Stadtratsvorsitzende zu AfD-Urteil: „löst gravierenden rechtlichen Widerspruch nicht auf“

10. August 2023 | Politik | 10 Kommentare

Zum Urteil des Verwaltungsgerichts Halle im Kommunalverfassungsstreitverfahren der AfD-Fraktion gegen den Stadtrat Halle um die Berufung Sachkundiger Einwohner erklärt die Stadtratsvorsitzende Katja Müller:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle ist teils schwer nachvollziehbar. Es löst einen gravierenden rechtlichen Widerspruch nicht auf und lässt viele Fragen offen.

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Beschluss des Stadtrates vom 19. Dezember 2019, die Sachkundigen Einwohner der AfD-Fraktion mehrheitlich nicht zu berufen, rechtswidrig war. Demnach müsse bei der Abstimmung über die Berufung Sachkundiger Einwohner einer Fraktion eine Mehrheit zustande kommen. Wie sich das rechtlich damit vereinbaren lässt, dass es in entsprechender Abstimmung jedem Stadtrat offen steht, mit „ja“, „nein“ oder „Enthaltung“ zu stimmen, bleibt unbeantwortet. Vor allem drängt sich die Frage auf, warum man die Berufung Sachkundiger Einwohner überhaupt abstimmen lässt.

Wenn der Gesetzgeber jeder Fraktion einen Rechtsanspruch auf ihren generellen und auch personellen Vorschlag einräumt, wäre es weitaus nachvollziehbarer, wenn die Gesetzesgrundlage dann auch so gestaltet ist, dass der Vorschlag einer Fraktion im Stadtrat lediglich zur Kenntnis genommen wird. Eine Abstimmung zu ermöglichen, den Stadtrat aber dabei zu mehrheitlicher Zustimmung zu verpflichten, bleibt ein Unding. Zumal die Frage, wie das Ganze vollstreckt werden soll, ebenfalls unbeantwortet bleibt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle knüpft die durchaus gegebene Möglichkeit, Sachkundige Einwohner abzulehnen, daran, dass der Stadtrat die Sachkunde eines Personalvorschlags nach Prüfung für nicht gegeben hält. Hierbei ist zunächst völlig unklar, nach welchen Kriterien diese Prüfung stattfinden kann, soll und darf. Zudem fasst das Urteil den Begriff „Sachkunde“ sehr eng, nämlich  „bezogen auf das jeweilige Aufgabengebiet des jeweils betroffenen Ausschusses“.

Die Mehrheit des Stadtrates hat bei seiner Entscheidung, die Sachkundigen Einwohner der AfD-Fraktion nicht zu berufen, auch Sachkunde in Demokratie und Verfassungstreue berücksichtigt und hatte nicht pauschal sondern bei ganz konkreten Personen berechtigte Zweifel. Wenn das rechtswidrig ist, ist das ein schwieriges Signal. Auf den Punkt gebracht, würde das auch bedeuten, dass theoretisch jeder vorgeschlagene Verfassungsfeind bspw. in den Planungsausschuss als Sachkundiger Einwohner berufen werden muss, sobald er „nur“ Architekt, Landschaftsplaner oder Hobbyexperte ist. Ob das im Sinne einer wehrhaften Demokratie ist, darf bezweifelt und hinterfragt werden.

Kurzum: Mit dem Urteil bleibt sowohl im konkreten Fall als auch perspektivisch vieles ungeklärt. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, vorhandene Widersprüche aufzulösen und das Verfahren der Prüfung und Berufung von Sachkundigen Einwohnern zu schärfen.

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