Gesucht: Nektartäuschblume

26. März 2018 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Zu welcher Pflanze gehört diese Blüte?

Die gesuchte Pflanze ist eine der größten ihrer Gattung in Deutschlands. Aus einer Blattrosette mit sechs bis acht breiten, oberseits glänzenden Laubblättern erhebt sich ein sehr langer, bis zu 90 cm hoher Stängel, der im oberen Teil oft etwas purpur-violett überlaufen ist. Der bis zu 25 cm lange, dichte Blütenstand kann bis zu 90 Blüten tragen. Die dreilappigen Blütenlippen sind weiß und mit roten, purpurfarbenen punkt- und fleckenförmigen Papillen besetzt. Die Blütezeit erstreckt sich von Anfang Mai bis Mitte Juni. Auffällig ist besonders der Geruch nach Cumarin, den auch Herbar-Exemplare noch lange bewahren. Bestäuber sind in erster Linie Bienen und Fliegen. Die werden allerdings ausgetrickst. Denn Nektar als Belohnung für die Bestäubungsleistung wird nicht gebildet. Bei der Suche nach dem begehrten Zuckersaft nehmen sie ungewollt den Pollen auf und verbreiten ihn. Es handelt sich um eine sog. Nektartäuschblume. Bienen sind lernfähig und fallen darauf nur einige Male rein. Das reicht aber zur arterhaltenden Bestäubung.

Der Gattungsname der seltenen Pflanze stammt vom griechischen Wort für Hoden ab und bezieht sich auf die Form der beiden unterirdischen Knollen. Die gefährdete Pflanze ist in den Mittelgebirgen in Hessen, Niedersachsen und Thüringen anzutreffen. Ab der Mitte Thüringens bzw. Sachsen-Anhalts gibt es nur noch sporadische Funde. Sie ist wärmeliebend und wächst bei uns auf kalkhaltigen mageren Halbtrockenrasen, z.B. in Naturschutzarealen zwischen Querfurt und Bad Bibra.

(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Nutzungsbeschränkung“): Die Salweide, Salix caprea.

Blütenstände der Salweide

Liebes HalleSpektrum, gesucht war das Palmkätzchen. Das sind die Blütenstände von Salix caprea, der Sal-Weide, auch als Kätzchenweide bekannt. Der Begriff „Sal“ stammt vermutlich vom althochdeutschen „salaha“ ab und bedeutet „grau, schmutzig“. Der Artname „caprea“, „Ziege“, deutet darauf hin, dass diese gerne junge Triebe futtern. Bevor im Frühjahr das Laub austreibt, bilden sich die Weidenkätzchen. Noch jung und wunderbar pelzig ziehen sie Blicke und Hände auf sich. Wer hat noch nie ein „Kätzchen, das kein Tier ist“, gestreichelt? Oder sich zuhause in die Vase gestellt? Das ist sehr beliebt zur Osterzeit. Eine Woche vor Ostern beginnt mit dem sogenannten Palmsonntag die Karwoche der Christen. An diesem Tag wird erinnert an den Einzug Jesu in die Stadt Jerusalem, kurz bevor sein Leidensweg beginnt, der mit seinem Tod am Karfreitag und der Auferstehung in der Osternacht Abschluss und Vollendung findet. Am Palmsonntag ritt Jesus auf einem Esel in die Stadt hinein, die Menschen breiteten Kleider vor ihm aus und streuten Palmzweige auf den Weg. In Deutschland wird seit dem 8. Jahrhundert bei manchen katholischen Gemeinden eine Palmprozession durchgeführt. Die Gläubigen wandern singend und betend durch die Straßen, oftmals werden Christusfigur und Esel mitgeführt. In der Hand halten sie ihre Palmbuschen – das sind in unseren Breiten andere grüne Zweige, wie Buchsbaum, Wacholder, Weide – und unbedingt auch Palmkätzchen. Diese Buschen werden gesegnet und später zuhause, zum Schutz vor Unheil und Krankheit, in eine heilige Ecke, den Herrgottswinkel, gestellt. Es gibt Gegenden, da werden diese mit Stöcken auf meterlange Gebinde verlängert und mit bunten Eiern, Brezeln und Bändern verziert. In meiner Heimat gab es dazu den Brauch, dass die schönsten, größten Palmbuschen vom Pfarrer belohnt wurden: 5 DM für die kunstvollsten, 2 oder 1 DM für die übrigen Palmbuschen. Das gab ein Strecken und Drängeln, auch Tränen bei uns Kindern…

