Pflanze der Woche: Würziger Doldenblütler

20. Juli 2020 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Aus Vorderasien, wahrscheinlich dem Iran, ist unsere Rätselpflanze schon vor Jahrhunderten zu uns gekommen und wird in Gärten kultiviert. Mit zwischenmenschlichen Beziehungen hat die Pflanze nichts zu tun, auch wenn ihr Name das vermuten lässt. Die Küchenpflanze war (und ist) als Gewürz überaus beliebt. Karl der Große ließ sie in seiner Landgüterverordnung von 812 zum Anbau empfehlen. Sie wurde in Klostergärten kultiviert und diente als Fischgewürz, wurde aber von Hildegard von Bingen (12.Jhdt.) auch als Heilkraut empfohlen. Trotz ihres Herkunftsgebietes ist die ausdauernde und mehrjährige Pflanze relativ winterfest. Sie erreicht bei optimalen Standortbedingungen Wuchshöhen bis zu 2 Meter. Sie bildet dichte knollige Wurzelteile – sogenannte Rhizome. Diese Rhizome dienen als Überdauerungsorgane und haben mit der eigentlichen Wurzel nichts zu tun.

Die großen Blätter sind markant gefiedert und gesägt. Die kleinen meist gelben bis gelbgrünen Blüten wachsen in Doppeldolden. Auf jeder Dolde sitzen bis zu elf Blüten. Aus den Blüten entwickeln sich die für viele Doldenblütler typischen Früchte, die als Doppelachäne bezeichnet werden.

Unsere Pflanze riecht etwas wie Sellerie, ist aber intensiver und würziger, dazu leicht bitter und lieblich zugleich. Sie ist ein ausgezeichnetes Würzkraut für viele deftige Speisen, Suppen sowie für Fleischgerichte wie Tafelspitz, Geflügel und Fisch. Das Kraut harmoniert ganz hervorragend mit Knoblauch. Die Samen werden während der Herstellung von Käse als natürlicher Aromageber hinzugefügt, oder wie Kümmel in Brot oder Brötchen verbacken.

1886 erfand ein Schweizer Tütensuppen-Fabrikant, der heute zu einem großen, internationalen Lebensmittekonzern gehört, eine vegane Würzsauce, die den typischen Geruch unserer Rätselpflanze besitzt, sie aber gar nicht enthält. Sie war als preiswerter Ersatz für Liebigs Fleischextrakt gedacht. Mit ihr pflegte man geschmacksarme Gerichte in Restaurants herzhafter zu machen.

Als Heilpflanze regt unser Kraut den Stoffwechsel an, soll entkrampfend und beruhigend wirken und ist hilfreich bei Atemwegserkrankungen. Es wird verwendet bei Entzündungen der ableitenden Harnwege, Blasenentzündung und kleinen Nierensteinchen (Nierengrieß). Es enthält das antibiotisch wirkende Falcariondol, ätherische Öle wie Butylphalid, Trans-Ligustulid, Bergabten und Psoralen, weiterhin Pinene, Terpinene, Kumarin und Furckumarin, Apfelsäure, Bitter- und Gerbstoffe sowie Kampfer. Psoralen ist eine fotosensibilisierende Substanz, die unter Sonnenbestrahlung oder künstlichem ultraviolettem Licht auf der exponierten Haut zu Rötung und evtl. Blasenbildung wie bei Verbrennungen führen kann.

Wie heißt die gesuchte Pflanze? Wie heißt der Schweizer Brühwürfel-Erfinder und welchem Konzern gehört der Name der krautlosen Suppenwürze heute?

(H.J.Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Vom Regen in die Traufe“):  Kornrade, Agrostemma githago

Rati, unser Ratefuchs, war mal wieder der schnellste Rater und hat komplett richtig geraten oder wusste es einfach – es war die Kornrade gesucht. Während unser Blütenteppich sich Anfang Juni gezeigt hatte, wäre es jetzt, wo die Mühlen der hallespektralen Redaktion fertig gemahlen haben, schwierig ein aktuelles Nahfoto zu bekommen. Die schwankenden Halme täten/taten ihr übriges. Inzwischen ist das Korn gereift und unsere Rade ebenso. Unser Fotograf arrangierte unsere Pflanze auf Gerste – das gibt einen guten Größenmaßstab und verdeutlicht auch die (frühere) enge Gesellschaft von Korn und Kornrade. Mit dem beginnenden Ackerbau schien unsere Rätselpflanze perfekt an den Rhythmus von Aussaat und Ernte des Getreides angepasst zu sein.

Die Körner verbleiben recht lange in den dann getrockneten Fruchtständen und warten so geradezu auf das Dreschen. Mit einfachem Sieben oder Ausblasen lassen sich die kleinen schwarzen Gesellen nicht entfernen. Das gelingt aber mit einem Trieur (hier musste Agricola ja schon mal sein Wissen einfließen lassen) oder besser noch mit Trieurkaskaden. Dabei werden in einer entsprechend geprägten rotierenden Blechtrommel längliche von runden Körner getrennt – mit Blick auf unser 2. Bild ein einleuchtendes Prinzip, man muss bloß erstmal drauf kommen. Solche Trieure finden sich bei der Müllerei und bei der Saatgutreinigung und machen einerseits der Kornrade das Leben schwer und andererseits das Leben der Menschen (Pferde, Schweine, Rinder) leichter, schließlich gilt die Kornrade als recht giftig.

(F.H.)

 

Alle Pflanzen der Woche, seit 2016, findet man übrigens hier im Archiv

Archiv: alle „Pflanzen der Woche“ von 2016-2020

 

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