Die Alte Synagoge in Erfurt

21. November 2017 | Kultur | Keine Kommentare

Mit einem Herbstausflug möchte HalleSpektrum seine Tres-Culturas-Reihe fortsetzen. Davon einmal abgesehen, dass sich ein Ausflug ins schöne Erfurt immer lohnt.

Erfurt hat an jüdischen Bauwerken, Plätzen und Erinnerungsorten einiges so bieten: Alte Synagoge (1), Mikwe (2), Mittelalterlicher jüd. Friedhof (3), Kleine Synagoge (4), Neue Synagoge (6), Alter jüd. Friedhof (5), neuer jüd. Friedhof (7), Jüd. Bildungs- und Kulturzentrum (8) und Erinnerungsort Topf & Söhne, die Ofenbauer von Auschwitz (T). Unser Hauptaugenmerk soll aber auf der alten Synagoge und der mittelalterlichen Mikwe liegen.

Erfurter Judeneid Ältester deutschsprachiger Judeneid um 1200 Foto Stadtarchiv Erfurt, 2006 mit freundlicher Genehmigung des Museums

Die Juden im mittelalterlichen Erfurt

Die jüdische Gemeinde in Erfurt ist alt. Wahrscheinlich nicht so alt wie die im nahen Halle, aber dennoch vermutlich einer der ältesten in Thüringen. Der Bau der Synagoge, heute die alte Synagoge genannt, begann bereits um 1100. Wir erinnern uns: Viele der alten Gemeinden im Rheinland waren zu diesem Zeitpunkt im Verlauf des ersten Kreuzzugswahn von judenfeindlichen Kreuzfahrern ausgelöscht worden. Die Juden von Erfurt waren gut integriert, wie man heute so sagt, das zeigte sich mehreren Tatsachen: Sie mußten sich im Alltag nicht als Juden zu erkennen geben (hatten sich allerdings davon freigekauft), waren von den Gewändern auch nicht wesentlich von der Erfurter Bevölkerung zu unterscheiden und standen wie andere Bürger bewaffnet auf den Mauern und Wällen der Stadt, wenn Erfurt verteidigt werden mußte (z.B. 1309 bei der Belagerung durch Friedrich von Meißen). Auch wenn Juden und Christen enge Nachbarn waren, im Jahr 1349 wurde die Gemeinde in einem Progrom fast vollständig ausgelöscht, auch Widerstand mit der Waffe brachte nichts. Das war auch das Ende der alten Synagoge als Gotteshaus, das Gebäude wurde in ein Lagerhaus umgebaut. Ab 1354 entstand auf städtisches Betreiben hin durch Zuwanderung eine zweite mittelalterliche Gemeinde  in Erfurt. Aber auch diese mußte 1453 auf Druck des Erfurter Rats weichen: Dieses Mal wurde die jüdische Bevölkerung nicht erschlagen, nur vertrieben.

Die alte Synagoge. Foto: HalleSpektrum

Schatzsuche in der Innenstadt : Die Dauerausstellung

In einer Seitenstraße in der Nähe der Krämerbrücke fanden wir das Museum „Alte Synagoge“. Da die Synagoge selbst in einem Hinterhof liegt, ist von außen auch nicht viel zu erkennen. Eingang und Museumskasse liegt in einem Durchgang. Der Museumseintritt ist mit 8 Euro (Stand Okt. 2017) für einen Erwachsenen im normalen Bereich anzusiedeln. Dafür wird ein Schatz geboten, aber wir wollen noch nicht zu viel verraten. Auch wichtig: Museumpersonal ist sehr freundlich, hilfreich und auskunftsbereit.

Alte Synagoge Erfurt
Ausstellungsraum im Keller
Foto Albrecht von Kirchbach, 2008. Mit freundlicher Genehm. des Museums

Seit 1349 war die alte Synagoge kein Gebetshaus mehr. Sie diente als Lager und im 19. Jahrhundert wurde der Bau zu einer gastronomischen Nutzung umgebaut. Als die Nazi 1938 die schreckliche Reichsprogromnacht durchführten, war vergessen, dass hier einst eine Synagoge stand. Der Bau entging damit der Zerstörung und ist damit ein überlebendes Beispiel einer mittelalterlichen Synagoge und mahnt daran, dass Judenhass und Judenvernichtung keine Erfindung der (deutschen) Neuzeit sind. Wenn man den Hof überquert hat, vorbei an aufgefundenen jüdischen Grabsteinen gelangt man in den alten Synagogenraum. Bau und Ausstattung der alten Synagoge wird im Erdgeschoss des Gebäudes erläutert. Im 1. Stock kommt man aus dem Mittelalter ins 19. Jahrhundert in den Tanzsaal aus der Zeit der gastronomischen Nutzung. Mittelalterliche Handschriften geben Einblick in die Gelehrsamkeit der mittelalterlichen Gemeinde. Im Keller jedoch, der erst nach der Nutzung als Synagoge entstand, wird der Erfurter Schatz ausgestellt.