Und heutzutage? Jeder hat von der drastischen Verringerung der Bienenstämme gehört. Und jeder kann ihnen helfen. Die Kätzchen unserer Sal-Weide sind die erste Nahrungsquelle für Bienen nach dem Winter, sie sammeln überwiegend den Pollen der männlichen Sal-Weide. Die ersten Schmetterlinge im Jahr suchen auf den weiblichen Blütenständen ihren Nektar. Man sollte sie unbedingt stehen lassen. Schmetterlinge legen aber auch ihre Eier auf den Jungsträuchern ab, welche später der Raupe Futter bieten. Genau, es gibt rein männliche und rein weibliche Sal-Weiden, die sich anhand der blühenden Kätzchen unterscheiden lassen: Gelbe Staubblätter auf dem silbrigen Pelz weisen auf den Mann hin (Salix caprea Mas). Diese Kätzchen fallen ab, wenn sie verblüht sind. Aus den weiblichen Kätzchen bilden sich sehr kleine und leichte, längliche Kapselfrüchte. Sie sind von langen, wolligen Flughaaren umgeben und werden vom Wind fortgetragen. Erst nach der Blüte wachsen die bis zu 10 cm langen Laubblätter als fein gesägte, zugespitzte Ellipsen mit weißgrau behaarter Unterseite (Verdunstungsschutz). Die Rinde wird gerne von Käfern durchbohrt, die den Pflanzensaft degustieren. So kann der Weidenbohrer den Strauch nachhaltig schädigen. Dass die Weidenrinde heilsame Salicylsäure enthält, weiß sicherlich jeder Rätselfreund. Sie dient den Pflanzen als Abwehrstoff. Sie wurde früher nicht nur von der Salix gewonnen, sondern auch aus dem Saft der Spirstaude (Mädesüß) – daher der Handelsname Aspirin. In dieser Form dient sie v.a. als schmerzstillendes und entzündungshemmendes Medikament, hilft aber auch bei Hühneraugen und Warzen und wirkt bakterizid.

So, liebe Schmetterlings- und Bienenfreunde, dann lasst uns anpflanzen: Die Sal-Weide mag lehmigen bis trockenen Untergrund. Aus Stecklingen ist sie eher schwierig zu züchten, besser ist das Ausstreuen der Samen nach der Reife im Mai bis Juni. Leicht mit Erde bedecken und feucht halten. Die Weide kann rund 60 Jahr alt werden, wobei sie auch gerne stark zurückgeschnitten wird.

Übrigens, bis Ostern ist noch etwas Zeit, um das Gedicht von Christian Morgenstern zu lernen:

 

DIE WEIDENKÄTZCHEN
Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,

sagt mir doch, ihr Schätzchen,

sagt, woher ihr stammt.

»Wollen’s gern dir sagen:
Wir sind ausgeschlagen
aus dem Weidenbaum;

haben winterüber

drin geschlafen, Lieber,
in tieftiefem Traum.«

In dem dürren Baume
in tieftiefem Traume

habt geschlafen ihr?

In dem Holz, dem harten,
war, ihr weichen, zarten,
euer Nachtquartier?

»Mußt dich recht besinnen:

Was da träumte drinnen,

waren wir noch nicht,
wie wir jetzt im Kleide
blühn von Samt und Seide
hell im Sonnenlicht.

Nur als wie Gedanken

lagen wir im schlanken
grauen Baumgeäst;
unsichtbare Geister,
die der Weltbaumeister

dort verweilen läßt.«
Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,

ja, nun weiß, ihr Schätzchen,

ich, woher ihr stammt!

(A.S.)

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