Selbst.Ständig.Frau

31. August 2017 | Wirtschaft | Keine Kommentare

Warum machen Frauen sich selbstständig? Welche Wege sind sie bisher gegangen? Was bewegte sie dazu, sich in die Selbstständigkeit zu wagen, trotz aller Risiken und Unsicherheiten?
Ricarda Braun hat selbstständige Frauen aus Halle fotografiert und befragt. Mit den Portraits möchte sie den Betrachter selbst Antworten finden lassen. Sie zeigt die Vielfältigkeit der Wege und Möglichkeiten auf und macht Mut, auf den eigenen Lebensweg zu schauen.
Nur ein Drittel aller Einzelunternehmer, die neu gegründet haben, sind weiblich. Woran liegt das? In verschiedenen Untersuchungen ist man dieser Frage nachgegangen. Die Ursache liegt zum einen darin, dass Selbständigkeit in typischen Männerberufen eher verbreitet ist als in Frauenberufen. Zum anderen trauen sich Frauen weniger zu. Sie schätzen ihre eigene berufliche Leistungsbereitschaft skeptischer ein. Sie überschätzen sich deshalb aber auch weniger. Frauen gründen zu 60 Prozent als Ein-Frau-Betrieb. Frauen, die sich zur Selbstständigkeit entschließen, verfügen heute aber über höhere Bildungsabschlüsse als Männer, und es gibt unter ihnen mehr selbstständige Akademikerinnen als unter den Männern. Frauen muss man eher zur Selbständigkeit ermutigen, Männer dagegen häufiger auf den Boden zurückholen. Letztere sind oft so eingenommen von ihrer Idee, dass sie ihre Chancen nicht realistisch einschätzen.
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen stellt seit Jahren eines der wichtigsten Themen der arbeitsmarkt- und gleichstellungspolitischen Diskussionen dar. Als Konsequenz verfügen Frauen zum Zeitpunkt der Gründung des eigenen Unternehmens meist über weniger Führungserfahrung als Männer. Aber dieser Mangel wird gewöhnlich rasch überwunden. Risikoscheu sind die Unternehmer- Frauen aber überhaupt nicht. 90 Prozent der Frauen, so die Analysen, gingen sehr bewusst an ihre Businesspläne heran. Frauen wollen eben erst expandieren, wenn sie schwarze Zahlen schreiben, statt vorschnell Schulden zu machen.
Das größte Hindernis zur Selbständigkeit ist für viele Frauen die Familie – egal, ob sie ein Technologieunternehmen mit mehreren Mitarbeitern aufbauen wollen oder einen Eine-Frau-Betrieb als Altenpflegerin oder Fotografin. Fast ein Drittel der Gründerinnen ist im Alter zwischen 25 bis 34 Jahre, wenn sie ihr Unternehmen gründen. Sie verfügen bei der Gründung bereits über erste relevante Berufs- und Branchenerfahrungen. Interessanterweise leben selbstständige Frauen generell häufiger mit Kindern im Haushalt als abhängig beschäftigte Frauen. Kinder beeinflussen den Schritt in die Selbstständigkeit positiv. Untersuchungen zeigen, dass insbesondere sehr junge Kinder die Selbstständigkeitsneigung von Frauen bestärken. Für dieses Phänomen werden zwei Gründe angeführt. Zum einen können selbständige Frauen durch die flexiblere Arbeitszeitgestaltung die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit autonom gestalten. Zum anderen ist der Schritt in die Selbstständigkeit nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung oftmals die einzige oder aber attraktivere Möglichkeit, wieder in das Berufsleben einzusteigen.
Nicht selten müssen junge Unternehmerinnen trotz allem Bemühen die Erfahrung machen, dass sich die Familie schnell vernachlässigt fühlt und rebelliert. Wenn der Staat also Unternehmerinnen fördern will, muss er bei der Familienpolitik anfangen. Selbständigkeit ist ja familienfreundlich – eigentlich. Wer selbständig ist, kann allein entscheiden, wann und wie viel er arbeitet. Das gilt vielen Frauen als Vorteil. Doch es kann auch zum Problem werden. Nämlich dann, wenn sie sich aus Rücksicht auf die Familie nur in Teilzeit selbständig machen und kaum Geld damit verdienen. Für diese Frauen ist jedoch die Selbständigkeit oft die einzige Möglichkeit, überhaupt erwerbstätig zu bleiben, für Mütter oft der einzige Weg, überhaupt im Beruf zu bleiben.
Frauen mit Gründungsideen müssen lernen, sich früh zu vernetzen. Netzwerke spielen für den Erfolg einer Gründung und die unternehmerischen Tätigkeiten eine wesentliche Rolle. Vor allem für professionelle Ratschläge und die Unterstützung beim Zugriff auf materielle und immaterielle Ressourcen sowie Kontakte zu potenziellen Kundinnen und Kunden, Geschäftspartnerinnen und -partnern sowie Zulieferern sind Netzwerke unentbehrlich. Da viele Frauen neben ihren beruflichen ebenfalls familiären Verpflichtungen nachkommen müssen, werden geeignete Netzwerke bewusster ausgewählt.
Ricarda Braun stellt in ausdrucksstarken Portraits erfolgreiche Unternehmerinnen aus Halle/Saale vor. Die dazugehörigen Geschichten zeigen beispielhaft, wie Frauen der Weg in die Selbständigkeit gelingen kann.

Die Ausstellung ist in Halle während der Öffnungszeiten des Ratshofes (1.Etage) in der Zeit vom 05.09.2017 bis 28.09.2017 zu sehen.

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