Schatz im Keller gefunden

Erfurter Schatz (TLDA)
Jüdischer Hochzeitsring, 1. Hälfte des
14. Jahrhunderts
Foto Papenfuss | Atelier für Gestaltung, 2008. Mit freundlicher Genehm. des Museums.

Es müssen verzweifelte Menschen gewesen sein, die ihr ganzes Hab und Gut vor dem Progrom von 1349 vergraben haben, und sie waren nicht in der Lage, ihren Schatz nach Abziehen der Judenhasser und Mörder wieder zu heben. Erst im Zusammenhang mit archäologischen Untersuchungen 1998 in der Nähe der Synagoge wurden die Wertgegenstände entdeckt. Der Fund hat ein Gesamtgewicht von etwa 28 Kilogramm. Darin enthalten sind 3141 Silbermünzen, Einzelstücke gotischer Goldschmiedekunst, ein Ensemble an Silbergeschirr, außerdem 8 Broschen (Fibeln), 8 Ringe aus Gold und Silber und herrliche Gürtelteile und Gewandbesatzteile, von denen Hochmittelalterdarsteller feuchte Träume bekommen.

Die mittelalterliche Mikwe

Mittelalterliche Mikwe Erfurt
Innenraum des Schutzbaus
Foto Peter Seidel, 2011. Mit freundl. Genehm. des Museums.

Ganz in der Nähe der alten Synagoge ist die mittelalterliche Mikwe zu finden. Eine Mikwe ist ein Tauchbad, das der rituellen Reinigung dient. Sie wird von lebendigen Wasser, meist Grundwasser gespeist. Das funktioniert in Erfurt bis heute, allerdings ist der Wasserstand viel niedriger als im Mittelalter. Neben der Synagoge und dem Friedhof gehört sie zu den wichtigsten Einrichungen einer jüdischen Gemeinde. Das ist bis heute so.  Frauen tauchen nach Menstruation und nach Geburten im Bad unter, bevor sie das Bett mit ihren Ehemännern teilen. Auch Männer nutzen das Tauchbad, etwa vor hohen Feiertagen. Eine körperliche Reinigung erfolgt vor dem Untertauchen. Die Nutzung einer Mikwe wird in der Neuzeit nicht so intensiv benutzt wie im Mittelalter. Aber man braucht immer eine Mikwe für das religiöse Leben. Wenn es keine gibt, wird eine gebaut.

Die Erfurter Mikwe war zwar durch Schriftquellen bekannt, ist aber erst 2007 durch Archäologen erst wiedergefunden worden. Ein Mauerstück deutet auf einen Vorgängerbau im 12. Jahrhundert hin. Die Mikwe wurde auch von der zweiten mittelalterlichen Gemeinde ab 1354 benutzt. Nach deren Ende im 15. Jhd. endete die Nutzung des Ritualbades. Das Becken wurde verfüllt, der Raum darüber bis in das 20. Jahrhundert als Keller genutzt. Heute dient ein moderner Schutzbau der Sicherung der Mauerreste. Die Mikwe kann von oben eingesehen werden und im Rahmen von Führungen besichtigt werden.

Weitere Infos unter http://juedisches-leben.erfurt.de/jl/de/index.html

Blick von der Mikwe auf die Krämerbrücke. Foto: HalleSpektrum

Hintergrund:

Unter dem Titel „tres culturas“ (drei Kulturen) stellt Hallespektrum in Anlehnung an die „Stadt der drei Kulturen – Toledo“ die kulturellen Wurzeln Europas vor, bestehend aus Judentum, Christentum und Islam.

Weitere Beiträge der Reihe Tres Culturas:

  1. Was bedeutet Weihnachten für Christen, Muslime und Juden?

  2. „Von guten Mächten wunderbar geborgen…“

  3. 6. Januar: Dreikönigsfest

  4. Frauen treffen sich zum interreligiösen Dialog

  5. Huysburg: Ein Wochenende im Kloster

  6. Besuch bei der Synagogengemeinde in Halle-Trotha

  7. Purim oder das Losfest

  8. Osternacht auf dem Petersberg

  9. Gott ist schön und liebt das Schöne

  10. Beginn des islamischen Opferfestes

  11. Ein süsses Leben Euch allen!

  12. Jom Kippur, das jüdische Versöhnungsfest

Print Friendly, PDF & Email

Kommentar schreiben