Heinrich Zille bekommt Zusatz-Straßenschild im Paulusviertel

24. Januar 2022 | Kultur | Keine Kommentare

Der auch unter dem Namen „Pinselheinrich“ bekannte Berliner Künstler Heinrich Zille porträtierte die unterprivilegierte Schicht der Bevölkerung. Seine Zeichnungen werfen ein sozialkritisches und dennoch humoristisches Licht auf das Berliner Volksleben um 1900 – „Zilles Milljöh“.

Nun erhält die Heinrich-Zille-Straße im Paulusviertel Zusatzschilder, die über den Namensgeber informieren. Aus diesem Anlass lädt die Bürgerstiftung Halle zu einem Presse- und Fototermin ein, der am  Mittwoch, 26. Januar 2022, um 11 Uhr in der Heinrich-Zille-Straße / Ecke Carl-von-Ossietzky-Straße stattfinden wird.

Die Schilder wurden gespendet von Familie Hirsch.

 

Hintergrundinformationen zu Heionrich Zille, erstellt von der Bürgerstiftung Halle:

Heinrich Rudolf Zille (1858 – 1929)
Am 10. Januar 1858 wurde Heinrich Rudolf Zille als Sohn des Uhrmachers Johann Traugott Zille und der Bergarbeitertochter Ernestine Louise Zille, geb. Heinitz in Radeburg bei Dresden geboren. Als er sieben Jahre alt war, zog die Familie nach Potschappel bei Dresden, zwei Jahre später siedelte sie nach Berlin um.
Seit seiner Kindheit zeichnete Heinrich Zille, ab 1869 nahm er Privatunterricht. Während seiner Lehrzeit zum Lithographen von 1872 bis 1875 bei Fritz Hecht besuchte er anatomische Studien bei Prof. Carl Domschke und nahm Abendunterricht bei Prof. Theodor Hosemann in der „Königlichen Kunstschule“, ebenso Abendstunden im Akt-Zeichnen an der Akademie der Künste und Sonntagsstunden bei Anton von Werner. Nach seiner Gesellenzeit in verschiedenen lithographischen Werkstätten trat er 1877 in die „Photographische Gesellschaft“ (Dönhoffplatz, später Charlottenburg) ein.

1880 entstand ein „Erster Versuch, ‚etwas aus dem Arbeiterleben zu komponieren‘“. Erst sieben Jahre später, nach Militärdienst, Hochzeit und Geburt der ersten Tochter, fertigte er die erste Aquatinta-Radierung.

Um 1890 befreundete sich Zille mit den Bildhauern August Gaul und August Kraus, er lernte Max Liebermann kennen, der sein Potential erkannte und ihn künstlerisch förderte. 1892 entstanden die ersten Radierungen unter dem Einfluss des literarischen Realismus. 1901 zeigte die Ausstellung „Zeichnende Künste“ der Berliner Sezession erstmals Arbeiten Heinrich Zilles, was zunächst Entrüstung „über die Verunglimpfung Berlins und seiner Bewohner“ hervorrief (Ostwald). Seitdem waren seine Werke ständig in den Herbst-/Winter-Ausstellungen zu sehen. Von 1901 bis 1906 entstanden Aktstudien. 1902 fand seine erste Einzelausstellung in Amelangs Kunstsalon in Berlin
statt. Neben Max Beckmann, Lovis Corinth, Edouard Manet und anderen gestaltete Zille die Sommerkataloge der Sezession. 1903 wurde Zille Mitglied der „Berliner Sezession“ und arbeitete am „Simplizissimus“ mit. 1905 erschien Zilles erste geschlossene Publikation – das Mappenwerk „Zwölf
Künstlerdrucke“.

Nach Zilles Entlassung aus der „Photographischen Gesellschaft“ 1907 war er fortan freiberuflich tätig. Sein erster Bildband „Kinder der Straße“ erschien im Verlag „Lustige Blätter“, Berlin. Auf Initiative von Max Liebermann erhielt er 1910 gemeinsam mit Fritz Koch-Gotha den Menzel-Preis. Um 1912 entwarf Zille für die Revuen seines Freundes Hermann Frey Bühnenbilder und Plakate. Das Wandbild für den „Stallmann’schen Künstlerkeller“ in der Jägerstraße in Berlin entstand. Jährlich erschienen
weitere Bücher: 1913 „Mein Milljöh“ und der Zyklus „Hurengespräche“, 1914-18 die Bildserien „Korl und Vadding“, welche 2016 im Salon Casper in Berlin ausgestellt wurden und das Soldatenleben im 1. Weltkrieg zum Thema haben. Über diese Arbeit entwickelte Zille sich zum Kriegsgegner. 1919 veröffentlichte Zille den Zyklus „Zwanglose Geschichten und Bilder“. 1921 erwarb die Nationalgalerie einige frühe Arbeiten und Skizzenblätter. 1923 stellte er in Dresden aus. 1924 wurde Heinrich Zille,
auch wieder auf Veranlassung Max Liebermanns, als Ordentliches Mitglied an die Preußische Akademie der Künste berufen und zum Professor ernannt. Er beteiligte sich an der „Hungermappe der Künstlerhilfe der Internationalen Arbeiterhilfe“. Zu den vier Bildbänden über Heinrich Zille, welche 1927 erschienen, schrieb Max Liebermann das Vorwort. Bei der ersten deutschen Kunstausstellung in Moskau, Leningrad und Saratow 1924-25 war Zille mit 17 Werken vertreten.

