Nach Geraer Stadtwerkepleite: wie steht es um die Stadtwerke Halle?

6. Juli 2014 | Wirtschaft | 2 Kommentare

In den vergangenen Tagen überschlugen sich die Ereignisse im thüringischen Gera. Erst gingen die überschuldeten Stadtwerke Pleite, wenige Tage später meldete auch die Tochterfirma Geraer Nahverkehrsbetrieb Insolvenz an. Wie auch in Halle (Saale) müssen die Stadtwerke in Gera die Verluste des Nahverkehrs auffangen. Und ähnlich wie in Halle gehören zum Geraer Stadtwerkekonzern zahlreiche Tochterfirmen wie Müllabfuhr, Kraftwerksbetrieb und Energieversorgung.
stadtwerke halle
Ein Blick in den vor wenigen Tagen präsentierten Jahresabschluss zeigt auch in Halle, dass etliche Tochterfirmen rote Zahlen schreiben. Durch Abschreibungen hat der hallesche Konzern im vergangenen Jahr 3,6 Millionen Euro Minus gemacht. Einige Geschäftszweige schreiben deutlich schwarze Zahlen und gleichen so die Verluste der anderen Tochtergesellschaften aus. So meldet die Meter 1 GmbH & Co. KG 850.000 Euro Miese, ein Unternehmen welches Messdienstleistungen für Stadtwerke und andere Energieversorger anbietet. 1,2 Millionen Euro Minus waren es bei der Hafengesellschaft. Und auch die Hallesche Verkehrs AG arbeitet nicht kostendeckend. 18,5 Millionen Euro steckten die Stadtwerke an Gewinnen aus anderen Bereichen in den Nahverkehrsbetrieb. Einst hatte die Stadt selbst die Zuschüsse komplett getragen, jedoch aus Gründen der Haushaltskonsolidierung den Stadtwerken übertragen. Für das laufende Jahr muss aber die Stadt wieder einen Großteil der Zuschüsse selbst übernehmen. Grund ist das aufgelaufene Minus im Stadtwerke-Konzern.

HalleSpektrum.de hat sich mit Stadtwerke-Geschäftsführer Matthias Lux über die Insolvenz in Gera und die Lage in Halle unterhalten.

Wie beurteilen Sie die Insolvenz in Gera? Was ist hier grundlegend falsch gelaufen?
Was in Gera falsch gelaufen sein könnte, können wir aus der Ferne nicht richtig beurteilen. Das ist jedenfalls für Gera und die Region ein harter Schlag. Wenn die Aufträge der Stadtwerkeunternehmen in Gera wegfallen, würden weitere Unternehmen, insbesondere das örtliche Handwerk und deren Beschäftigten, mit beeinträchtigt.
Wir haben erst kürzlich das hallesche isw beauftragt, die wirtschaftlichen Effekte der Stadtwerke Halle auf die Region auszurechnen. Ergebnis: durch jeden Arbeitsplatz der Stadtwerke Halle werden in der Region Halle und Saalekreis zwei weitere Arbeitsplätze ermöglicht. Deshalb kann man den Menschen und der Region nur wünschen, dass dort noch eine tragfähige Lösung gefunden wird.

Auch die Stadtwerke Halle fahren ein ähnliches Modell – Gewinne aus anderen Bereichen fließen als Zuschuss an die Verkehrsbetriebe. Sehen Sie für Halle auch eine Gefahr der Insolvenz?
Zwar kennen wir die Details in Gera nicht, aber das kann uns nicht passieren. Wir sagen die Zuschüsse für den ÖPNV jeden falls nur in der Höhe zu, die im Vorjahr tatsächlich als liquide Gewinne übrig geblieben sind bzw. erwirtschaftet wurden. Die Mittel der Stadtwerke zur Finanzierung der HAVAG in diesem Jahr 2014 stammen also aus dem Jahr 2013. Und genau deshalb können wir auch nicht in Zahlungsnot geraten, weil das Geld immer vor der Zusage da ist, und nicht umgekehrt.

Wie schätzen Sie insgesamt die Lage der halleschen Stadtwerke ein? Gibt es Forderungen an die Politik?
Alle Stadtwerke mit eigener Strom- und Wärmeerzeugung in GuD-Anlagen haben mit der Krise in der konventionellen Energieerzeugung zu kämpfen. Unsere Erzeugungskosten können mit dem subventionierten Strom aus EEG-Anlagen kaum noch mithalten. Es ist nicht auszuschließen, dass dieses auch in Gera eine Rolle gespielt haben könnte. Als sich die Margenverluste in der Energieerzeugung vor zwei, drei Jahren bereits ankündigten, haben wir uns in allen Unternehmen der Stadtwerke Halle mit dem Programm „Exzellenz plus 20“ sehr erfolgreich darauf vorbereitet. In mehr als 180 Einzelprojekten haben wir die Auswirkungen in der Energieerzeugung weitgehend kompensieren können. Wir wollen aber mehr, als nur kompensieren. Wir wollen weitere Effizienzpotenziale heben, um Spieltraum für mehr Wachstum und mehr Ausdauer zu bekommen. Deshalb sind wir mit dem erreichten sehr zufrieden, aber wir müssen und wollen den Kurs energisch weiterverfolgen.

Wie hoch ist die Eigenkapitalquote des Stadtwerke-Konzerns, wie hoch sind die Kreditverbindlichkeiten?
Der Konzern hat ein sogenanntes wirtschaftliches Eigenkapital von 548 Mio. Euro. Unsere Kreditverbindlichkeiten betragen 422 Mio. Euro. Die Eigenkapitalquote beträgt 2013 45,0 Prozent.
Die Kreditwürdigkeit der Stadtwerke wurde im Jahr 2013 durch die Begebung von zwei Schuldscheindarlehen und einer Namenschuldverschreibung eindrucksvoll untermauert. Das sind kreditähnliche Verbindlichkeiten, Geldgeber ist aber nicht eine einzelne Bank, sondern viele Anleger, wie z.B. Versicherungen oder Fonds. Es wurden uns über 67 Mio. Euro angeboten, nachgefragt hatten wir 30 Mio. Euro. Das kann sich sehen lassen.

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