Balkanischer Wildling auf der Ziegelwiese, oder: wenn Blinde von der Farbe reden

17. April 2023 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Die Geschichte ist nun schon einige Wochen her: der Frühling war ausgebrochen, seit ein paar Tagen hatte es keinen richtigen Frost mehr gegeben, und in den Parks der Stadt erwachte die Natur. Auf der Ziegelwiese waren zwischen den alten Platanen Farbtupfer im Gras zu sehen. Elfriede freute sich, denn jedes Jahr wurden es mehr. Irgend ein „Guerilla-Gärtner“ hatte vor einigen Jahren Zwieben in den Rasen gesteckt, und langsam verbreitete sich die Blütenpracht über die Wiese, Saison für Saison. „Sieht schon klasse aus“, befand auch Heino. „Finde ich aber schon witzig, dass Du die Blüten kaum von den grünen Blättern unterscheiden kannst“, witzelte Elfriede. „Du bist eben farbenblind – übrigens fast zehn Prozent der weißen Mäner haben Dein Problem, wir nicht.“
Es stimmt, bei der Führerscheinprüfung war es endgültig heraus gekommen, dass Heino unter einer deutlichen Rot-Grün-Schwäche litt. Diese grün getupften Zahlen im orangeroten Fecken-Umfeld hatte er nicht erkennen können. Bis dahn hatte es niemand bemerkt, auch er nicht.

„Ich weiß trotzdem, um welche Pflanzenart es sich bei Deinen Blümchen handelt. Das sehe ich vom weiten: die Blüten sind nicht blau oder lila“, bemerkte Heino. Damit war für ihn klar, dass in diesem Falle seine Rot-Grün-Blindheit nicht der Pflanzenbesteimmung im Wege stand. „OK“, sagte Elfriede, „dass die Blüten nicht Blau sind, kannst Du erkennen. Aber wie willst Du denn unterscheiden, ob sie gelb, grün oder weiß sind ?“, fragte Elfrede. „Aus Erfahrung“, sagte Heino. Rot sind sie nicht, das weiß man aus der Literatur. Und Grün auch nicht. Die wenigsten Blüten sind grün. In der Tat hatte Heino viel gelesen, auch über unsere Pflanze,deren Gattung man ja eigentlich auch schon an der Form gut erkennt. Aber vertrackt: unter der Gattung gibt es ganze Reihe unterschiedlicher Arten. Die sich dummerweise nicht nur in der Farbe unterscheiden. Selbst Experten tun sich da schwer. Unsere Art stammt om Balkan, ist eher blassgelb, eher klein und neigt zum Verwildern. Der botanische Name bedeutet so viel wie „Goldblume“

Unsere Fragen: Um welche Art kann es sich hier handeln?

Und wie kann Heino mit seiner ausgeprägten Rot-Grün-Schwäche Grau, weiß und Gelb unterscheiden?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche ( „Von Elfen umschwärmt“ ) : Rotblühende Johannisbeere, Ribes sanguineum

Nhu Deng kam nach dem zweiten Anlauf drauf – (stimmte was mit den Farben nicht? s.oben): wir suchten die Blut-Johannisbeere, die zur Zeit so schön rosa blüht. Sie stammt, wie viele unserer Ziergehölze, aus Nordamerika. Dort wird sie befruchtet von einer Kolibri-Art, der Rotrücken-Zimtelfe, selasphorus rufus. Das kleine Vögelchen hat eine Flügelspannweite von etwa 11 Zentimetern und einem Gewicht von zwei bis fünf Gramm. Männchen sind rostbraun mit einem weißen Brustbereich und einem orangefarbenen Schwanz, während Weibchen grün auf der Oberseite und weiß auf der Unterseite sind und nur einige schillernd orange Federn im Halsbereich haben. Sie leben in offenen Landschaften und an Waldrändern in Nordamerika und ernähren sich von Nektar und Insekten. Die Männchen verteidigen aggressiv ihre Nahrungsquellen, und sie fallen in eine Kältestarre (Torpor), um Energie zu sparen. Ihre natürlichen Feinde sind insektenfressende Vögel und Säugetiere. Im Sommer brüten sie in in Nordamerika, aber im Winter wandern sie südwärts bis nach Zentralamerika und in den Norden von Südamerika. Sie können dabei erstaunliche Strecken bis zu einer Entfernung von 4000 Kilometern zurücklegen.

(HW)

Wer einen längern Ausflug mit Hallespektrum ins Grüne machen möchte, kann hier in unserem Archiv der Wochenpflanze stöbern. Gibt es seit acht Jahren, jede Woche  neu.

 

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