Katzenjammer

10. Juli 2023 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Mieze Schindler war wieder unterwegs. Mittlerweile hatte sie  Mut gefasst und traute sich wieder etwas weiter hinaus in ihr Revier auf der Peißnitzinsel. Das war nicht immer so. In den letzten Wochen war sie mehrfach belästigt worden, jedoch nicht von Menschen, die ständig „Miezmiezmiez“ hinter ihr herriefen, sondern von zudringlichen, widerlichen Katern. Oft hatten sie sich aus dem Gebüsch leise an sie herangeschlichen. Doch Mieze bemerkte ihre Angreifer meistens schon am Geruch, selbst wenn sie mehrere Meter gegen den Wind waren, und reagierte mit schnellen Schritten. Dann fingen ihre Belästiger fürchterlich an zu schreien und gaben widerliche Balzgesänge von sich. Manche wurden auch handgreiflich, doch Mieze Schindler wehrte sich mit kräftigen Pfotenhieben. Einige der Lästlinge missverstanden dies jedoch als Einladung zum Spiel. Doch am schlimmsten empfand Mieze den Stinkbombentrick. Manche Kater pinkelten an Stellen, an denen Mieze vorbeikommen musste, und hinterließen kaum sichtbare Flecken an den Baumstämmen. Das Zeug wirkte wie KO-Tropfen und bewirkte ein regelrechtes Gewitter im Gehirn. Eine irre Abfolge von Wallungen wirbelten ihr dann durch den Kopf und ließen sie vollkommen orientierungslos auf dem Boden herumwälzen. Sie fing dann fürchterlich an zu schreien, was ihre Widersacher ausnutzten, da sie dieses Verhalten auch noch als Einladung verstanden. Doch in Wahrheit war alles eine Wirkung dieser abscheulichen Pinkeldroge. Oft hatte sie danach einen furchtbaren Kater.

Mieze lief weiter über den gepflasterten Weg am Peißnitzhaus entlang auf die Treppen vor der großen Saalebrücke zu Richtung nach Hause. Vor der Treppe hatten Menschen etwas mit bunter Kreide gemalt und geschrieben. Katzen können bekanntlich nicht lesen, zumindest keine menschliche Schrift. Aber dass es um sie ging, verstand sie sofort, als sie ihr Konterfei sah. Sie schlich auf das gemalte Katzenköpfchen zu und schnupperte neugierig. Und dann war es um sie geschehen. Der widerliche, alles durchdringende Geruch der Droge raubte ihr die Sinne. Kaskaden von Blitzen schossen in ihrem Nervensystem nieder, sie wälzte sich auf dem Boden und stieß fürchterliche Schreie aus. Als sie wieder zu sich kam, beugten sich zwei Menschen über sie und betrachteten sie besorgt. „Sieh mal, das süße Kätzchen, wie putzig“, zirpte Elfriede, doch ihr Begleiter Heino schüttelte nur den Kopf. „Scheint ziemlich auf Droge zu sein“, sagte er und deutete auf die Pflanzen, die in den Ritzen der Treppenstufe direkt neben dem gemalten Katzenköpfchen wucherten.

Wir können die Pflanzen auf dem Bild, das Elfriede geknipst hat, deutlich erkennen. Offenbar hatten sie sich von der von der Stadtgärtnerei bepflanzten Rabatte ausgebreitet. Im Bild links oben sieht man, dass sie ganz nett blühen.

Während Elfriede und Heino nun das verwirrte Kätzchen durch Streicheln beruhigen, könnt ihr, liebe Leser, über folgende Fragen nachdenken:

  • Was ist das für eine Pflanze, die unser Kätzchen so in den Ausnahmezustand versetzt hat?
  • Was ist das für ein Wirkstoff?
  • Funktioniert das bei Menschen auch?
  • Hat der Stoff nur die Aufgabe, Katzen anzulocken, oder hat er auch eine andere Funktion für die Pflanze?
  • Die CatCalls-Markierungen findet man seit einiger Zeit öfter in Halle, aber auch in anderen Städten. Was ist der Hintergrund?
  • Habt ihr an anderen Orten in der Stadt „Catcalls-Markierungen“ gesehen?
  • Was für ein Gewächs ist eigentlich Mieze Schindler?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Grüner Auftritt im Zoo): Moorbirke, Betula pubescens

Die Pflanze der letzten Woche ist auch Baum des Jahres, und deshalb trafen sich die Großen Tiere aus der Politik im Zoo Halle letzten Montag, um dieser Pflanze die Ehre zu erweisen.  Rati wusste das natürlich, unjd auch noch mehr: Die letzte Pflanze war die Moor-Birke, Betula pubescens. Diese Birkenart ist von der häufigeren, weiter verbreiteten Hänge-Birke (Betula pendula) an wenigen Kleinigkeiten unterscheiden. Die Blätter der  Hänge-Birke erinnern an einen spitzen Rhombus, die der  Moor-Birken sind dagegen eher oval, und an der Unterseite sind sie leicht behaart (daher das Artepitheton „pubescens“). Die Zweige hängen nicht, sondern wachsen waagerecht oder leicht schräg aufwärts. So wie die Hängebirke lieferte auch die (in der Alt- und Mittelsteinzeit weiter verbreitete) Moorbirke einen wichtigen Klebstoff: verschwelt man den weißen Rindenbast unter Luftabschluss, so treten harzartige Dämpfe aus, die sich an kühleren Stellen (z.B. kalten Steinen oder dem Boden einer Schwelgrube) sich zu einer klebrigen Masse, dem so genannten Birkenpech, niederschlagen.  Eines der bekanntesten (und wohl auch ältesten) Stücke dieses Heißklebers der Steinzeit kann man übrigens im Landesmuseum bewundern. Das etwa kirschgroße Stück Pech mit den Fingerabdrücken eines Neandertalers sowie Abdrücken von Feuerstein und Holz diente zum Befestigen einer Pfeilspitze. Wie Neandertaler schon diesen nicht ganz unkomplizierten Herstellungsprozess bewerkstelligten, ist noch heute Gegenstand wissenschaftlicher Debatten.

Nachtrag zur Magenta-Diskussion:  Gork vom Ork hat natürlich recht, die Spektralfarben enthalten kein Magenta. Und wenn Hei-Wu trotzdem ein Foto eines Regenbogens auftreibt, wo der äußere Bogen Magenta erscheint, dann ist dieses Magenta auch als Mischfarbe entstanden: dem Rot des eigentlichen Bogens und dem Blau des Himmels.

Neugierig auf mehr rätselhafte Gewächse? Alle vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr bei uns im Archiv.

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