Eine rosarote Abmahnung

26. Juni 2023 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Dr. Eichler riss die Bürotür auf und stürmte in das kleine Assistentenzimmer, in dem sich gerade Elfriede und Heino sensiblen Beschäftigungen nachgingen. Der Justiziar knallte eine graue Mappe auf den Tisch und brüllte: „So eine Scheiße! Könnt ihr nicht einmal aufpassen?“ Elfriede und Heino zuckten zusammen und fühlten sich kleinlaut. Aus der Mappe fiel ein Schreiben einer Kanzlei, zusammen mit dem neuen Geschenkpapier für die Pflanze-der-Woche-Aktion, das hübsche Muster und schöne pinke Blumen aufwies. „Ihr habt eine markenrechtlich geschützte Farbe verwendet, ihr Volltrottel!“, schimpfte der Justiziar. Heiko stammelte verwirrt: „Wie kann eine Farbe geschützt sein?“ Elfriede, stolz auf ihre Verkaufszahlen für die neue Blumenmusterkollektion, wusste nicht, ob sie weinen oder ob das Ganze nur ein schlechter Traum sein sollte. „Wie können Farben überhaupt geschützt sein?“ fragte sie zaghaft. „Markenrechtlich geschützt“, donnerte Eichler und warf einen Wikipedia-Eintrag auf den Tisch. Tatsächlich stand dort: Ein Weltkonzern hatte im Jahr 1995 den Pink-Ton beim deutschen Patentamt als Farbmarke schützen lassen. Seitdem geht das Unternehmen konsequent gegen andere Firmen vor, die den Farbton verwenden möchten, selbst wenn es sich beispielsweise um Seife oder Geschenkpapier für den Pflanze-der-Woche-Shop handelt. Ein Farbton mit hohem Wert aufgrund seines hohen Wiedererkennungswerts – Experten schätzen ihn auf einen Milliardenbetrag.

„Es steht viel Unsinn in Wikipedia“, bemerkte Heino leicht anmaßend. „Das können Sie den Anwälten erzählen, aber dann zahlen Sie selbst“, donnerte Eichler zurück. „Und jetzt?“. „Wir zahlen die Abmahngebühr und  lassen Sie die gesamte Auflage vernichten. Oder möchten Sie etwa gegen einen Weltkonzern vorgehen? wegen dieser lächerlich kitschigen Kinderfarbe?“

Elfriede traf das mitten ins Herz, denn sie liebte diese Farbe so sehr (Heino mochte sie nicht, hatte es ihr aber nie gesagt). „Wie kann man eine Farbe privatisieren?“, fragte sie. „Etwas, das die Sonne seit Milliarden von Jahren – ohne ein Patent zu haben – zur Erde sendet? Als Licht einer bestimmten Frequenz? Ist das nicht genauso absurd wie Patente auf Genabschnitte, die doch der Natur gehören?“

„Und eigentlich habe ich nur ein Foto verwendet, gut bearbeitet und retuschiert, aber die Pflanze hat wirklich genau diese Blütenfarbe“, fuhr Elfriede fort. „Dann hat diese Dingsblume eine Patentverletzung begangen“, scherzte Heino. Aber um welche Farbe handelt es sich überhaupt? Er recherchierte und fand heraus, dass dieser Ton schon im deutschen Reich als Standard-Farbe (RAL 4010) verwendet wurde. Doch er entdeckte noch etwas Spannendes: Die Farbe erhielt ihren Namen von einem blutigen historischen Ereignis – einem brutalen Krieg, der zur Gründung des Roten Kreuzes führte. Und was hat das mit Fuchsien zu tun?

Und nun zu Ihren Fragen:

  • Die Pflanze mit den charakteristischen pinkfarbenen Blüten und den graugrünen, leicht filzigen Blättern, die derzeit in vielen Gärten blüht, ist die …?
  • Der Farbton, den sich ein Weltkonzern hat schützen lassen, heißt …?
  • Wie kam dieser Farbton zu seinem Namen und was hat das mit dem Roten Kreuz zu tun?
  • Und wie steht es in Verbindung mit Fuchsien?
  • Hat Elfriede Recht mit ihrer Bemerkung, dass diese Farbe einfach nur eine Lichtwellenlänge ist? An welcher Stelle im Sonnenlichtspektrum würde man sie finden? kommt sie im Regenbogen vor?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: ( Fossile Brennstoffe : Erwachen aus einem feuchten Sommernachtstraum): Ackerschachtelhalm, Equisetum arvense

Wir suchten den Ackerschachtelhalm, Equisetum arvense. Wir hatte ja viele Fragen gestellt, und Nhu-Deng schrieb dazu ganz richtig.:“Aus meinem Garten kenne ich Schachtelhalme, zierliche, hübsche, aber widerstandsfähige Pflanzen. Eine Eigenart der Schachtelhalme ist die Einlagerung von Silicaten in die Zellwand. Elfriede träumte sich ins Karbon-Zeitalter zurück, bekannt als die Steinkohlezeit. Da wuchsen die bekannten riesigen Wälder mit den Bärlapp-, Farn- und Schachtelhalmbäumen in einem günstigen feuchten und tropischen Klima. Wegen des feuchten Klimas zersetzte sich die Biomasse häufig nach dem Absterben der Pflanzen nicht, sondern „verkohlte“ unter Wasser und Luftabschluss. Erst gegen Ende des Karbons treten erste Vorläufer der Weißfäulepilze auf, mit der Fähigkeit, Lignin abzubauen. Lignin, ein wichtiger Bestandteil pflanzlicher Zellwände. Die festen Biopolymere verleihen Holz seine Härte und seine Festigkeit, ohne Lignin wären größere Pflanzen generell nicht sehr stabil.
Zur Zeit des Karbons betrug der Anteil von Sauerstoff in der Luft 35 %, heute etwa 21 %., deshalb brannte Elfriedes Zigarette explosionsartig.
Seinen volkstümlichen Namen Zinnkraut erhielt der Ackerschachtelhalm, weil er früher häufig zum Putzen von Metall verwendet wurde. Die Pflanze besitzt einen hohen Gehalt an mineralischen Bestandteilen, die dafür sorgen, dass verschmutztes Zinn wieder blitzblank wird.
Elsterglanz bestand vor der Rezepturumstellung im Jahr 2000 zu einem gewissen Teil aus den Schalen fossiler Kieselalgen. Die Schalen bestehen zum größten Teil aus amorphem Siliciumdioxid. Jetzt wird nur noch der Name genutzt.“

 

OK, jetzt kennen wir auch die Rezepturgeheimnise von Elsterglanz 🙂

Neugierig auf mehr rätselhafte Gewächse? Alle vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr bei uns im Archiv.

 

 

 

 

Print Friendly, PDF & Email
Ein Kommentar

Kommentar schreiben