Droht Job-Katastrophe im Land? Jede vierte Arbeitsstelle könnte zu großen Teilen von Computern übernommen werden

8. November 2018 | Soziales | 2 Kommentare

190.400 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Sachsen-Anhalt arbeiten in Jobs mit hohem „Substituierbarkeitspotential“. Das heißt konkret: Ihre Jobs könnten jetzt schon zu über 70 Prozent von Computern oder computergesteuerten Maschinen übernommen werden. Das entspricht einem Anteil von 24,4 Prozent aller Beschäftigten. Im Jahr 2015 waren noch 14,6 Prozent aller Beschäftigten im Land betroffen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlern des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB-Regional) in Halle zur Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt. Ein besonders hohes Substituierbarkeitspotential weisen demnach Fertigungsberufe, IT- und Dienstleistungsberufe, aber auch Verkehr- und Logistikberufe auf.

8.000 Jobs könnten bereits heute voll von Computern übernommen werden – Die Tätigkeiten von 38.800 Beschäftigte sind gar nicht von der Digitalisierung betroffen
Weitere Erkenntnis der Untersuchung: Bei 8.000 Beschäftigten, also etwa einem Prozent aller Beschäftigten im Land, könnten die Jobs bereits ganz von Computern und Computergesteuerten Maschinen übernommen werden. 2015 betraf das noch 3.400 Jobs, also 0,4 Prozent aller Beschäftigten. Es handelt sich dabei etwa um Berufe in der Metallumformung, Elektromaschinentechnik und Glasherstellung oder aber um Jobs in der Steuerberatung oder etwa der Bedienung von Kränen und Hebeeinrichtungen. Das Fortbestehen dieser Arbeitsplätze zeigt aber, dass die technische Substituierbarkeit neben Kostenaspekten und rechtlichen oder ethischen Rahmenbedingungen nur ein Aspekt für Personalentscheidungen ist. 38.800 Beschäftigte in Sachsen-Anhalt arbeiten in Jobs, die gar kein Substituierbarkeitspotential haben, deren Tätigkeiten also aktuell gar nicht von Computern erledigt werden können. Das sind etwa fünf Prozent aller Beschäftigten. Es handelt sich dabei etwa um Friseure. Physiotherapeuten, Maurer aber auch Erzieher.

Substituierbarkeitspotential in Sachsen-Anhalt liegt leicht unter dem Bundesdurchschnitt


Das Substituierbarkeitspotential in Sachsen-Anhalt liegt etwas unter dem Bundesdurchschnitt. Deutschlandweit üben 25 Prozent der Beschäftigten eine Tätigkeit aus, die zu mehr als 70 Prozent durch IT ersetzbar ist. „Die etwas geringere Betroffenheit in Sachsen-Anhalt erklärt sich aus der spezifischen Wirtschaftsstruktur. Der Anteil der Beschäftigten in Fertigungs- und Produktionsberufe, die eher von Computern und computergesteuerten Maschinen gemacht werden können, ist etwas niedriger als im Bundesschnitt. Der Trend zeigt aber, wie überall, nach oben und vollzieht sich rasant. Perspektivisch werden immer mehr Berufe und Tätigkeiten von der Digitalisierung betroffen werden“, erklärte ein Autor der Studie, Dr. Per Kropp vom IAB.

Regionale Unterschiede: Ein Drittel der Jobs im Kreis Börde besonders betroffen, in Halle nur etwa 16 Prozent
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Es gibt große regionale Unterschiede. Während im Landkreis Börde 32,8 Prozent der Beschäftigten in Jobs arbeiten, die zu 70 Prozent von Computern und IT-Prozessen übernommen werden könnten, sind es in Halle nur 15,9 Prozent. Die Wissenschaftler erklären die Spreizung mit den unterschiedlichen Branchenstrukturen aber auch dem Anforderungsniveau der Jobs. „In den Städten arbeiten viele Höherqualifizierte in Berufen, die weniger durch Computer übernommen werden, wie etwa in der Verwaltung, in der Lehre und in der Forschung“, ergänzt Stefan Theuer, ein weiterer an der Studie beteiligter IAB-Wissenschaftler.

Senius: „Keine Massenentlassungen“ – Berufsbilder – und Inhalte ändern sich

Kay Senius, Chef der Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt, sieht aber keinen Anlass zur Sorge. „Der Trend und die Übernahme von Tätigkeiten durch Computer und IT-Prozesse wird nicht zu Massenentlassungen und steigenden Arbeitslosenzahlen führen. Technologischer Fortschritt bedeutet nicht gleich Abbau von Beschäftigung. Schließlich haben wir aktuell den höchsten technologischen Fortschritt und gleichzeitig ein Beschäftigungswachstum. Die Berufsbilder und ihre Inhalte ändern sich. Während manche Berufe und Tätigkeiten wegfallen, werden neue entstehen. Und die Anforderungen an die Beschäftigten werden größer. Zum einen an ihr Wissen und zum anderen auch an ihre Bereitschaft und Flexibilität, sich stets weiterzubilden. Dem Thema „Aus- und Weiterbildung“ und lebenslanges Lernen kommt eine entscheidende Bedeutung zu“, erklärte Senius. Bildung sei immer mehr der Rohstoff der Zukunft. Sowohl Staat als auch Wirtschaft müssten noch stärker in das Know-How von Beschäftigten investieren. Darüber hinaus müsse es gelingen, diejenigen mitzunehmen, die beim Digitalisierungsprozess Unterstützung brauchten. „Wir können es uns nicht erlauben, dass Menschen dabei auf der Strecke bleiben“ so Senius weiter.

Die STUDIE im NETZ: http://doku.iab.de/regional/SAT/2018/regional_sat_0118.pdf

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