Zwischen 1925 und 1929 fanden fünf Zille-Bälle im Großen Schauspielhaus statt als Wohltätigkeitsveranstaltungen, bei welchen die Gäste in Zille-Kostümen erschienen. Es entstanden Zille-Kneipen, in denen Zilleszenen und Zille-Witze die Wände dekorierten. Zille-Filme entstanden: 1925 wurde der nach Eindrücken und Erlebnissen Zilles gestaltete Film „Die Verrufenen“ (Der Fünfte Stand) uraufgeführt. 1926 folgte „Die da unten“ (ohne Zilles Autorisierung), 1927 Filmaufnahmen für die Sammlung „Schaffende Hände“ des „Instituts für Kulturforschung“, 1928 Filmaufnahmen für „Acht Maler und ein Modell“. Anlässlich seines 70. Geburtstages 1928 veranstaltete das Märkische Museum Berlin mit herausragendem Erfolg eine große Ausstellung seiner Bilder und erwarb 100 Arbeiten (von denen nur eins den 2. Weltkrieg überstand). Im selben Jahr gründete Otto Nagel die bis 1933 erscheinende Satire-Zeitschrift „Eulenspiegel“ unter Mitwirkung von Heinrich Zille, der darin regelmäßig tagespolitische Beiträge und seine humorvollen Zeichnungen aus dem Berliner Hinterhofmilieu veröffentlichte.

Am 9. August starb Heinrich Zille, der bereits 1913 an Diabetes erkrankt war, nach zwei Schlaganfällen. Auf dem Friedhof Stahnsdorf bei Berlin erhielt er ein Ehrengrab.
Zilles „Milljöh“ ist sprichwörtlich geworden, es umfasst sein gesamtes Schaffen. Zille zeigt die heimatliche Umgebung Berlins in seinen lustigen Erscheinungsformen und tritt „als sozialer Warner und Schilderer“ auf (Ostwald). Bevorzugt zeichnet er die Benachteiligten der Gesellschaft, die sich abseits vom bürgerlichen Dasein durchs Leben schlagenden Menschen. Seine Motive sind u. a. dieKinder der Stadt Berlin („unbeobachtet, posierend, beim Spielen im Hinterhof, mit Rotznasen, hungrig und zerlumpt“, http://zillemuseum-berlin.de/aktuelles), das Leben der Männer, Frauen und Kinder in den Berliner Mietskasernen und Hinterhöfen, in den Kneipen und Bordellen.
„Seine Gestalten, seine proletarischen Männer und Frauen, seine kessen und rachitischen Zillekinder leben aus dem Innern heraus. … Sie sind im wahrsten Sinne de Wortes in tiefster Seele erlebt. Sie haben in jedem Strich alles das, was ein überarbeiteter Mann, eine abgehetzte, verhärmte Frau, ein verschnapstes Wesen, ein verkümmertes Unglückskind empfinden und erleben.“ (Ostwald, S. 89) Zille „ist die große Gabe des Humors gegeben, des Humors, der immer wieder aus vollem Herzen  überströmt. Und so werden auch seine bittersten Schilderungen und Gestalten stets wider vomlebensbejahenden Lachen aus ihrer Finsternis herausgehoben und uns nähergebracht.“ (Ostwald, S. 106f.)

„Der aufmerksame Beobachter, der heute durch die Straßen Berlins oder einer anderen Großstadt schlendert, wird feststellen, dass sich zwar Sprache und Mode geändert haben, aber Zilles Sicht auf das „Milljöh“ immer noch sehr nah dran ist an den sozialen Brennpunkten unserer Tage. Zille setzte mit seinem Werk Maßstäbe und hat dies obendrein auch noch sehr witzig getan. Zille informiert nicht nur kritisch – er erhellt und unterhält.“ (http://zillemuseum-berlin.de/)
Quellen:
Renate Altner und Autorenkollektiv des Märkischen Museums Berlin: Heinrich Zille. 1858-1929.
Berlin 1982
Hans Ostwald und Heinrich Zille: Das Zille-Buch. Berlin 1929.
http://zillemuseum-berlin.de/

 

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