus für einen Fluss südlich des Atlas-Gebirges verwendet.“ Ptolemäus hat jedoch nicht „Niger“ geschrieben. Auf den wenigen erhaltenen Abschriften der Originalkarten steht auf Griechisch „Νιγειρ“ (Nigeir), was in der spätantiken Aussprache des Griechischen, die dem Neugriechischen schon sehr ähnlich war, „Nigir“ ausgesprochen wurde. Auch die lateinischen Übersetzungen, wie etwa die Karte in der Nationalbibliothek Warschau, bezeichnen den Fluss als „Nigir“. Die „Fehletymologie“ muss also erst später entstanden sein.

Karte nach Ptolemäus, Handschrift, 1467, Nationalbibliothek Warschau

War die Erde im Mittelalter eine Scheibe? Natürlich war sie damals genauso rund wie heute, und die überwiegende Mehrheit der damaligen Wissenschaftler war wahrscheinlich schon der Meinung, dass die Erde eine Kugel ist. Sie folgten dem überlieferten Weltbild von Claudius Ptolemäus, nach dem die Erde als Kugel im Zentrum steht und die Sonne und die Planeten um sie herum auf Sphären kreisen (hier gibt es mehr dazu: https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/mittelalter-und-moderne-wie-die-erde-zur-scheibe-wurde-a-381627.html. Erst Kopernikus „revolutionierte“ diese Vorstellung, indem er die Sonne ins Zentrum stellte, um das die Planeten sowie die Erde kreisen.

Alle anderen Pflanzen der Woche, seit 2016, findet Ihr hier im Archiv

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